Bewertung
Uberto Pasolini

Mr. May und das Flüstern der Ewigkeit

"I have some sad news."

Foto: Copyright: Piffl Medien GmbH 2014
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Inhalt

Der Beamte Mr. May (Eddie Marsan) arbeitet bereits seit über 20 Jahren in einem Bestattungsunternehmen und kümmert sich dort um einsam Verstorbene, die zumeist erst Tage oder Wochen später aufgefunden werden. Er erledigt diesen Beruf mit einem akkurat-leidenschaftlichen Eifer, versucht Familie und Freunde der Verstorbenen aufzufinden und organisiert Beerdigungen, bei denen er fast immer der einzige Anwesende ist. Als Rationalisierungsmaßnahmen in dem Unternehmen anstehen, wird Mr. May eröffnet, dass er zwar gründlich, aber auch zu langsam arbeite und deshalb das Unternehmen verlassen müsse. Die Erledigung eines einzigen Auftrags wird dem Beamten noch zugestanden und dabei handelt es sich ausgerechnet um seinen Nachbarn. Durch die Arbeit an diesem Fall fängt Mr. May nach und nach die Monotonie und Routine seines ganzen Lebens in Frage zu stellen.

Kritik

Mit der britischen Tragikomödie "Mr. May und das Flüstern der Ewigkeit", oder im Original "Still Life", tritt der chronische Nebendarsteller Eddie Marsan erstmals vollständig in den Mittelpunkt einer filmischen Produktion. Der Brite Marsan kann bereits auf eine lange und erfolgreiche Karriere zurückblicken: Er spielte schon in großen amerikanischen wie britischen Produktionen mit und arbeitete mit Regiegrößen wie Mike Leigh, Alejandro González Iñárritu, Steven Spielberg und Edgar Wright zusammen. Dabei agierte er aber immer eher im Hintergrund und überzeugte als profilierter Charakterdarsteller. Mit der Rolle des in der Monotonie seines Lebens gefangenen Beamten Mr. May ist der Fokus nun vollständig auf ihn gerichtet und Marsan nimmt die Aufgabe an und wird zur großen Stärke in einem Film, der trotz kleinerer erzählerischer Schwächen durchaus einen Blick wert ist.

Der Film beginnt stimmungsvoll und unvermittelt, indem die alltäglichen Strukturen der Hauptfigur Mr. May dargestellt werden. Es wird die Szenerie eines Lebens vermittelt, in dem die Monotonie des Alltäglichen alles zu bestimmen scheint. Jeder Tag ist von dem vorherigen kaum zu unterschieden. Mr. May hat sein privates und vor allem berufliches Leben vollständig durchstrukturiert, vom Gang zur Arbeit mit dem zweimaligen Überprüfen, ob die Straße wirklich frei ist, zur Anordnung der Gegenstände auf seinem Schreibtisch, bis zum Abendessen, was immer aus einer Scheibe Toast und einer Dose Thunfisch zu bestehen scheint. Neben den alltäglichen Momenten eines ruhigen und monotonen Lebens, wird auch die berufliche Arbeit durch eine geschickt arrangierte Montage dem Zuschauer näher gebracht: So wird ganz zu Anfang gezeigt, wie Mr. May an verschiedenen Beerdigungen verschiedener Glaubensrichtungen teilnimmt und dabei immer der einzige Gast ist. Sowohl auf der privaten, wie auch beruflichen Seite dominiert das Gefühl sozialer Isolation und Einsamkeit, denn Mr. May arbeitet für ein Bestattungsunternehmen und kümmert sich um diejenigen Verstorbenen, welche allein in ihrer Wohnung aufgefunden wurden.

Dieses Zusammenspiel von tristem Alltagsleben des akkuraten, eifrigen, emphatischen, aber immer etwas entrückt wirkenden Beamten, der von Marsan mit einer beeindruckenden Zurückgenommenheit und Ausdrucksstärke gespielt wird, und dem Berufsleben, welches sich auch um Verlassenheit und Zurückgelassenheit kreist, fängt Regisseur Pasolini in spröden, aber berührenden Bildern ein. Der sehr gelungene erste Teil des Films hätte den Auftakt geben können für eine ernsthafte und die Grausamkeit des Lebens nicht aussparende Studie über Einsamkeit und allgegenwärtige Traurigkeit. Da man sich hier aber nicht in einem Film des dänischen Regisseurs Lars von Trier, sondern in einem die klassischen Genrekonventionen des europäischen Programmkinos bedienenden tragikomischen Drama befindet, gibt es hier einen Punkt, der die Hauptfigur an seinem Lebensstil zweifeln lässt. An diesem Punkt geht dem Film immer mehr die Luft aus und verliert sich zu sehr in Erbauungsfilmklischees und netten Aufheiterungsmomenten, die eine wirklich aufrichtige Auseinandersetzung mit der allgegenwärtigen Problematik sozialer Isolation aus dem Weg geht.

Es gibt in diesem Zusammenhang zwar immer wieder subtil berührende Momente und Hauptdarsteller Marsan gelingt es auch, die ein oder andere Schwäche auszugleichen, trotzdem hätte ein anderer Tonfall dem Film in vielen Momenten besser gestanden. Der Schlusspunkt ist in seiner Gnadenlosigkeit, aber auch Schönheit aber wieder äußerst gelungen, greift eher auf die Atmosphäre des stimmungsvollen Anfangs zurück und entschädigt dadurch zumindest teilweise für den vor sich hinplätschernden Mittelteil.

Fazit

Die britische Tragikomödie mit dem schwülstigen deutschen Titel "Mr. May und das Flüstern der Ewigkeit" beginnt als ernsthafte, stimmungsvoll inszenierte und berührend gespielte Studie über alltägliche Einsamkeitserfahrungen, um dann im Mittelteil den Mut zu verlieren, diese Szenerie in all ihrer Tragik weiter auszuspielen und zu vertiefen. Auch aufgrund des überraschenden und mutigen Schlussakts und der im Gedächtnis bleibenden Performance des ewigen Nebendarstellers Eddie Marsan schlussendlich aber trotzdem sehenswert.

Moritz Stock - myFanbase
04.09.2014

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