Pretty/Handsome - Review des Piloten

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Seit den 1970er Jahren gibt es eine Forschungsrichtung namens Gender Studies, die sich intensiv mit den Geschlechtern beschäftigt und hinterfragt, wie die Vorstellungen davon, was männlich und was weiblich ist, von der Gesellschaft konstruiert werden. Mit "Pretty/Handsome" bewegt sich Serienmacher Ryan Murphy in genau diesem schwierigen Themenfeld und es bleibt abzuwarten, ob dieser gewagte Versuch eine Zukunft hat.

Im Mittelpunkt von "Pretty/Handsome" steht Bob, der auf den ersten Blick alle Vorstellungen eines richtigen Mannes erfüllt. Er ist in die Fußstapfen seines Vaters getreten und verdient als Arzt die Brötchen in der Familie. Er ist seit vielen Jahren verheiratet, hat zwei Söhne, treibt Sport und genießt hohes Ansehen. Was jedoch niemand weiß, ist, dass er eine Vorliebe für das hat, was als typisch weiblich gilt: Dessous, Kleider, Schminke, Schmuck und hochhackige Schuhe. Diese Leidenschaft kann er nur heimlich ausleben, in Modegeschäften behauptet er, dass er die Sachen für seine Frau kauft. In seinem Beruf als Arzt bekommt er es schließlich mit einem transsexuellen Paar zu tun, mit einem Mann, der als Frau lebt, und mit einer Frau, die als Mann lebt. Joseph Fiennes spielt die Rolle des Bob sehr überzeugend und eindringlich, so dass er, sollte die Serie realisiert werden, sicher ein Kandidat für einen Golden Globe wäre.

Mit Geschlechterrollen beschäftigen sich auch die Nebenstorys. Bobs ältester Sohn hat eine schwangere Freundin, die er nicht im Stich lassen will, obwohl sein bester Freund ihn dazu drängt. Bobs jüngerer Sohn entdeckt im Zeitalter des Word Wide Web sein Interesse an Frauen, und Bobs Vater erfüllt das Klischee des älteren Mannes, der mit seiner jüngeren Sekretärin schläft. Bobs Ehefrau sieht sich derweil den Avancen eines jüngeren Mannes ausgesetzt und ist nicht mehr weit vom Seitensprung entfernt. Diese Nebenstorys sind im Vergleich zu Bobs Seelenkonflikt und seiner Begegnung mit dem transsexuellen Paar zwar deutlich unorigineller, verdeutlichen jedoch sehr gut die Geschlechterrollen und die gängigen Vorstellungen von Frauen und Männern. Die Pilotfolge deutet an, dass es der Serie gelingen könnte, nicht ins klischeehafte abzurutschen, sondern vielmehr mit den Klischees zu spielen und sie auseinander zu nehmen.

Gut gefallen haben mir auch die Kulissen. Vor allem der vornehme Countryclub, in dem Bobs Familie Mitglied ist, stellt einen perfekten Schauplatz für festgefahrene Vorstellungen dar. Bei der Arztpraxis fühlt man sich durchaus ein wenig an "Nip/Tuck" erinnert, aber jeder Serienmacher braucht schließlich sein Markenzeichen.

Fazit

"Pretty/Handsome" ist ein mutiges, neues Projekt, das, wenn es eine Chance erhält, viel erreichen könnte, einschließlich der einen oder anderen Auszeichnung.

Maret Hosemann – myFanbase

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