Biophilia
Höher, schneller, weiter. Schräger, greller, radikaler. Kaum eine Künstlerin schien in den vergangenen Jahren so sehr erpicht darauf, die Grenzen des Gewöhnlichen zu überschreiten, wie Björk. So war es eigentlich bloß eine Frage der Zeit, bis sich die Isländerin in Sachen Extravaganz mal wieder selbst übertreffen würde. Mit ihrem neuesten Werk "Biophilia" hat sie nun in Zusammenarbeit mit unzähligen Musikern, Wissenschaftlern, Software-Entwicklern, Schriftstellern und Musikinstrumenten-Bauern ein regelrecht revolutionäres Multimedia-Projekt auf die Beine gestellt, das zweifellos seinesgleichen sucht.
So wird man "Biophilia" auch wahrlich nicht gerecht, wenn man es lediglich als das neue Album von Björk tituliert. Denn "Biophilia" ist weit mehr als bloß eine musikalische Zusammenstellung neuer Songs aus der Feder der Isländerin. Vielmehr umfasst das Projekt neben den zehn Experimental-Pop-Stücken auf der Platte noch vier weitere Aspekte: eine Reihe audiovisueller Song-Apps, die allen iPad-, iPhone- und iPod Touch-Besitzern ein interaktives Eintauchen in das "Biophilia"-Universum ermöglichen und unter anderem Einblick in die vertrackten Songstrukturen des Albums gewähren; eine beeindruckende neue Webseite mit einer märchenhaften Einführung von Björk höchstpersönlich sowie 3D-Animationen und anderem technischen Schnickschnack; eine dreijährige Welttournee, die Björk für jeweils sechs Wochen in acht verschiedene Städte führen wird, in denen neben außergewöhnlich inszenierten Konzerten mit eigens dafür kreierten Musikinstrumenten auch musikpädagogische Workshops abgehalten werden; sowie zu guter letzt auch noch einen Dokumentarfilm über das gesamte Projekt.
Ob man diese Fülle an durchaus außergewöhnlichen Herangehensweisen an das Medium Musik nun tatsächlich für bahnbrechend und zukunftsweisend hält oder vielmehr als großspurig und größenwahnsinnig empfindet, bleibt letztlich jedem selbst überlassen. Dass bei all dem Hype um das ganze Drumherum von "Biophilia", der eigentliche Kern hinter dem aufwändigen Multimedia-Spektakel, nämlich die Musik, völlig in den Hintergrund rückt, lässt sich jedoch kaum abstreiten. Und es ist auch wahrlich kein Wunder, schließlich verliert man bei all dem Spaß, den man bei der Navigation durch die faszinierenden App-Galaxien mit all ihren netten 3D-Spielchen hat, schon mal leicht das Interesse an den zehn "Biophilia"-Songs selbst. Außerdem gehören die Stücke auch weiß Gott nicht zur Kategorie "Easy Listening", so dass es sicherlich ein deutlich weniger mühsames Unterfangen ist, sie spielerisch auf dem iPhone zu erkunden, als die sperrige Platte in den CD-Player zu schieben und sich ihr auf klassische Weise zu nähern.
Aus rein musikalischer Perspektive lässt sich "Biophilia" ebenfalls nicht so leicht einordnen. Während der geneigte Fan stilistische Parallelen zu Björks vermeintlich bestem Album "Vespertine" herauszuhören vermag, finden Björk-Neulinge und -Skeptiker zu dem bedeutungsschwangeren Minimalismus der zehn Songs wohl nur schwer Zugang. Wenn man nach mehreren Hördurchgängen realisiert, dass der Opener "Moon", der durch seine Harfenklänge und Gesangspassagen sehr newsomesk anmutet, eindeutig zu den weniger anstrengenden Stücken des Albums gehört, weiß man auch warum. Denn Songs wie die recht eingängige und beatlastige Vorabsingle "Crystalline" und das hübsche, durch subtile Bläser verzierte "Cosmogony" bleiben die absolute Ausnahme in einem komplexen Klanguniversum, in dem es nur so klirrt und flirrt, klingelt und bimmelt. So weiß man beim zunächst charmanten, jedoch zunehmend an den Hörnerven zehrenden "Virus" auch nicht so recht, ob man dieses ungewöhnliche Klangexperiment nun für brillant oder prätentiös, künstlerisch wertvoll oder überambitioniert halten soll. Letztendlich weiß man eigentlich bloß eines: Björks beharrlicher Ehrgeiz ist zweifellos bewundernswert.
Fazit
Als Gesamtkunstwerk ist "Biophilia" eine in ihrer Fortschrittlichkeit höchst beeindruckende Schöpfung der isländischen Ausnahmekünstlerin. Denn Björk sprengt darauf nicht nur jegliche Klang- und Genre-Konventionen, sondern erfindet auch das Konzept "Konzeptalbum" völlig neu. Rein musikalisch jedoch, entzieht sich das Album einem objektiven Urteil, strapaziert es mit seinen experimentellen Ansätzen schlicht zu sehr Geduld und Nerven, als dass man sich über die allgemeine Qualität eine fundierte Meinung bilden könnte.
Anspieltipps
Crystalline
Cosmogony
Virus
Artistpage
Tracks
| 1. | Moon | |||
| 2. | Thunderbolt | |||
| 3. | Crystalline | |||
| 4. | Cosmogony | |||
| 5. | Dark Matter | |||
| 6. | Hollow | |||
| 7. | Virus | |||
| 8. | Sacrifice | |||
| 9. | Mutual Core | |||
| 10. | Solstice |
Paulina Banaszek - myFanbase
09.11.2011
Diskussion zu dieser CD
Weitere Informationen
Veröffentlichungsdatum (DE): 07.10.2011Genre: Experimental, Avantgarde
Jetzt bestellen
Album jetzt bei Amazon.de
bestellen
Aktuelle Kommentare
28.11.2025 00:19 von Sonia
F.B.I.: F.B.I.
Es wird immer abstruser... Jetzt sehe ich, dass die FBI... mehr
25.11.2025 19:51 von chili.vanilli
Malice: Malice
Hab die Serie jetzt beeendet und schon lange keinen so... mehr
