Bewertung

Review: #5.09 Hofmann

Foto: Fringe - Grenzfälle des FBI - Copyright: 2012 Fox Broadcasting Co.; Cate Cameron/FOX
Fringe - Grenzfälle des FBI
© 2012 Fox Broadcasting Co.; Cate Cameron/FOX

Mit Ausnahme von Staffel 1 präsentierte "Fringe" in jeder Season eine Folge, die von der Machart her deutlich heraussticht. In Staffel 2 war dies die Film noir-Episode #2.20 Brown Betty, in der die meisten Darsteller auch noch ihre gesanglichen Qualitäten unter Beweis stellen durften. Die dritte Staffel lieferte uns eine meiner persönlichen Lieblingsfolgen ab, nämlich #3.19 LSD, die größtenteils in Olivias Unterbewusstsein spielte. In der vierten Runde gab es dann die Folge #4.19 2036, die aus dem damaligen Muster der vierten Staffel herausbrach und uns einen ersten Vorgeschmack auf das Jahr 2036 und somit auf die fünfte Staffel bescherte. Und obwohl die fünfte Staffel lediglich dreizehn Folgen umfasst, haben es sich die Verantwortlichen der Serie nicht nehmen lassen, auch in der finalen Staffel noch einmal eine besondere Episode zu kreieren. Voilà: #5.09 Black Blotter.

Während Walter in #2.20 unter einer Droge namens Brown Betty stand und in #3.19 LSD eine wichtige Rolle spielte, ist die titelgebende Substanz diesmal Black Blotter. Und wer auf Schuldgefühle und Selbsthass steht, sollte sich beim Dealer seines Vertrauens unbedingt mal nach diesem Psychotropikum erkunden.

"You've been him longer than you've been you."

Wenn ein Walter Bishop unter Drogen steht, ist Spaß vorprogrammiert. Deshalb hatte die neunte Folge dieser finalen Staffel auch so einige Momente vorzuweisen, die extrem lustig anzusehen waren. Zum einen war natürlich schon die Darstellung von John Noble an einigen Stellen zum Brüllen komisch, zum anderen sorgten dann solche Szenen, in denen Walter sich vor seinem geistigen Auge in einer von Monty Python inspirierten Trickfilmszene mitwirken sieht, für zusätzlichen Spaß. Natürlich nur, wenn man auf solch vollkommen überzogene Szenen steht, denn ich kann es durchaus nachvollziehen, wenn jemandem die Trickfilmszene zu viel des Guten war. Für diejenigen gab es dann aber immerhin noch zahlreiche herrliche Sprüche von Walter ("Why are these mice shooting at us?"), sodass wirklich jeder bedient gewesen sein dürfte, was den Humor betrifft.

Doch abgesehen von diesen witzigen Einlagen, wird #5.09 Black Blotter wohl als eine der bedrückendsten Episoden in die Geschichte der Serie eingehen. Unter Drogeneinfluss wird Walter nämlich nicht nur von den Taten, sondern auch von den Geistern seiner Vergangenheit eingeholt. Um genauer zu sein von einer in dieser Folge fast dauerhaft präsenten Halluzination von Walters ehemaliger Laborassistentin Dr. Carla Warren, die bei einem Feuer im Labor ums Leben gekommen war und die wir schon in der Folge #2.16 Peter zu Gesicht bekommen haben, welche im Jahr 1985 spielte. Dank Carla wird Walter in dieser Folge immer wieder daran erinnert, was für eine rücksichtslose Art von Mann Walter war, bevor William Bell ihm Teile seines Gehirns entfernte, und welche Art von Mensch er wieder zu werden droht, da ihm die Gehirnteile wieder eingepflanzt wurden. Mit der Zeit entwickelt sich daraus für Walter sein persönlicher Alptraum und aufgrund John Nobles' wieder einmal umwerfendem Schauspiel merkt man, wie sehr Walter unter seinem früheren Ich und der Angst, wieder jene Persönlichkeit zu werden, zu leiden hat. Gleichzeitig war es interessant anzusehen, wie die äußerlich engelsgleiche Carla redlich bemüht war, Walter in den Abgrund zu stürzen, während die junge Version von Nina mit ihren teufelsroten Haaren die gegenteilige Rolle inne hatte und verzweifelt versuchte, die gute Fee zu mimen und Walter vor Unheil zu bewahren.

"There's nothing to burn."

Walters Tiefpunkt, aber gleichzeitig das Highlight dieser Folge, wurde mit der letzten Szene erreicht. Allein schon stilistisch war es ganz großes Kino, wie Walter auf dem Boden seines Labors sitzt und sich um ihn herum Momente des Tages abspielten, an dem er endgültig die Grenzen der Wissenschaft überschritten hat und ein Wurmloch in das andere Universum kreierte, um Peter zu retten. Genauso großartig war allein die Tatsache, dass man die Geschehnisse des Jahres 1985 noch einmal vor Augen führte. Denn die Ereignisse, die dem Zuschauer in #2.16 vollends offenbart wurden, waren schon immer ein Schlüsselmoment der Serie – sei es auf die Handlung um die beiden Universen bezogen oder einfach nur auf den Charakter Walter Bishop, der sein ganzes Leben mit den Konsequenzen seiner Taten zu leben hatte, egal in welcher Zeitlinie. Dieses Zero Event, wie es einmal genannt wurde, war also stets ein wichtiges Element der "Fringe"-Mythologie und deshalb ist es umso fantastischer, dass man es noch einmal anschneidet. Noch fantastischer wäre es nur gewesen, wenn man sich nicht nur auf das Zero Event bezogen hätte, sondern beispielsweise auch auf Walters Cortexiphanexperimente an Kinder. Diese Handlung ist schließlich auch ein wichtiger Bestandteil der Serie gewesen und lässt für mich den "alten" Walter deutlich rücksichtsloser erscheinen als die Tatsache, dass er für das Leben seines Sohnes mit dem Leben anderer Menschen gespielt hat.

"Can't? That word was never in the vocabulary of the Walter Bishop I knew."

Spätestens nach der Gänsehaut erzeugenden Finalszene, in der Walter sich plötzlich einer Halluzination seines altes Egos gegenüberstehen sieht, erhärtet sich für mich immer mehr der Verdacht, dass das Finale der Serie gleichzeitig mit Walters Schwanengesang einhergehen und er sich somit auf irgendeine Art und Weise opfern wird, um die Menschheit zu retten. Das ist momentan natürlich reine Spekulation, aber in meinen Augen hat spätestens diese Folge den Weg dafür geebnet. Auf alle Fälle überzeugt Walters momentaner Werdegang in meinen Augen bisher vollkommen. Insbesondere, da ein wichtiges Thema der Serie plötzlich wieder im Mittelpunkt steht: Männer der Wissenschaft und die Frage, ob und wenn ja, wann die Grenzen der Wissenschaft übertreten werden dürfen. Dieses Thema wurde schon an vielen Stellen der Serie immer wieder angeschnitten, egal ob nur mit einzelnen Fall-der-Woche-Episoden wie in #2.18 Die weiße Tulpe oder #4.06 Die wir zurückgelassen haben oder mit größeren Handlungssträngen, wie eben Walters und Bells Kinderexperimenten sowie Bells Bestreben, ein neues Universum zu erschaffen. Es fühlt sich einfach rund an, dass man das Ganze durch Walter erneut aufgreift und dieses Thema am Ende gar wichtig für den finalen Akt der Serie sein könnte. Genau deshalb waren die Szenen mit Walter wahrscheinlich wahnsinnig wichtig für den weiteren Verlauf der Staffel und nicht, wie es so manch andere sehen, einfach nur darauf ausgerichtet, die Episode irgendwie unterhaltsam zu füllen.

"He doesn't speak. He hasn't aged a day since he came to live with us. We call him Michael."

Abgesehen von Walters teils unterhaltsamer, teils sehr bedrückender Selbstmedikation, brachte #5.09 Black Blotter sogar die Handlung ein wenig ins Rollen. Und damit meine ich wirklich ins Rollen und nicht "vergeuden wir mal 41 Minuten damit, irgendeinen Gegenstand aufzutreiben, der gaaaanz am Ende der Staffel dann irgendwie mal kurz noch mal eine kleine Rolle einnehmen wird"-ins-Rollen. Na gut, so ganz stimmt das natürlich nicht, denn strenggenommen sind wir am Ende dieser Folge wieder nur um ein Bestandteil des Plans reicher geworden. Da es sich dabei aber um das Beobachterkind handelt und somit die sehr vielversprechende Entwicklung aus #5.06 Through the Looking Glass and What Walter Found There wieder aufgegriffen wurde, konnte auch dieser Teil der Episode überzeugen. Denn nun, da das Beobachterkind in den Händen des Fringe-Teams ist, muss es in den kommenden Folgen einfach interessanter zur Sache gehen. Allein schon deshalb, weil es so einige Fragen zu beantworten gilt: Welche Rolle spielt das Kind im Kampf gegen die Beobachter? Weshalb könnte es den Beobachtern gefährlich werden? Und ist es Gang und Gäbe, dass die Menschen aus der fernen Zukunft auch schon als Kind die Beobachtertechnologie eingepflanzt bekommen? Gleichzeitig könnte man dann mal die Frage anschneiden, weshalb wir bisher eigentlich keine Frauen aus der Zukunft gesehen haben. Denn die Tatsache, dass uns bisher so selbstverständlich nur Männer präsentiert werden, die aus dem Jahr 2609 stammen, stört mich persönlich enorm. Überhaupt ist es ernüchternd, dass bisher jegliche Hintergrundgeschichte bezüglich der Beobachter fehlt.

Die Szene zwischen dem Beobachterkind Michael und Olivia gegen Ende der Episode war ein recht schöner Moment, da es mir so vor kam, als ob Olivia das erste Mal seit langer Zeit ein Leuchten in den Augen hatte und wirklich Hoffnung schöpft. Außerdem wissen wir durch diese Szene endgültig, dass es sich bei Michael um dasselbe Kind handelt, das wir in #1.15 Ohne Worte gesehen haben. Die Macher haben die von ihnen selbst kreierte Zeitlinien-Ungereimtheit dabei natürlich relativ trivial versucht zu umgehen, indem sie das Ganze einfach damit erklärt haben, dass Beobachter die Zeit selbstverständlich anders wahrnehmen ... nun ja. Auf jeden Fall freue ich mich auf weitere Szenen zwischen Olivia und Michael, da Olivia in Gegenwart von Kindern immer ein wenig aufblüht.

Auch der Rest der Folge war ziemlich unterhaltsam, bedenkt man die Verfolgung des mysteriösen Signals, das Olivia und Peter zu einem weniger appetitlichen Schauplatz geführt hat, oder die nette kleine Schießerei am Hafen. Sehr überraschend war natürlich noch das Auftauchen von Sam Weiss, auch wenn ich mir gewünscht hätte, ihn lebendig wiederzusehen und nicht als verweste Leiche. Denn so im Nachhinein betrachtet, wäre es echt eine tolle Sache gewesen, wenn sich Sam Weiss als der ominöse Donald entpuppt hätte, dessen Identität noch immer ungeklärt bleibt und ich mir mittlerweile gar nicht mehr sicher bin, ob wir jemals erfahren werden, um wen es sich bei Donald gehandelt hat. Zweifelsohne war es aber eine nette Überraschung, als uns die Leiche des Widerstandkämpfers als Sam Weiss präsentiert wurde.

"Your hair ... it's beautiful."

Wie bereits bei #2.20 Brown Betty und #3.19 LSD werden die Meinungen zu dieser Folge weit auseinandergehen. Dennoch war diese Episode sicherlich für viele treue Anhänger der Serie ein tolles Erlebnis, da man dank direkter Anspielungen auf frühere Ereignisse sowie des Anschneidens von für die Serie so elementaren Themen das erste Mal seit langer Zeit das gute alte "Fringe"-Gefühl vermittelt bekam und die fünfte Staffel dadurch nicht mehr so von den früheren Staffeln isoliert erscheint. Dazu lieferte Walters Trip wirklich grandiose Szenen ab, die seinen weiteren Werdegang in eine wichtige, ja vielleicht gar entscheidende Richtung gelenkt haben dürften und auch im Kampf gegen die Beobachter gab es zufriedenstellende Entwicklungen.

Kurzum: #5.09 Black Blotter gehört in meinen Augen nicht nur zu den überzeugendsten Folgen der finalen Staffel, sondern auch zu den denkwürdigsten Episoden der gesamten Serie. Punktabzug gibt es lediglich durch den in meinen Augen banalen Umgang mit den Ungereimtheiten der neuen Zeitebene sowie die stellenweise etwas zu dialoglastigen Szenen, die dem Tempo der Folge ein wenig schadeten.

Manuel H. - myFanbase

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