Bewertung
Peter Flinth

Against the Ice

Foto: Against the Ice - Copyright: 2022 Netflix, Inc.
Against the Ice
© 2022 Netflix, Inc.

Inhalt

Im Jahr 1909 will der Entdecker Captain Ejnar Mikkelsen (Nikolaj Coster-Waldau) beweisen, dass Grönland immer noch ein zusammenhängendes Stück Land ist, da die USA genau das Gegenteil behaupten und dadurch den nordöstlichen Teil für sich beanspruchen wollen. Die erste Mission dieser Art ist gescheitert, da die Männer nie zurückgekehrt sind, weswegen auch die Skepsis in Ejnars Crew groß ist. Schließlich meldet sich aber der unerfahrene Iver Iversen (Joe Cole) freiwillig, der als Mechaniker mit solchen Missionen überhaupt nicht vertraut ist. Da Ejnar unbedingt erfolgreich sein will, geht er das Risiko mit ihm ein, doch ihre Reise ist von vielen Rückschlägen begleitet und es ist ein Wettlauf mit der Zeit, da die Crew der Alabama ein festes Datum für die Rückreise hat…

Kritik

Auch wenn Nikolaj Coster-Waldau mehr durch das US-amerikanischen Fernsehen bekannt ist, so lebt der gebürtige Däne mit seiner insgesamt vierköpfigen Familie in Kopenhagen und ist seiner Heimat sehr verbunden. Kein Wunder also, dass "Against the Ice" ein jahrelang geplantes Herzensprojekt von ihm war, denn es geht um ein einschneidendes Stück dänische Geschichte, das sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts abgespielt hat. Ganz in der alten Wikingertradition waren die Nordländer dort immer noch Entdecker und Abenteurer und wollten beweisen, dass Grönland ein einziges Stück Land ist, um so die US-amerikanischen Ansprüche im Keim zu ersticken. Zudem ist der Stoff natürlich auch schauspielerisch eine Herausforderung, denn es ist durch die zwei zentralen Hauptcharaktere sehr fokussiert auf die Figuren und auch der Dreh ist natürlich eine Herausforderung, da in den entsprechend kalten Temperaturen alles produziert werden musste. Daher ist es wirklich mehr als verständlich, dass sich Coster-Waldau die Sachbuchvorlage nach dem Entdecker Ejnar Mikkelsen vorgenommen und gemeinsam mit Joe Derrick ein spannendes Drehbuch entwickelt hat.

Der Film lebt in erster Linie von der Dynamik zwischen dem erfahrenen, wortkargen und knorrigen Ejnar und dem jungen, unerfahrenen Iver, der alles sagt, was er denkt. Da im Abspann auch noch darauf hingewiesen wurde, dass die beiden lebenslang enge Freunde geworden sind, unterstreicht auch das, dass die Entwicklung ihrer Beziehung definitiv das Highlight des Films ist. Zwar fehlt leider etwas Hintergrund, um zu begreifen, wer die beiden vor diesem Abenteuer waren, aber bei Ejnar erfahren wir, dass er seine große Liebe Naja (Heida Reed) zurückgelassen hat. Es wird nie ganz deutlich, was ihn dazu zwingt, so unbedingt Erfolg mit dem Beweis zu Grönland haben, denn es kann nur ein innerer Antrieb sein, der unbedingte Wille, anderen etwas beweisen zu müssen. Natürlich ist es schade, dass die beiden Männer nicht mehr miteinander reden, oder sagen wir vor der Kamera reden, denn diese Einblicke in ihre Wesen wäre wirklich noch das I-Tüpfelchen gewesen. Dennoch kann man auch so viel von Ejnar und Iver mitbekommen und es ist auffällig, dass die beiden sich immer gegenseitig ausbalancieren. Wo der Jüngere ungestüm und naiv agiert, ist der Ältere in sich ruhend und mit Erfahrung überlegen. Dennoch wandelt sich dieser Gegensatz auch ständig, denn je länger ihre Reise andauert, je mehr Rückschläge sich ergeben, desto mehr entscheidet jeder Tag neu, wie es diesen beiden Männer geht. Wenn Ejnar den Kompass kaputt hat und Iver mit kurzer Zündschnur als Verursacher beschimpft, da bleibt dieser einfach cool und repariert das Missgeschick. Wenn Iver wiederum verzweifelt glaubt, dass sie nie mehr lebend zurückkehren werden, dann ist es Ejnar, der Optimismus aus der letzten Pore holt, obwohl er diesen wahrscheinlich gar nicht wirklich empfindet. Spätestens wenn sie dann zum Ausgangspunkt zurückkehren und die Crew verschwunden ist, da leidet die Psyche dann endgültig. Die beiden Männer können sich eigentlich gar nicht mehr gegenseitig trauen, sind aber aufeinander angewiesen. Dieses Miteinander ist der stetige Antrieb des Films und als die beiden endlich nach einigen Jahren in der Zivilisation zurück sind, da gibt es keine Zweifel mehr, das sind zwei Männer, die alles voneinander kennen.

Neben spektakulären Natur- und Landschaftsaufnahmen, die im wunderschönen Island eingefangen wurden, lebt "Against the Ice" auch von den stetig neuen Herausforderungen, denen die beiden Männer sich stellen müssen. Es wird ein langer Zeitraum in den knapp 100 Minuten abgebildet, weswegen das Tempo durchaus hoch ist. Es werden exemplarisch immer wieder Tage herausgepickt, mal um nur den aktuellen Zustand abzubilden und dann wieder um aktiv etwas passieren zu lassen, wenn beispielsweise Iver die Kontrolle über seinen Schlitten verliert. Wenn ein Hund erschossen werden muss, um weiter Nahrung zu haben, wenn die Erschöpfung so groß ist, dass sie kaum noch vorwärts kommen oder wenn auf einmal der Eisbär um die Ecke kommt. Spannende Einschnitte gibt es mehr als genug; es ist dabei aber auffällig, dass diese oft eher nüchtern abgebildet werden. Es geht also weniger darum, intensive Emotionen bei den Zuschauer*innen zu wecken, als vielmehr möglichst effektiv die Herausforderungen abzubilden, denen sich Ejnar und Iver stellen mussten. Diesen Erzählstil kann ich beispielhaft an der Begegnung mit dem Eisbären erklären, denn Iver will eine Robbe schießen, um ihnen Nahrung zu besorgen, bis er auf einmal durch laute Geräusche auf den Angriff des Tieres aufmerksam wird. Doch statt einen intensiven Überlebenskampf zu inszenieren, gelingt Iver die Rettung von Ejnar recht schnell. Auch die anschließenden krankheitsbedingten Nachwirkungen, weil Ejnar ins Eis eingebrochen ist und sich schwer erkältet hat, werden eher nebenbei abgehandelt, bis es auch schon wieder weitergeht. Diesen Erzählstil will ich dem Film jetzt nicht unbedingt negativ auslegen, weil es eben um eine möglichst breite chronologische Erzählung geht, aber manches Mal wäre ein Mittelweg sicherlich nicht zu verachten gewesen, denn stellenweise wirkte "Against the Ice" so fast schon dokumentarisch.

Zuletzt will ich dann natürlich die schauspielerische Leistung noch hervorheben, denn es kam schließlich ganz entscheidend auf die Chemie zwischen Coster-Waldau und Joe Cole an. Beide für sich tragen den Film überzeugend, wobei der Jüngere noch einmal heraussticht, weil er diesen jungen naiven Mann, der im Schnelldurchlauf wirklich erwachsen werden muss, sehr gut gespielt hat. Aber speziell zusammen ist eine Dynamik entstanden, die eben so nur entstehen kann, wenn jeder Drehtag gemeinsam bestritten werden muss. Die anderen Szenen drum herum, die in Dänemark spielen und in denen sie nicht zu sehen sind, die sind fast schon außer Acht zu lassen, denn das ist nur eine kleine Kontexterweiterung, die unterstützend erklärt, warum sich die Rettung so lange hingezogen hat. Und wer hätte es gedacht, wie immer das liebe Geld. Aber der Fokus spielt mitten im Eis, wie es der Filmtitel auch sagt.

Fazit

"Against the Ice" beruht auf einer mitreißenden wahren Geschichte, die hier liebevoll und spannend inszeniert worden ist. Coster-Waldau und Cole bilden ein unwiderstehliches Duo für die Hauptrollen und ihr Miteinander als ihre Figuren ist eine abwechslungsreiche Reise voller Wendungen. Manchmal ist der Film etwas zu dokumentarisch gestaltet, was dann etwas an Emotionalität und Spannung einbüßt. Insgesamt ist Coster-Waldau aber eine gelungene Ode an die Freundschaft zweier Männer gelungen.

Zum Netflix-Special auf myFanbase

Lena Donth - myFanbase
08.03.2022

Diskussion zu diesem Film