Bewertung
Domee Shi

Rot

Foto: Rot - Copyright: 2021 Disney/Pixar
Rot
© 2021 Disney/Pixar

Inhalt

Meilin ist mitten im Teeangeralter und würde ihre Leidenschaften gerne mehr ausleben dürfen, doch ihre Mutter Ming verhält sie ihr gegenüber so beschützend, dass es dem Mädchen oft zu viel wird. Als sie dann eines Tages angesichts ihrer Emotionen zu einem roten Panda wird, erfährt sie von ihren Eltern, dass es seit Generationen einen Fluch gibt, der die Frauen der Familie betrifft. Während Meilin sich zunächst wünscht, dass die Nacht des roten Mondes, um den Panda als Fluch zu bannen, nicht schnell genug kommen kann, entdeckt sie aber auch einige Vorteile ihres inneren Biests und so muss sie sich der Frage stellen, wer sie in Zukunft sein will und was das für ihr Verhältnis zu ihrer Mutter bedeutet.

Kritik

Könnt ihr euch noch an den Kurzfilm "Bao" erinnern, der in den Kinos vor "Die Unglaublichen 2" gespielt worden ist? Ich kann mich tatsächlich noch sehr gut erinnern, obwohl ich kein großer Fan von Kurzfilmen bin, vor allem, wenn er die Wartezeit auf den eigentlichen Hauptfilm weiter hinauszögert. "Bao" war aber völlig ohne Worte auskommend ein wirklich emotionaler Beitrag. Nun ist die damalige Regisseurin, Domee Shi, diejenige, die sich hinter "Rot" verbirgt, indem sie die Idee für das Drehbuch gegeben und die Regie geführt hat. Abgesehen von dem Rückgriff auf chinesische Traditionen und Werte kann man die beiden Produktionen aber wahrlich nicht vergleichen, denn mit "Rot" nimmt sich Shi der Pubertät an und dadurch ist alles laut, quirlig und quietschend. Shi ist mit chinesischen Wurzeln selbst als Teenagerin in Toronto aufgewachsen und hat diese Erfahrungen Anfang der 2000er mitten in der Pubertät zu stecken als Idee genommen. Dazu geht es eben um ein recht passendes Bild, das nahtlos an "Alles steht Kopf" anschließt, wo die Emotion Wut bekanntlich rot ist. Nun geht es nicht nur darum, dass sich Protagonistin Meilin bei Wutanfällen in einen roten Panda verwandelt, sondern grundsätzlich bei allen ausufernden emotionalen Ausbrüchen und dennoch ist Wut in der Pubertät, wie wir wohl alle bestens wissen, sicherlich eine sehr häufige Emotion, weswegen das Setting und die Farbwahl intuitiv sehr gut passen.

Ich mochte es auch, dass das Geschehen 2002 spielt, denn da ging es mit der Pubertät auch bei mir so langsam los und ich konnte mich bei der Liebe für Boybands, Tamagotschi, Jugendzeitschriften und Co. sehr gut wiedererkennen. Aber das Schöne ist ja, selbst wenn sich die Generationen wandeln, so bleiben die Grundprämisse für jede Generation in der Pubertät doch sehr ähnlich, so dass der Film auch generationsübergreifend sehr vertraut ankommen dürfte. Die Pubertät ist aber eben auch die Zeit, wo man schon mal ganz schön anstrengend ist, denn ähnlich der Schwangerschaftshormone liegen auch bei Heranwachsenden höchst unterschiedliche Emotionen direkt nebeneinander. Dementsprechend ist Meilin als Protagonistin nicht einfach. Während sie angesichts der strengen Erziehung durch ihre Eltern nach außen hin oft das Bild eines braven Mädchens aufrechterhält, ist sie innen drinnen und im Schutz ihres Zirkels mit ihren Freundinnen regelrecht übersprudelnd, ohne klare Grenzen und wirklich sehr vorlaut. Auch in Kreis von Miriam, Abby und Priya wirkt sie sehr herausstechend. Alle vier lieben die Boyband 4*Town, doch Meilin bringt das ganze nochmal auf ein anderes Level. Das passt aber natürlich auch zu der späteren Grundprämisse, denn nur wer so extrem fühlt, der hat später auch Probleme, sich bei der Verwandlung in den Panda zurückzuhalten.

Dennoch muss man mit Meilin auch wirklich Empathie zeigen. Da Shi eben von ihren eigenen kulturellen Wurzeln schreibt, ist es authentisch, wie sie die entsprechende Erziehung darstellt, wenn es auch nicht mehr im eigentlichen Heimatland stattfindet, sondern als Migranten in Kanada. Doch das hat man schon öfters zu lesen bekommen, dass die asiatische Erziehung dort oftmals sogar noch strenger ist, denn als Außenseiter in einem fremden Land hat man noch viel mehr um Anerkennung zu kämpfen. So ist auch Meilin von ihrer Mutter Ming erzogen worden. Das führt in diesem Film zu einigen absurden Situationen, die man wirklich niemandem in diesem Alter wünscht. Klar, der Film zeigt auch das typische Verliebtsein in diesem Alter, doch es war schon sehr übertrieben, wie schnell sich Meilin dann mal eben verguckt hat, nur um sich nach dem peinlichen Auftritt ihrer Mutter sofort entliebt zu haben. Hier übertreibt es der Film in meinen Augen einfach zu sehr. Zumal es auch eine Belastung der Beziehung von Mutter und Tochter ist. Die beiden haben nämlich durchaus ein sehr enges Vertrauensverhältnis. Meilin darf sich nicht immer so ausleben, wie sie das gerne würde, aber ihre Verbundenheit ihrer Kultur gegenüber sowie dass sie von ihrer Mutter liebevoll aufgefangen wird, als vermeintlich die erste Periode eintritt, das zeigt, dass es Differenzen und Gemeinsamkeiten gleichermaßen gibt. So manche extreme Situationen wirken dann effekthaschend, aber sie führen eigentlich in eine falsche Richtung.

Der Film ist für mich am stärksten, als Meilin ihre Fähigkeit erstmals entdeckt und dann eine Reise macht. Vom puren Entsetzen hin zur Annahme eines weiteren Ichs. Das ist schließlich am Ende auch die Botschaft des Films, dass wir alle einen inneren Panda bzw. Biest, wie es auch heißt, haben. Das sehe ich wohl auch so und ich finde auch, dass die Pubertät als Stufe im Leben des Menschen da eine gute Allegorie dazu darstellt, denn dort entscheidet sich meist, ob man das Biest ganz verbannt, ob man es vollends übernehmen lässt oder ob sich im Gegenteil ein Gleichgewicht ergibt, wo man sich selbst wirklich kennen lernt und damit seine Identität kräftigt. An Meilin wird das in vielfältiger Weise dargestellt. Sie kann Vater und Mutter ehren, sie kann ihr kulturelles Erbe ehren und dennoch kann sie gleichzeitig auch von westlichen Einflüssen begeistert sein und so neben viel Ernst im Leben auch ihren Spaß entwickeln. Vor allem ist es eben auch schön, dass sie eine Freundesgruppe hat, die genau weiß, wo Meilin sich etwas vor macht, aber sie eben trotzdem so nehmen, wie sie ist, was sie ihnen zurückgibt, indem sie eben die sind, die den inneren Panda gezähmt bekommen.

Der Film ist auch an dem Punkt gut, wo es eben rein um Meilin oder eben um sie und ihre Mutter geht, aber dann fangen die Probleme auch schon an. Alle anderen Figuren sind wirklich erschreckend eindimensional. Gerade noch die Freundesgruppe gelobt, so ist es eben eine Gruppe, die völlig mit Figuren austauschbar wäre. Ich habe nichts über Miriam und Co. als Individuen gelernt. Auch Vater Jin ist fast bis zum Ende eigentlich eine Figur zum Streichen. Ganz am Ende bekommt er noch einen sehr wichtigen Moment, wahrscheinlich sogar den wichtigsten des ganzen Films, aber das macht kaum wett, dass ich mich vorher so aufgeregt habe, dass Jin wie eine Figur wirkt, die keine eigene Meinung haben darf. Zuletzt ist es dann auch noch der ganze Fluch und die Tatsache, dass es alle Frauen der Familie betrifft, der mir nicht gut genug ausgearbeitet wurde. Ja, wir haben das individuelle Beispiel von Meilin, aber sie hat auch sehr, sehr viele Tanten sowie ihre Großmutter, die noch leben und die ihre ganze eigene Geschichte mit ihrem Panda durchgemacht haben. In dem Kontext wird auch deutlich, dass es gar nicht nur rein um Ming und Meilin geht und wie sie an einen Punkt ihres Konflikts gekommen sind. Dasselbe hat Ming auch schon mit ihrer eigenen Mutter durchgemacht. Es ist also eine Generationengeschichte, die viel lehrt, was den Frauen der Familie aber gar nicht so bewusst zu sein scheint. Dass es zwischen Ming und ihrer Mutter sehr Konflikt beladen zugegangen sein muss, das ist nicht zu übersehen, aber es wird eigentlich nur verbal mal angedeutet. Warum ist da nicht in die Tiefe gegangen worden? Warum müssen so dann auch die weiteren Frauen der Familie so austauschbar sein? Der Showdown führt dann alle nochmal zusammen und alle tragen am Ende ihren Teil bei. Aber das hätte mich emotional viel mehr gepackt, wenn es nicht zuvor nur um zwei Figuren alleine gegangen wäre.

Fazit

"Rot" ist auf jeden Fall ein gutes Statement zum Thema Pubertät und auch in vielen Aspekten authentisch umgesetzt. Die Idee mit dem Panda als Bild sehe ich auch gelungen, auch weil es für viel Humor gesorgt hat. Im Gegensatz zu anderen Pixar-Produktionen kommt hier als Minuspunkt aber leider drauf, dass die Ausarbeitung nur von Ming und Meilin gelungen ist. Das ist angesichts der Bewandtnis der anderen Figuren einfach zu wenig.

Lena Donth - myFanbase
30.10.2023

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