Bewertung
Soap&Skin

Lovetune for Vacuum

Wunderkinder haben's oft nicht leicht im Leben. Denn wenn man sich den Ruf eines solchen erstmal eingehandelt hat, scheint es oft unmöglich, den hoch geschraubten Erwartungen und dem damit verbundenen Leistungsdruck standhalten zu können. So muss auch die 18-jährige Österreicherin Anja Plaschg mit ihrer Debüt-LP "Lovetune for Vacuum" nun zeigen, ob sie die vielen Vorschusslorbeeren auch tatsächlich verdient hat.

Foto: Soap & Skin - "Lovetune for Vacuum" - Copyright:  Recordings
Soap & Skin - "Lovetune for Vacuum"
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Schon allein der Künstlername, der das mystisch anmutende Promo-Cover ziert, enthält einen vielsagenden, wenn auch subtilen Hinweis auf das fundamentale Wesen des Albums. "Soap&Skin" ist ein Sinnbild für zwei sich prächtig ergänzende Substanzen: Plaschgs Klavierspiel, das aus allen Poren ihre klassische Ausbildung atmet, sowie die schäumende und scheuernde Elektronik, die dieser so geschmeidigen Grundlage noch eine ganz besondere Note verleiht.

Lediglich das Verhältnis dieser zwei Ingredienzien variiert auf dem Album, durchgängig präsent sind sie beide. Während in manchen Songs aber eher scharrende und scheppernde Elektro-Sounds dominieren ("Marche Funèbre", "DDMMYYYY"), setzen andere vor allem auf Stimme und Piano. So leben sowohl "Cynthia", die bemerkenswerte Erstkomposition der jungen österreichischen Songwriter-Hoffnung, als auch das an Philip Glass und Yann Tiersen anklingende "Mr Gaunt Pt 1000" hauptsächlich von anschwellenden Klavier-Arpeggios und sehnsüchtigem Gesang, der einem fast das Herz zerreißt. Gleiches gilt auch für das aufreibende "Spiracle", welches mit seinen verstörenden Lyrics, flehentlichem "Please help me"-Wimmern und schmerzerfüllten Schreien tief unter die Haut geht.

Hier und da knistert, knarzt und knackt es aber selbst im Hintergrund von vermeintlich schlichten Piano-Songs wie dem Opener "Sleep" oder dem aufwühlenden Instrumental-Stück "Turbine Womb", das mit schwermütigem Klavier beginnt und erst später, mit dem Anwerfen der Turbine, den Sound so richtig aufwirbelt. Ganz ähnlich entwickelt sich auch "Fall Foliage", das den Hörer zunächst auf einen meditativen Waldspaziergang entführt, nur um ihm anschließend einen derart stürmischen Herbstwind um die Ohren wehen zu lassen, dass er am Ende nur noch von buntem, umherschwirrenden Laub umgeben ist.

Genau die richtige Balance zwischen empfindsamer Klassik und rauen elektronischen Spielereien findet Soap&Skin im unheilschwangeren "The Sun". Die regelrecht apokalyptische Stimmung des Songs lässt kühle, Schwarzweiß-Bilder vor dem inneren Auge aufblitzen und erinnert ein wenig an die vom Tod gezeichnete Lyrik einer Sylvia Plath. In dieselbe Richtung geht auch "Thanatos", griechischer Gott des Todes und tiefdunkles Monster von Song, das von einer unwahrscheinlich mächtigen Dringlichkeit und Dynamik getrieben wird.

Doch so düster und beklemmend einige Songs auch klingen, Soap&Skin kann auch anders. So streichen Viola und Cello in "Extinguish Me" tröstend über die aufgerissenen Wunden und der Song verliert sich musikalisch wie textlich in scheinbar grenzenloser Zärtlichkeit. Die Zerbrechlichkeit von Plaschgs Gesang, der auf dem Album grundsätzlich verdoppelt aufgenommen wurde und dadurch eine fast gespenstische Aura ausstrahlt, erreicht aber bereits in "Cry Wolf" seinen Höhepunkt. Denn das Stück bezaubert nicht nur mit seiner einnehmenden Jahrmarkt-Atmosphäre, sondern fährt einem auch spätestens beim letzten Aufheulen der einsamen Wölfin Plaschg durch Mark und Bein.

Bei derart kunst- und effektvoll inszenierten Songs liegt vielen wohl zwangsläufig der Vorwurf von Affektiertheit auf der Zunge. Doch auch wenn Soap&Skin hier und da etwas zu exaltiert und kapriziös ans Werk geht, wirkt das Album als Ganzes viel zu rund, die Verzweiflung zu real, als dass man Plaschg ihre Theatralik ankreiden könnte. Gerade diese Authentizität ist es jedoch, die es so schwierig macht, ihre Musik wirklich zu fassen. Denn dieser unbegreifliche Schmerz, diese oft zu Tode betrübte Stimmung lässt sich nur sehr schwer nachvollziehen. Zu diffus und kryptisch sind die Texte, zu unnahbar oft auch die Musik. Und so gerne man auch mitfühlen möchte, sind die Leiden der jungen Plaschg schlicht zu befremdlich, als dass die vierte Wand zwischen Musik und Hörer verschwinden könnte. Das Einzige, was beide wirklich verbindet, ist eine unerfüllte Sehnsucht.

Fazit

"Lovetune for Vacuum" wandelt auf dem schmalen Grat zwischen Genie und Wahnsinn und wird daher zweifellos polarisieren. Was die einen an diesem sehr eigenen Kammerpop fasziniert und fesselt, wird andere eher frustrieren oder verstören. In jedem Fall aber lässt die Musik von Soap&Skin keinen kalt. Und das allein ist schon ein großes Kunststück – im wahrsten Sinne des Wortes.

Zum Austropop-Special

Anspieltipps

Cry Wolf

Turbine Womb

Spiracle

The Sun

Hörprobe

Hört euch alle Lieder des Albums "Lovetune for Vacuum" an. Hier geht es zur Hörprobe. Zusätzlich gibt es den Song "The Sun" zum kostenlosen Download.

Weiterführende Links/Artistpage

Soap&Skin mit Ensemble im Wiener WUK

MySpace-Profil

Tracks

1.Sleep
2.Cry Wolf
3.Thanatos
4.Extinguish Me
5.Turbine Womb
6.Cynthia
7.Fall Foliage
8.Spiracle
9.Mr. Gaunt Pt 1000
10.Marche Funèbre
11.The Sun
12.DDMMYYYY
13.Brother Of Sleep

Paulina Banaszek - myFanbase
17.03.2009

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