Bewertung
Helena Bergström

Dancing Queens

Foto: Molly Nutley, Dancing Queens - Copyright: 2021 Netflix, Inc.; Jan Tove
Molly Nutley, Dancing Queens
© 2021 Netflix, Inc.; Jan Tove

Inhalt

Dylan Petterson (Molly Nutley) stammt von einer kleinen schwedischen Insel und strebt dort nach ihrem Tanztraum, der mit dem Tod ihrer Mutter brutal ausgebremst wird. Die junge Frau möchte ihren trauernden Vater Kenneth (Mattias Nordkvist) nicht mit dem kleinen Supermarkt alleine lassen, aber ihre Großmutter (Marie Göranzon) schickt sie zu einem Vortanzen aufs Festland. Dort zeigt sich, dass sich die ältere Dame im Datum vertan hat, aber Dylan kommt zufällig an einen Club von Drag Queens, der finanziell vor dem Ruin steht. Choreograph Victor (Fredrik Quinones) wird auf sie aufmerksam, weswegen sich Dylan fortan als Drag Queen ausgibt, um dem Club zu helfen, doch das birgt viel Konfliktpotenzial.

Kritik

Schweden bringt man oft mit Krimi/Thriller beziehungsweise Melodrama in Verbindung, doch die Mischung aus Tanzen sowie Drag Queens war mir bis dato eher unbekannt. Dementsprechend bin ich positiv gestimmt an "Dancing Queens" herangetreten, denn gerade mit Tanzfilmen hat man mich eigentlich grundsätzlich am Haken. Relativ schnell hat sich aber gezeigt, dass der schwedische Film zwar viele gute Ansätze hat, diese aber leider oft auf halber Strecke verkommen lässt. Man merkt als Zuschauer*in schnell, dass der Film eine melancholische Stimmung in der DNA hat, denn das Geschehen auf der kleinen Insel, auf der Hauptfigur Dylan lebt, ist im Grund in Trauer eingefroren, da ihre Mutter vor etwas anderthalb Jahren gestorben ist. Dieses erdrückende Gefühl durchzieht die ersten Minuten und man hofft unweigerlich, dass der Film an dieser Stelle tiefer eintauchen wird. Doch das löst sich immer mehr auf. Bei Dylan merkt man zwar die ganze Zeit über, dass ihr Handeln im Andenken an ihre Mutter getrieben ist, aber die zurückgelassenen Großmutter und Vater verliert die Handlung dabei völlig aus den Augen. Dabei merkt man gerade bei Kenneth, dass ihn das Erlebte am meisten getroffen hat und er wie unter einer Glocke lebt, die jedes glückliche Gefühl gar nicht mehr zulässt. Doch seine eigene Geschichte ist im weiteren Verlauf völlig unwichtig, was durchaus grob fahrlässig ist, denn es wird dargestellt, dass er selbst die Musik liebt, so dass der Schritt hin zu Dylans Tanzen nicht mehr weit gewesen wäre.

Auch die anderen Nebenfiguren müssen sich mit einem ganz ähnlichen Schicksal zufriedengeben. Sei es der lebensfrohe Sebbe (Max Ulveson), der mit Dylan eng befreundet ist und ihr immer wieder unter die Arme greift und der urplötzlich in einem Drag Club auftaucht und sich dort outet und direkt die Liebe seines Lebens trifft. Oder sei es Vera (Rakel Wärmländer), bei der Dylan auf dem Festland unterkommt. Nach und nach kommt zum Vorschein, dass diese als Pflegekind teilweise mit Dylans Mutter aufgewachsen ist, doch warum die beiden später keinen Kontakt mehr hatte, wird offengelassen. Und ob die Großmutter Margareta den Termin für das Vortanzen möglicherweise in Folge einer beginnenden Demenz vergessen hat, auch hier gibt es keine näheren Bemühungen, Aufklärung beizusteuern. Diese ganzen fehlenden Informationen sind durchaus schade, weil man eigentlich mit jeder Faser merkt, dass "Dancing Queens" perfekt zum Abschalten vom Alltag sein sollte, doch die Schludrigkeit in den Details ist schlichtweg ärgerlich.

Betrachte ich jetzt ganz alleine Dylans Geschichte, dann ist diese definitiv der Mittelpunkt des Films und hier wird sich sehr viel Mühe gegeben. Sie kann dankbar für ihre Großmutter sein, die sie liebevoll dazu drängt, ihrem Traum nachzugehen, denn sobald Dylan tanzt, ist sie ein anderer Mensch. Sei es wenn sie mit den Drag Queens tanzt oder später Modern Dance, zwei völlig verschiedene Stile, aber sie blüht immer auf, als wäre es ihr Leben. Da Dylan auch nie eine klassische Tanzausbildung genossen hat, sondern nur von ihrer Mutter gefördert wurde, zeigt sich auch, dass sie weniger eine technische Tänzerin ist, sondern eine leidenschaftliche. Aber auch abseits vom Tanzen ist die Charakterzeichnung bei Dylan intensiv gelungen. Denn sie ist eine bescheidende junge Frau mit ausgeprägtem Verantwortungsgefühl, die auch beim Verfolgen ihrer Träume nie das Wesentliche aus den Augen verliert. Auch wenn sie von den meisten getroffenen Entscheidungen in dem Film profitiert, so ist völlig offensichtlich, dass aber nicht ihr eigenes Wohl für Dylan der Antrieb war, sondern stets das anderer. Sie auf dieser Reise zu begleiten, war sicherlich der stärkte Teil des Films.

Vorab hatte ich mir aufgrund der Synopsis des Films vorgestellt, dass die Drag Queens und wofür sie als ausgegrenzte Gemeinschaft stehen, mit der wichtigste Aspekt in diesem Film werden dürfte, aber das ist nur halb gelungen. In dem Club hat definitiv Tommy La Diva (Claes Malmberg) das Sagen und bei ihm merkt man eine gewisse Schwermut, weil er seinen Partner verloren hat. Damit hat er ein ähnliches Schicksal wie Dylan, doch mit dem Umstand wird nicht gearbeitet. Bei der Ausarbeitung der Drag Queens ist also wieder die Oberflächlichkeit zu beobachten, die ich bereits bei den anderen Nebenfiguren bemängelt habe. Es ist zwar sehr erleichternd, dass die Drag Queens zu keinem Zeitpunkt klischeehaft vorgeführt werden, aber dennoch hätte ich mir gewünscht, dass Dylans Perspektive, die dort als getarnter Mann ihre Erfahrung macht, mehr ausgeleuchtet wird. So wird am Ende nur das Problem, dass sie nicht ehrlich war, thematisiert aber ich hätte mir mehr nachvollziehbares Konfliktpotenzial gewünscht, damit man als Zuschauer*in begreift, warum ihre Lüge eigentlich so ein No-Go war. Trotz all dieser Kritik habe ich die eigentlichen Tanzszenen und gerade die in dem Club sehr genießen können, weil sie das ausstrahlten, was Tanzsequenzen auch rüberbringen müssen. Zudem war es auch wohltuend, dass Victor nicht zum Love Interest von Dylan wurde, denn so hat der Film noch die selbstständige Reife ausgestrahlt, die ich mir an einigen Stellen noch öfters gewünscht hätte.

Fazit

"Dancing Queens" ist ohne Frage eine kurzweilige Unterhaltung, die die Freude am Tanzen sehr gut transportiert bekommt. Dennoch kann man sich beim Schauen nicht des Gedankens erwehren, wo noch so viel mehr Potenzial verborgen war, weil der Film zu oft oberflächlich geblieben ist. Auch die Szene der Drag Queens hätte noch mehr in den Fokus genommen werden können. Insgesamt schafft es das Gesehene so leider nicht über eine durchschnittliche Bewertung hinaus.

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Lena Donth - myFanbase
09.06.2021

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