Bewertung
Soap&Skin

Soap&Skin mit Ensemble im Wiener WUK

Im Anschluss an ihre erste große Europatournee erfüllte sich Feuilleton-Liebling Anja Plaschg, alias Soap&Skin, Ende 2009 einen persönlichen Traum und präsentierte im Rahmen einiger ausgewählter Konzerttermine ihr Debütalbum "Lovetune for Vacuum" in einem völlig neuen Gewand: Zu den gewohnten Klavier- und Elektronikklängen gesellte sich die imposante Soundkulisse eines sechsköpfigen Ensembles. Den Besuchern, die sich dieses Spektakel im Wiener Werkstätten- und Kulturhaus (WUK) nicht entgehen ließen, raubte das junge Multitalent damit einmal mehr den Atem.

Foto: Soap & Skin - "Lovetune for Vacuum" - Copyright:  Recordings
Soap & Skin - "Lovetune for Vacuum"
© [PIAS] Recordings

Lange Zeit bleibt sie finster, die schon seit Wochen restlos ausverkaufte Konzerthalle. Aus den Lautsprechern ertönt düstere Elektronikmusik, die zusammen mit den Rauchschwaden, welche sich in unregelmäßigen Abständen von der Bühne in den Zuschauerbereich bewegen, für eine nahezu gespenstische Atmosphäre sorgt. Wann immer sich der Nebel lichtet, bietet sich den Besuchern in den vorderen Reihen ein für Soap&Skin-Verhältnisse ungewohnter Anblick: Neben dem Herzstück eines jeden ihrer Konzerte, dem mit einem Laptop bestückten Bösendorfer-Flügel, zieren dieses Mal sechs zusätzliche Stühle sowie vier Streich- und zwei Blasinstrumente die vorerst noch menschenleere Bühne. Was genau einen an diesem Abend erwartet, vermag selbst der treueste Anhänger der bis dato überzeugten Einzelkämpferin Anja Plaschg nicht einzuschätzen.

Als die Musik plötzlich verstummt und stattdessen Schweinegrunzen aus den Lautsprechern dringt, erreicht im Publikum die mit Spannung gepaarte Vorfreude ihren vorläufigen Höhepunkt. Wirklich überrascht sind von dieser ungewöhnlichen Beschallung jedoch bloß die Soap&Skin-Neulinge, denn allen anderen sind diese an Anjas Kindheit auf dem elterlichen Schweinemastbetrieb erinnernden Klänge bereits aus diversen experimentellen Videos der ambitionierten Musikerin mit abgebrochenem Kunststudium bestens bekannt. Kurz darauf tauchen am Bühnenrand sechs blaue Lichtkegel auf, die sich langsam ins Zentrum des Geschehens bewegen. Es handelt sich dabei um die sechs Mitglieder des Ensembles, die sich mit Taschenlampen ihren Weg durch die Dunkelheit hin zu ihren Instrumenten bahnen. Während alle gespannt dieses Schauspiel beobachten, kommt die eigentliche Protagonistin des Abends beinahe unbemerkt angeschlichen. Der tobende Begrüßungsapplaus bleibt aus – zu ehrfürchtig harrt das Publikum der Dinge, die sich auf der Bühne abspielen. Letztere wird schließlich von einem einsamen Scheinwerfer erstmals in Licht gehüllt, ehe die ersten Töne erklingen und das Konzert beginnt.

Schon beim ersten Lied wird deutlich, dass die Musik von Soap&Skin durch die neuen Arrangements mitunter eine völlig neue Dynamik entwickelt. Dass es sich dabei nämlich um den letzten Song auf ihrem Debüt, das verträumte "Brother of Sleep", handelt, verraten einem lediglich die hinlänglich bekannten Textzeilen. Musikalisch liegen Welten zwischen der intimen Klavierballade auf dem Album und der neu arrangierten Live-Version. Für ähnlich viel Aufsehen wie ihre Musik sorgt gleich zu Beginn aber auch das Outfit der Künstlerin. Als sie dem Publikum am Ende des ersten Liedes den Rücken zudreht und sich ans Klavier setzt, offenbaren sich auf der Rückseite ihres schwarzen Overalls Unmengen an Schnallen und Riemen. Fast so, als hätte man Anja Plaschg in eine Zwangsjacke stecken müssen, um sie und ihr Talent im Zaum zu halten. Welch bezeichnende Symbolik.

Was folgt, ist eine eindrucksvolle Neuinterpretation aller auf "Lovetune for Vacuum" vertretenen Lieder, mit Ausnahme des elektronischen Rundumschlages "DDMMYYYY". Als erstes Highlight entpuppt sich dabei das instrumentale "Turbine Womb", dessen Ende alle mit weit aufgerissenem Mund zurücklässt: Nach einem gewohnt intensiven Klaviersolo überlässt Soap&Skin die finalen Minuten voll und ganz dem Ensemble, welches das Stück mit einer derartigen Wucht und Intensität abschließt, dass die Wände des WUK nicht nur sprichwörtlich wackeln. Noch interessanter wird die Sache allerdings, wenn man währenddessen die vermeintlich untätige Dame am Klavier genauer beobachtet. Regungslos sitzt sie da und starrt ins Leere, als plötzlich ihre Finger beginnen, sich unaufhaltsam auf und ab zu bewegen. Dadurch entsteht unweigerlich der Eindruck, als wären die Musiker des Ensembles lediglich Marionetten, deren Fäden Anja Plaschg aus der Ferne zieht. Wenn man bedenkt, dass sie die Arrangements für die neuen Liedversionen allesamt selbst geschrieben hat, angeblich in so manch rastloser Nacht im Hotel während ihrer Europatournee, erscheint einem dieser Gedanke plötzlich gar nicht mehr so abwegig.

Noch lange Zeit in Erinnerung bleiben wird dem Konzertpublikum in Wien auch die Darbietung des Live-Favoriten "Spiracle", welche Soap&Skin nach wenigen Sekunden mit den Worten "Wieso habe ich Licht? Ich will kein Licht!" unterbricht und erst fortsetzt, nachdem die Bühne komplett in Dunkelheit und dafür der Zuschauerbereich in gleißend helles Scheinwerferlicht getaucht ist. Erwähnt werden muss außerdem noch das vielversprechende neue Stück "Cradlesong" sowie die atemberaubende Coverversion von "Meltdown" aus dem Soundtrack zum Film "Requiem For A Dream", welche bei allen Anwesenden für Herzrasen sorgt und minutenlange Begeisterungsstürme auslöst.

Den krönenden Abschluss findet dieser rundum gelungene Konzertabend nach knapp einer Stunde in Form des gleichermaßen beeindruckenden wie verstörenden "Marche Funèbre". Während am Laptop der Yrasor-Remix besagten Stückes abläuft und das Ensemble rechtzeitig zum Finale zur Höchstform aufläuft, liefert Anja Plaschg eine Gesangs- und Tanzperformance ab, die irgendwo zwischen Gottesanbetung und Teufelsbeschwörung angesiedelt und nur schwer in Worte zu fassen ist. Als Zugabe wird schließlich noch das jüdische Partisanenlied "Zog Nit Keynmol" a capella zum Besten gegeben, ehe Soap&Skin & Co. endgültig von der Bühne verschwinden. Auch Minuten danach kann und will im Publikum keiner glauben, dass schon wieder alles vorbei ist. Doch Anja Plaschg macht wieder einmal alles richtig: Sie hört auf, wenn es am schönsten ist.

Fazit

Obwohl auch schon die Soloauftritte von Soap&Skin ein Erlebnis waren, fügt sich das 19-jährige Ausnahmetalent in Begleitung ihres Ensembles endgültig in den Reigen der unvergesslichsten Live-Interpreten – national ebenso wie international – ein. Angesichts der musikalischen und persönlichen Weiterentwicklung, die bei Anja Plaschg allein im letzten Jahr zu beobachten war, wird sie zu Recht als die wohl größte Nachwuchshoffung der heimischen Musikindustrie seit Jahren gehandelt.

Zum Austropop-Special

Setlist

Brother of Sleep / Cynthia / Cry Wolf / Turbine Womb / Surrounded / Sleep / Extinguish Me / Thanatos / The Sun / Meltdown (Requiem For A Dream OST) / Spiracle / Cradlesong / Mr. Gaunt Pt 1000 / Fall Foliage / Marche Funèbre (Yrasor Remix)

Zugabe: Zog Nit Keynmol (Hirsh Glick)

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SoapandSkin.com/

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Willi S. - myFanbase
11.01.2010

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