Bewertung
Jim O'Hanlon

Weihnachten bei dir oder bei mir?

Foto: Your Christmas or Mine? - Copyright: Amazon Studios
Your Christmas or Mine?
© Amazon Studios

Inhalt

Kurz vor Heiligabend wollen Hayley (Cora Kirk) und James (Asa Butterfield) am Londoner Bahnhof Abschied voneinander nehmen, um jeweils Weihnachten bei ihren Familien zu verbringen. Die beiden Schauspielstudenten erkennen aber kurz darauf, dass sie sich eigentlich gar nicht vorstellen können, ohne einander die Festtage zu verbringen. Deswegen wechseln beide den Zug. So landet James bei Hayleys chaotischer Familie, die es an Weihnachten liebt zu übertreiben und sie landet im Herrenhaus ihres Freundes, der offenbar ein Adliger ist und wo Weihnachtsstimmung weit und breit nicht zu finden ist. Da zudem auch ein Schneesturm tobt und alles an öffentlichen Verkehrsmitteln lahmlegt, kommen sie auch jeweils nicht weg und müssen sich auf ganz ungewöhnliche Weihnachten einstellen, garniert mit der Frage, wie gut sie einander denn wirklich kennen?

Kritik

Bei dem Filmtitel "Weihnachten bei dir oder bei mir?" (Original: "Your Christmas or Mine?") sind mir im Vorfeld durchaus einige Überlegungen durch den Kopf gegangen, wie sich die Handlung folglich gestalten könnte. Ich war eher bei dem Punkt ausgekommen, dass die Hauptfiguren diskutieren, bei wem sie Weihnachten verbringen wollen, denn man kennt es doch oft, dass sich mit neuen Liebespaarungen neue Traditionen entwickeln, weil gleich zwei (mögliche) Großfamilien aufeinandertreffen, die jeweils ihren Teil einfordern. Die britische Produktion hat aber letztlich eine lustigere Umsetzungsform gefunden, denn James und Hayley landen jeweils bei der anderen Familie und der Kontrast könnte größer nicht sein, weswegen der Filmtitel dann auch wieder passt. Denn Gemeinsamkeiten sind rar, weswegen es schon eine gravierende Entscheidung ist, welches Weihnachten man da wohl lieber verbringen möchte, je nach Persönlichkeit eben. Ganz passend findet der Film am Ende dann die charmante Lösung, dass sich alle in der Mitte treffen, was für mich als schönste Weihnachtsbotschaft des Films hängen geblieben ist. Warum auf Traditionen beharren? Warum den Willen einzelner umsetzen? Warum das alles, wenn es letztlich doch zusammengeht?

Aber nachdem ich das schöne Ende bereits vorweg genommen habe, fangen wir doch lieber wieder am Anfang an. James und Hayley bekommen für ein Liebespaar in diesem Film verhältnismäßig wenig Szenen miteinander, weil Sinn und Zweck nun mal ist, sie an getrennten Orten auskommen zu lassen. Dementsprechend kommt der Szene am Bahnhof viel Gewicht zu, denn für die Zuschauer*innen muss das Gefühl aufkommen, dass sich dort wirklich zwei Liebende für die Feiertage Lebewohl sagen. Man merkt sicherlich auch, dass sie relativ Frischverliebte sind, denn die drei magischen Worte sind noch nicht ausgesprochen. James versucht es zwar, doch Hayley würgt ihn ein wenig ab und sucht stattdessen ihren Bahnsteig. Auch wenn der Abschied auf einmal doch etwas abrupt wirkte, flirrte doch auch die Luft und Hayleys Reaktion hat damit auch gezeigt, dass sie und James unterschiedliche Typen sind, die sich verschieden ausdrücken. Als sie dann jeweils aber in ihrem Zug gen Heimat sitzen, da wird deutlich, wie sehr sie sich vermissen, obwohl nur wenige Minuten getrennt, und wie gut sie sich kennen. Denn James hat Hayley noch ein Geschenk in die Hand gedrückt und wohlwissend, dass sie nicht bis zum Weihnachtstag mit dem Auspacken warten würde, gleich mehrfach verpackt, um sie mit Nachrichten liebevoll aufzuhalten. Diese ganzen kleinen Momente am Anfang des Films sind wirklich wichtig, weil sie zeigen, warum beide bereit waren, ein Familienweihnachten (obwohl in beiden Familie wahrlich nicht perfekt) aufzugeben.

Das Schöne an "Weihnachten bei dir oder bei mir?" ist sicherlich auch, dass ein typisch britischer Humor (der Witz mit "The Crown" bringt mich jetzt noch zum Lachen, und passt auch einfach perfekt, wenn man bedenkt, wie viele Darsteller*innen aus der Serie an Bord waren) mit einer wichtigen Tiefsinnigkeit nahezu auf den Punkt perfekt miteinander vermischt werden. Während es natürlich ab dem Zeitpunkt, wo Hayley und James jeweils in der Welt des anderen landen, erstmal sehr lustig zugeht, weil sich Missverständnisse an Missverständnisse reihen und auch einige unangenehme Wahrheiten ans Tageslicht kommen, wird es später oft auch sensibel und im Tempo gedrosselt, um ernste Dialoge führen zu können. Mein persönliches Highlight war dabei James' Gespräch mit Hayleys Vater Geoff (Daniel Mays), der mit seiner ganzen Art eher wie der Familienclown wirkte, aber für seinen Schwiegersohn in spe doch den wichtigsten Ratschlag parat hatte. Somit hat man als Zuschauer*in wirklich eine tolle Bandbreite an Emotionen bereit gehalten, auch weil so trotz des ganzen Witzes deutlich wurde, dass es vielleicht bitter nötig war, dass mal ein völlig gegensätzliches Gesicht die Familien aufrüttelt, damit sie sich so auf das besinnen können, was wirklich zählt.

Der Film hat angesichts der Kontraste auch besonders gut funktioniert. James, der abgeschieden als 307. in der britischen Thronfolge auf einem edlen Landsitz groß geworden ist, und offiziell eine Karriere beim Militär verfolgt, landet in der chaotischen Großfamilie, deren übertrieben weihnachtlich geschmücktes Haus nahezu für die ganze Straße reicht. Zudem gibt es schon in der Familie selbst genug Kontraste, denn Geoff ist weiß, Kath (Angela Griffin) schwarz und mit jeweils einem Elternteil der beiden in einem Haushalt lebend ist der Platz schon beengt, aber auch die kulturellen Unterschiede sind riesig. Die Familie hat aber einen Weg gefunden, ein gemeinsames Weihnachten mit höchst unterschiedlichen Traditionen zu kreieren, bei dem jeder auf seine Kosten kommt, doch nur zum Preis vom absoluten Chaos. An der Stelle lobe ich mir einfach auch Butterfield, der nicht nur in "Sex Education", sondern schon in genug weiteren Produktionen bewiesen hat, dass man mit ihm wirklich alles machen kann. Man kann ihn beinahe an einer Münze verrecken lassen, man kann ihn in Bademantel und Plüschpantoffel für Wellnessbehandlungen stecken und man kann ihn mal gepflegt ausflippen lassen. So wie ich Butterfield bislang kennengelernt habe, so ist er auch nahezu die Idealbesetzung gewesen, um auf diese Familie zu treffen. Für Kirk gilt umgekehrt natürlich dasselbe. Sie kannte ich bislang zwar nicht, aber als jemand, die jede Stille mit nahezu unkontrolliertem Plappern überbrücken muss und die auch nahtlos in verschiedene Rollen schlüpfen kann, ist sie in Kombination mit Humphrey (Alex Jennings) natürlich der Knaller. Er, der sicherlich nie in seinem Leben wirklich locker war, aber nach dem unerwarteten Tod seiner Frau alles an Emotionen aus seinem Leben verbannt hat, trifft auf ein wahres Energiebündel, das keine Grenzen respektiert und das ihn regelrecht zu seinem Glück zwingt. Als es später zur großen Zusammenführung kommt, ist es wirklich augenscheinlich, wie sehr Hayley und James jeweils sozialisiert wurden. Aber egal wie groß die Unterschiede sind, schöne Gemeinsamkeiten findet diese neue Großfamilie in jedem Fall und deswegen geht einem unweigerlich am Ende das Herz auf.

Fazit

"Weihnachten bei dir oder bei mir?" garniert die Weihnachtsthematik mit typisch britischem Humor und verliert dennoch auch die emotionale Komponente nie aus den Augen. Der Film mit einer ungewöhnlichen Idee, die aber herrlich fruchtet, hat mich in jedem Fall positiv überrascht, weil es wirklich eine überzeugende Gesamtunterhaltung war.

Hier gibt es noch mehr Filme zur Weihnachtszeit

Lena Donth - myFanbase
21.12.2022

Diskussion zu diesem Film