Tim Brownlow

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Tim Brownlow

Liest man das Interview von Belascos Frontmann, drängt sich leicht der Eindruck auf, es handele sich um einen ziemlich wortkargen Gesellen. Doch das ist nur die halbe Wahrheit: Kurz ab ist Tim Brownlow nämlich nicht. Weder während seiner Show und schon gar nicht dann, wenn selbige vorbei ist. Das erste Mal im Alleingang auf Tour reiste er hierzulande mit der Deutschen Bahn umher. In der jeweiligen Stadt angekommen, sofern er denn ankam, lässt er zahlenmäßig leider viel zu kleine Publikum bereitwillig an seinen Erlebnissen teilhaben. Mit seinem geliebten Pilsener in der Hand – Briten sind bekanntlich trinkfest – schildert er frisch und frei von der Leber weg seine Irrfahrt ins falsche (vom Zielort 300 Kilometer entfernte) Biberach, lehrt die Deutschen, dass es Unglück bringt, sich für gewünschte Gesundheit nach einem Nieser zu bedanken und in welchen Orten man in England besser nicht absteigen sollte. Spielend und immer entwaffnend charmant plaudert Tim Brownlow aus dem Nähkästchen.

Hört man dann die sechs Songs umfassende EP "Behind Dark Trees", staunt man zunächst nicht schlecht. So jungenhaft und lausbübisch, wie er selbst zuweilen wirkt, sind seine Lieder nämlich sicher nicht – stattdessen meist finster und beklemmend. Der textlich wie stimmlich beschlagene Brownlow bewegt sich gekonnt zwischen Tiefsinn und gebrochenen Herzen Trost spendender Traurigkeit. Auf der Bühne trägt er oft gänzlich gedankenverloren vor, was er zu sagen hat: Sein Blick geht ins Leere und scheint für kurze Zeit zu entschwinden. Und während er sich in seine eigene Welt zurück- und alle Anwesenden in seinen Bann zieht, kehrt er gleichzeitig sein Innerstes nach außen. Regelrecht riesig erscheint da manchmal der Kontrast zwischen den elegischen Performances und der Zeit dazwischen und danach. Aber genau das macht seine Konzerte nicht nur musikalisch zu einem Erlebnis, sondern auch menschlich. Denn davon, was uns Menschen vielleicht am meisten ausmacht, hat dieser besonders viel: Gefühl. Stampfend und kraftvoll oder nahezu ins Mikro wimmernd bietet er sowohl live, als auch auf Platte sämtliche Emotionen auf. Seine Musik besticht im Akustikdress durch eine gewisse Transparenz, die sie für den Hörer greifbar macht – leicht durchschaubar oder verdaulich wird sie dadurch aber noch lange nicht. Zögerlich, zaghaft bis einnehmend, energisch – Tim Brownlows Erstling in EP-Länge fordert unseren Ohren alles ab. Und die sechs wunderbaren Lieder sind nur der Anfang: Sein Live-Repertoire beschränkt sich neben dem einen oder anderen Belasco-Song nämlich nicht auf die Tracklist der CD. Weitere Perlen sind unter Tims Namen bereits herangereift, befinden sich allerdings noch unter Verschluss, und werden bisher nur live performt.

Seit Bandbestehen blieb Tim Brownlow und seinen Kollegen der schon seit Jahren längst (!) fällige Durchbruch stets verwehrt. Auf welchem Weg auch immer: Diesem Mann gebührt Aufmerksamkeit. Viel Aufmerksamkeit. Ist mal mit Belasco unterwegs, seit kurzem auch statt der Band mit der Deutschen Bahn, und hat ganz nebenbei Trance-Projekt am Laufen. Da soll noch mal jemand sagen, Männer seien eindimensional und könnten sich immer nur auf eine Sache konzentrieren. Spätestens Tim Brownlow ist der lebende Gegenbeweis.

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Aljana Pellny - myFanbase

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