Bewertung
Florian Gottschick

Du Sie Er & Wir

Foto: Du Sie Er & Wir - Copyright: 2021 Netflix, Inc.
Du Sie Er & Wir
© 2021 Netflix, Inc.

Inhalt

Die vier Freunde Ben (Louis Nitsche), Nils (Jonas Nay), Maria (Paula Kalenberg) und Janina (Nilam Farooq) haben als Experiment einen Partnertausch gewagt und vier Wochen später treffen sie an einer Strandhütte aufeinander, um sich über die Auswirkungen der vergangenen Zeit auszutauschen, doch schnell eskaliert die Situation, da nichts mehr so ist, wie es einmal war.

Kritik

Die Idee hinter "Du Sie Er & Wir" bestätigt einen Trend im deutschen Filmgeschäft, der besonders erfolgreich durch Filme wie "Der Vorname" oder "Das perfekte Geheimnis" in Gang gesetzt wurde. Ein übersichtlicher Cast, eine Art Kammerspiel, jede Menge Geheimnisse, jede Menge an Konfliktpotenzial und dabei ganz ordentlich etwas zu lachen. Das umschreibt auch perfekt die Grundprämisse dieser neuen deutschen Dramedy, die nun bei Netflix veröffentlicht worden ist. Warum es aber nicht ganz das Niveau der genannten Vorgänger erreicht, erfahrt ihr jetzt.

Der Film fängt vielversprechend an, denn als Zuschauer*in wird man regelrecht in das Geschehen hineingeworfen, ohne überhaupt eine Orientierung zu haben. Wo mich so etwas sonst häufiger schon mal stört, passt es bei "Du Sie Er & Wir" ganz hervorragend und macht auch definitiv den Reiz aus. Denn auch wenn der Partnertausch vorab als zentrales Inhaltselement kommuniziert wurde, so ist dabei nicht wirklich ins Detail gegangen worden, weswegen mit dieser Ausgangslage nun wahrlich alles möglich war. Auf der einen Seite erleben wir Nils und Janina, die man eigentlich weit voneinander entfernt halten sollte, weil es eigentlich ständig zwischen ihnen knallt und wir haben Ben und Maria, die verschmuster nicht sein können. Kontrastprogramm pur, würde ich sagen! Nach und nach wird dann deutlich, dass aber eigentlich Nils und Maria zusammen waren sowie Ben und Janina. Da hat der Partnertausch ganz offensichtlich völlig unterschiedliche Auswirkungen gehabt und dementsprechend ist das Chaos für die Zeit zu viert perfekt.

Solche kammerspielartigen Filme leben vor allem durch viel Dialoge und aussagekräftige ruhige Momente, die genauso viel sagen. Diese Aufgabe erfüllt "Du Sie Er & Wir" eigentlich sehr gut, weil es in den Dialogen ständig eskaliert und so ein unberechenbarer Faktor hinzukommt. Dazu gibt es viele Momente ohne Worte, die aber dennoch ihre eigene Geschichte über die unterschiedlichen Beziehungsverhältnisse innerhalb der Vierergruppe erzählen. Dennoch merkt man dem Film an einigen Stellen an, dass ein wenig der Überblick darüber verloren wurde, wann das Maß vielleicht besser erreicht ist. Gerade Nils ist für mich ein Charakter, der mir mit seiner Art wahnsinnig schnell gegen den Strich ging. Mir ist bewusst, dass es so einen Typen wie ihn aber brauchte, weil er die unbequemen Wahrheiten angegangen ist und damit den Film von der Handlung her am Leben gehalten hat, aber gleichzeitig ist er eben vor dem Chaos der Partner von Maria gewesen, die wirklich wie eine Liebe wirkt und wo man sich dann fragt: was will sie eigentlich mit ihm? Vielleicht lernen wie Nils auch einfach zum falschen Zeitpunkt kennen, denn er ist ja der Erste, der erkennt, was zwischen Ben und Maria passiert ist und ist ab dort der Sturkopf, der alles niedertrampelt, was nur minimal nach Glück aussieht.

Zudem nimmt der Fall noch die ein oder andere Wendung zu viel mit. Am Anfang ist das definitiv der positivste Aspekt, weil es eben dieses Gefühl von Unberechenbarkeit erzeugt. Doch damit zu arbeiten, ist immer eine Herausforderung an sich, denn am Ende muss man die Wendungen auch immer noch ernstnehmen können. Dennoch habe ich mich über die Gesamtdauer des Films hinweg gut unterhalten gefühlt, zumal es sich auch nicht nach typisch deutscher Komödie anfühlte. Das liegt sicherlich daran, dass Beziehungsthemen universaler Natur sind und die Frage nach der Monogamie des Menschen, ob das überhaupt möglich ist, alle betreffen. Auch der Hang zur Experimentierfreudigkeit ist der Allgemeinheit nicht abzusprechen, deswegen war es angenehm, dass hier nicht eine Thematik in typisch deutsche Klischees verpackt wurde. Fast noch besser als das Experiment mit dem Partnertausch fand ich aber das innige Anschauen für vier Minuten lang. Es war eigentlich mit die intensivste Szene des Films (die zwar eklig aufgelöst wird), die aber gut unterstrichen hat, warum es dem Film nicht immer nur um die Lacher ging. Doch insgesamt hat auch hier die Waagschale nicht immer ideal geklappt. Mal war der Film genau auf dem richtigen Weg sowohl humorvoll als auch nachdenklich gemeint, dann wiederum war es dieser Hauch, der einfach daneben war, wie beispielsweise das Ende, dass dann irgendwie viel zu klischeehaft wurde. Spätestens bei dem Augenzwinkern durch Janina dachte ich mir dann auch, meinen wir wirklich denselben Film? Stilistisch wirkte es dadurch in Kleinigkeiten wie ein Puzzle, aber sowohl Regisseur Florian Gottschick als auch Drehbuchautor Florian von Bornstädt sind noch eher unerfahren, aber ich denke doch auf einem guten Weg.

Fazit

"Du Sie Er & Wir" ist unter dem Strich eine gute Unterhaltung im Stil von "Der Vorname" oder "Das perfekte Geheimnis". Das Kammerspielartige wird sowohl von den Dialogen als auch der ausdrucksstarken Szenerie gut unterstrichen. Die behandelten Themen haben eine universale Sprache, so dass nicht alles nach typisch deutscher Komödie schrie. Stilistisch ist es manchmal eher einem Puzzle ähnlich, so dass nicht alles immer zusammenpassend wirkt und es gibt auch genug sehr anstrengende Sequenzen, aber dennoch würde ich den Film durchaus weiterempfehlen.

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Lena Donth - myFanbase
21.10.2021

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