Bewertung
J. C. Chandor

All Is Lost

"I fought till the end. I'm not sure what this is worth, but know that I did. I have always hoped for more for you all. I will miss you. I'm sorry."

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Inhalt

Ein Mann (Robert Redford) wird inmitten des indischen Ozeans aus dem Schlaf gerissen. Sein Segelschiff wurde von einem Schiffscontainer gerammt, der im offenen Meer umher trieb. Durch das einfließende Wasser wird sein Equipment bis auf wenige Ausnahmen unbrauchbar und so muss er ohne sein Navigationsgerät und sein Funkgerät mit ansehen, wie sich ein mächtiger Sturm vor ihm auftut und er den Naturgewalten ausgesetzt wird.

Kritik

"All Is Lost" ist auf zahlreiche Arten und Weisen ungewöhnlich. Es ist ein Film mit lediglich einer Figur und auch nur einem Regisseur und Drehbuchautor in Personalunion, bei dem aber gleichzeitig elf ausführende Produzenten beteiligt waren. Seitdem das Medium Film besteht, ist dies ein Novum. Oder dass Robert Redfords Abenteuer praktisch ohne Sprechzeilen auskommt und das gesamte Skript gerade mal um die 30 Seiten fasst. Man könnte noch weitere interessante Fakten zum aktuellen Werk von J. C. Chandor aufzählen, der zuvor mit seinem filmischen Beitrag zur Finanzkrise, "Der große Crash – Margin Call", beim von Redford ins Leben gerufenen Sundance-Festival auf sich aufmerksam machte, aber vor allem arbeitet der gesamte Film darauf hin, eine One-Man-Show Redfords zu inszenieren – und dies gelingt.

Robert Redford ist zweifellos eine Institution innerhalb der Traumfabrik Hollywood und kann nicht umsonst neben einem "richtigen" Academy Award auch einen Ehrenoscar sein Eigen nennen. Und so ist es auch nicht unbedingt verwunderlich, dass der Schauspielveteran und Meisterregisseur es bravourös meistert, "All Is Lost" nun wirklich so ganz alleine zu tragen – und dies praktisch ohne je ein Wort dabei zu sprechen. Allein seine physische Präsenz und die Mimik, die alles aussagen muss, was sonst ein Dialog hier und da zu können vermag, sind die Möglichkeiten, den Zuschauer möglichst rasch zu vereinnahmen. Warum dies so wunderbar funktioniert, mag neben Redfords Ausnahmeleistung auch daran liegen, dass die Figur des Mannes, der in den Credits lediglich "Our Man/Unser Mann" genannt wird, so besonnen umgeht mit all den Katastrophen, die ihm im Verlauf der nächsten knapp zwei Stunden begegnen werden. Er akzeptiert das, was nun kommen mag, und man bekommt den Eindruck als würde er das nicht deshalb machen, weil er mutig sein möchte (für wen soll er dies auch sein), sondern weil er weiß, dass ein pragmatisches und besonnenes Vorgehen sein Überleben sichern kann.

Dies bedeutet aber mitnichten, dass der Mann nicht auch mal der Verzweiflung nahe ist oder immer weiß, was zu tun ist. Im Gegenteil: Wenn in Schlüsselmomenten des Films diese Zuversicht zusehends schwindet in Anbetracht der griechischen Tragödie, in der er sich zu befinden scheint, ist dies vor allem menschlich und bewegend. In diesen Szenen spielt Chandor all die Stärken aus, die dazu führen, dass "All Is Lost" noch lange im Gedächtnis bleibt. Der Film macht auch gar keinen Hehl daraus, dass er sich aus dem Überlebenskampf eines Einzelnen speist, was nicht nur in der jüngeren Vergangenheit auch bei dem diesjährigen Oscar-Abräumer "Gravity" hervorragend funktioniert hat. Da ist es auch irrelevant, wenn die Handlung eben auch nur diesen Kampf zum Thema hat, denn mehr ist in diesem Setting auch gar nicht angebracht. Ein wenig schade ist nur, dass in diesem Survival-Kammerspiel so ziemlich jedes erdenkliche Element verarbeitet wird, das man im Vorfeld erwartet hat – eindringendes Wasser, Haie, vorbeifahrende Schiffe, die nicht registrieren, was in ihrer unmittelbaren Nähe geschieht und viele andere Dinge mehr. Auch wenn die Art und Weise, wie mit diesen Storybausteinen und Momenten umgegangen wird, durchaus einen vergleichsweise neuen und frischen Eindruck macht, sind sie letzten Endes eben doch schon zu Genüge ge- und geradezu verbraucht worden. Darüber hinaus wirkt so manche Szene durch ihre thematische Wiederholung auch manchmal langatmig.

Nichtsdestotrotz ist "All Is Lost" den überwältigenden Teil seiner Laufzeit schlicht extrem fesselndes Kino. Unterstützt wird dies durch die Inszenierung: Die Kamera ist auf der einen Seite immer sehr nah an Redford, um ein Gefühl der Beklemmung zu unterstützen und den Kammerspielcharakter zu verstärken. Andererseits wird durch die Nutzung von Weitwinkelkameras aber auch mal der Blick in die strömenden Fluten oder den wohltuend ruhigen Ozean geschwenkt, um die Schönheit dieser Naturgewalt zu unterstreichen. In Momenten wie diesen fällt einem der Score von Alex Ebert, Gründer und Sänger der hervorragenden Indie-Folk-Band "Edward Sharpe and the Magnetic Zeros", der für die Filmmusik vollkommen verdient einen Golden Globe 2014 gewann, erst so richtig auf. Sehr subtil wird das Geschehen vor allem mit Streichern musikalisch untermalt, was selbst dann mühelos geschieht, wenn die einzigen Geräusche, die sonst zu hören sind, die Wellen und das Krächzen des Boots sind. Hier ist kein Ton zu viel und auch nicht zu majestätisch, was schnell zu einer Portion Pathos beigetragen hätte, die dem Film nicht gut stünde.

Fazit

"All Is Lost" ist Anti-Hollywood at its best – und dies im positiven Sinne. Das, was J. C. Chandor hier gemacht hat, ist in dieser Form und mit diesem Erfolg nicht reproduzierbar und wird durch einen Hauptdarsteller, der nun wirklich niemanden mehr von seinem außerordentlichen Schauspieltalent überzeugen muss, von der ersten Minute an getragen.

Andreas K. - myFanbase
06.07.2014

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