Bewertung
Vanessa Caswill

Die statistische Wahrscheinlichkeit von Liebe auf den ersten Blick

Foto: Love At First Sight - Copyright: 2023 Netflix, Inc.
Love At First Sight
© 2023 Netflix, Inc.

Inhalt

Hadley Sullivan (Haley Lu Richardson) wird eigentlich zur Hochzeit ihres Vaters Andrew (Rob Delaney) in London erwartet, aber sie verpasst ihren Flug um vier Minuten. Während der Wartezeit auf den nächsten Flug lernt sie den Briten Oliver (Ben Hardy) kennen, der zuhause erwartet wird. Sie verstehen sich auf Anhieb und als sie sogar noch im selben Flugzeug auf benachbarten Sitzen landen, da knistert es endgültig. Doch am Flughafen in London verlieren sie sich aus den Augen. Wird das Schicksal sie noch einmal zusammenführen?

Kritik

Jennifer L. Smith ist Abonnenten von Netflix vielleicht schon durch eine Adaption bekannt, denn im letzten Jahr wurde "Der erste Blick, der letzte Kuss und alles dazwischen" mit Jordan Fisher in der Hauptrolle veröffentlicht. Nun also der zweite Roman, der für einen Film adaptiert wurde und im Deutschen den sperrigen Titel "Die statistische Wahrscheinlichkeit von Liebe auf den ersten Blick" trägt, während im Englischen es beim knappen "Love at First Sight" geblieben ist, was genauso wunderbar passt. Diesmal ist mit Haley Lu Richardson auch eine Schauspielerin an Bord, die sich schon durch eine Jugendbuchverfilmung mit "Drei Meter zu dir" einen Namen gemacht hat. Ich muss zugegeben, dass ich mir den Film wohl so oder so nicht hätte entgehen lassen, aber es war natürlich ohne Frage ein Argument, dass sie in der Hauptrolle zu sehen ist, weil sie etwas an sich hat, was wirklich gut auf das Genre passt und sie hat auch schon bewiesen, dass sie die Bandbreite an Emotionen darstellen kann, so dass nichts mit ihr lächerlich oder gekünstelt erscheint.

Solche Filme werden gerne zur Sommerzeit veröffentlicht, da in der leichtesten Jahreszeit des Jahres speziell RomComs sehr beliebt sind. Der Film hat nun eine Veröffentlichung zum Ausklang des Sommers bekommen und vielleicht, weil ich mich stellenweise an einen Weihnachtsfilm erinnert fühlte. Ja, auch der Winter hat mich mit Liebesfilmen stets am Wickel, wobei die Filme dort auch schon mal gerne eine andere Stilistik haben, gerne auch mit übernatürlichen Elementen. Beliebt ist beispielsweise der Weihnachtsmann, der persönlich auf Erden auftaucht und beim finalen Liebesglück noch einmal nachhilft. Genau daran habe ich mich durch die Rolle von Jameela Jamil erinnert gefühlt, die als Erzählerin auftritt. Ich weiß nicht, ob es an der Schauspielerin lag, die ich bislang nur aus exzentrischen Rollen kenne, aber ich fand ihre Art und Weise, in diesem Film eingebunden zu werden, sehr anstrengend. Sie tauchte stets auf und schlüpfte in verschiedene Rollen, um Hadley und Oliver etwas nachzuhelfen oder um einfach das Geschehen zu kommentieren. Da ich die Vorlage nicht kenne, bleibt es für mich jetzt offen, ob Smith eine solche Rolle auch vorgesehen hat, oder ob sie für den Film ganz neu angelegt wurde. Für mich jedenfalls war es der Aspekt, der mich am Film gestört hat. Ich fand es unnatürlich und ich habe auch keinen Mehrwert erkannt. Mit der Rolle ist natürlich besonders das Thema Schicksal oder Zufall verbunden. Der Film hat eigentlich für das erste Team plädiert, weswegen die Erzählerin das eigentlich etwas torpediert hat. Oder sie sollte Gott verkörpern, aber das fände ich noch unangemessener.

Abseits des Erzählerin habe ich aber einen schönen Liebesfilm bekommen. Richardson hat wie üblich toll die weibliche Hauptrolle gespielt und auch Hardy als Oliver, den ich noch nicht kannte, ist eindeutig eine Entdeckung. Die Chemie der beiden war wirklich richtig gut und sie hat gerade bei den ersten Szenen am Flughafen und dann im Flugzeug selbst dafür gesorgt, dass man regelrecht am Bildschirm klebte und wissen wollte, wie sich das jetzt weiterentwickelt. Ich fand es dabei auch gelungen, dass die beiden so unterschiedlich und doch so ähnlich sind. Beide denken bedächtig und intensiv über das Leben nach, weil sie recht sensible Persönlichkeiten sind. Hadley geht aber voll nach ihren Gefühlen, während Oliver als Wissenschaftler alles in eine Statistik einordnen muss, um eben seine Gefühle dadurch möglichst rational zu sortieren. Dementsprechend ist der deutsche Titel sogar gar keine völlig verrittene Idee, denn Liebe auf den ersten Blick ist eigentlich ein Konstrukt, das etwas ausdrückt, was man nicht mit einer Statistik auffangen können sollte. Die Gegensätze zwischen den beiden stören die beiden anfangs aber nicht, da ist es eher ein Reiz. Hadley spricht alles aus und umgekehrt lauscht sie interessiert den Einordnungen, die Oliver immer wieder anzubieten hat. Erst später, als es auch ernster wird und als wirklich das Leben zwischen ihnen steht, brechen diese Gegensätze zunehmend als Problem auf.

In London angekommen sind zunächst die Familien aber an der Reihe. Hadleys Vater Andrew fand ich zunächst in seinen Szenen etwas suspekt, wie ich gestehen muss. Er wirkte etwas linkisch und relativ unbedacht darauf, was in seiner Tochter vorgeht. Das erweist sich als Missverständnis, denn im Grunde ist es das komplette Gegenteil zu Oliver und Hadley. Sie und ihr Vater sind sich eigentlich sehr ähnlich, doch da sie bei ihrer Mutter lebt, ist eine Distanz entstanden, die ihre gemeinsame Art eher als Hindernis errichtet hat. Dass die beiden das schließlich aufklären konnten, war definitiv eins der Highlights. Bei Oliver wiederum war viel mehr Geheimnisse um alles gemacht worden, das natürlich bewusst, weil es in falsche Annahmen gelockt hat, warum er in die Heimat zurückkehren muss. Das war aber nicht schlimm, denn eine emotional herausfordernde Situation war es dennoch, weswegen die Flippigkeit seiner Eltern (Dexter Fletcher & Sally Phillips) sowie seines Bruders Luther (Tom Taylor) wirklich als guter Kontrast wirkte. Der Film ist eben einer der Gegensätze und Gemeinsamkeiten, was unterstreicht, dass beides dazu gehört und beides auf seine Art von Wert ist. Es war auf jeden Fall wichtig, dass die beiden quasi erst in der Familie aufgeräumt haben und sich einiges bewusst wurden, um dann wirklich der Frage nachgehen zu können, ob der gemeinsame Flug schon das Ende oder erst der Anfang ihrer Geschichte ist.

Fazit

"Die statistische Wahrscheinlichkeit von Liebe auf den ersten Blick" ist eine sehr charmante Ansicht auf das Thema Liebe auf den ersten Blick sowie Schicksal oder doch eher Zufall, die das Leben leiten. Ich habe meine eigene Überzeugung letztlich wiederentdeckt und konnte eben auch besonders mit Hadley und Oliver als Paar mitfiebern. Einzig Jamil als Erzählerin war für mich ein Flop. Dennoch insgesamt ein empfehlenswerter Film.

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Lena Donth - myFanbase
17.09.2023

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