Bewertung
Michel Gondry

Schaum der Tage, Der

Die Verfilmung des gleichnamigen, französischen Kultromans von Boris Vian verzaubert das Auge, berührt aber nicht das Herz.

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Inhalt

Der arbeitsscheue Colin (Romain Duris) lebt in einer Welt, in der eine Maus im Haushalt zur Hand geht, ein Sternekoch die fehlenden Zutaten durch den Fernsehbildschirm reicht und die Türklingel flinke Beine hat. Der Geldtresor ist gut gefüllt und für den verwöhnten Gaumen ist Koch Nicolas (Omar Sy) zuständig. So lässt es sich wunderbar leben! Als Colin der hübschen Chloe (Audrey Tautou) begegnet, mit ihr auf Wolke Sieben schwebt und sie schließlich heiratet, scheint das Glück perfekt.

Während der Flitterwochen klagt Chloe jedoch über Hustenanfälle und Unwohlsein. Die Diagnose: In ihrer Lunge wächst eine Seerose heran. Die Medizin: Blumen, die Chloe um sich betten soll. Dadurch sinkt der Geldvorrat rapide und in keinem Job scheint Colin wirklich nützlich zu sein. Sein bester Freund Chick (Gad Elmaleh) leidet nicht minder. Chicks Obsession für den Philosophen Jean-Sol Partre treibt ihn langsam, aber sicher in den Ruin. Als Colin schließlich als Überbringer schlechter Nachrichten anheuert, hat er weder gute Neuigkeiten für sich selbst, noch für seinen besten Freund.

Kritik

Seltsam! Dieses Wort könnte einem spontan über die Lippen gleiten, lässt man die von Regisseur Michel Gondry ("Vergiss mein nicht!") inszenierte Romanverfilmung "Der Schaum der Tage" nach dem Abspann noch einmal kurz Revue passieren. Selten erblickt man solch ein surreal skizziertes Liebesdrama, das zugleich faszinierend, befremdlich und nachhaltig auf einen wirkt.

"Der Schaum der Tage" orientiert sich an dem gleichnamigen Roman des französischen (recht früh verstorbenen) Schriftstellers Boris Vian. Das wundersame wie melancholische Liebesdrama um Colin und Chloe wurde bereits im Jahre 1946 unter dem Originaltitel "L'écume des jours" publiziert, mauserte sich allerdings erst in den 60er/70er Jahren zu einem Bestseller. Noch heute zählt "Der Schaum der Tage" in Frankreich zu den beliebtesten Literaturklassikern der Nachkriegszeit. Lange Zeit galt der Roman als unverfilmbar. Dennoch nahm sich Michel Gondry dieser Herausforderung an. Dieser ist ohnehin bekannt für seinen unkonventionellen Stil in Musik- und Filmprojekten.

Die surreale Welt des lebensfrohen Colin auf die Kinoleinwand zu übertragen, stellt sich im Nachhinein wahrlich als ein bittersüßes Kunststück heraus. Gondry, der sich selbst als ein bekennender Fan von Vians Kultwerk sieht, verwöhnt das Auge mit farbenfrohen Bildern und diversen Eigentümlichkeiten. Eine schrillende Türklingel, die wie ein flinker Käfer durch die Wohnung irrt und ein Piano, das Cocktails mixen kann, erscheinen dabei noch wie die kleinen, zauberhaften Tüpfelchen auf dem i. Schatten legen sich jedoch bald über das vergängliche Glück. Kaum hat Colin seiner Chloe einen unbeholfenen Heiratsantrag gemacht, sind sie vergessen die bunten Augenblicke, in denen die Liebenden (im wahrsten Sinne des Wortes) in einer rosaroten Wolke über die Dächer der Stadt schwebten und das Leben in vollen Zügen genossen. Während die tödliche Seerose in Chloes Lunge die kompletten Ersparnisse verschlingt, verdunkelt sich das Bild unaufhaltsam.

"Der Schaum der Tage" erzählt dabei keinesfalls nur eine vom Unglück verfolgte Liebesgeschichte. Gewürzt mit einer ordentlichen Portion Gesellschaftskritik, bekommt man ausreichend Stoff zum Grübeln serviert. Ärzte, die lieber eine Pille zuviel verschreiben, statt eine eindeutige Diagnose vorzuziehen, das galt damals wie heute. Frisch zubereitetes Essen, das lieblos vom Tisch gefegt wird, bekommt man ebenfalls zu sehen. Gefolgt von einer aufreibenden Hochzeitszeremonie unter dem ehrfürchtigen Hause Gottes. Dem setzt der überspitzt dargestellte Philosoph Jean-Sol Partre noch die Krone auf. Dieser raubt Colins Freund Chick (wunderbar gespielt von Gad Elmaleh) sinnbildlich das letzte Hemd. Zufall? Das Original Jean-Paul Sartre hatte einst eine Affäre mit Vians Ehefrau.

Leider gelingt es Gondry trotz alledem nicht, das Herz des Zuschauers zu erwärmen. Zu stark verzettelt er sich in den bizarren Eigenheiten seiner filmischen Nacherzählung und vernachlässigt unterdessen das eigentlich Wertvollste in einer Liebesgeschichte: die großen Gefühle. Mit Audrey Tautou ("Zusammen ist man weniger allein") und Romain Duris ("Mademoiselle Populaire") betreten eigentlich zwei französische Charakterdarsteller die träumerisch gestaltete Bühne, die für gewöhnlich mit einem charmanten Schauspiel zu verzücken wissen. In "Der Schaum der Tage" funktioniert dies leider nicht. Gemeinsam mit der eingangs lebhaften Stimmung, die letztlich von einem trüben Schwarz-Weiß-Bild verdrängt wird, verblasst auch das herzzerreißende Drama um Chloe und Colin. Ihre Liebe verzaubert das Auge, berührt aber nicht das Herz. Sie verwelkt ebenso rasch wie die Blumen, die Colin seiner todkranken Ehefrau zu Füßen legt, um sie damit zu heilen. Folglich rauschen die Bilder in einem eher zähen Tempo vorbei, indes man apathisch die Sekunden bis zum bitteren Ende zählt.

Fazit

Es verwundert kaum, dass die Verfilmung des französischen Kultromans "Der Schaum der Tage" hauptsächlich im Kino-für-Kenner-Programm läuft. Die unglückselige Liebesgeschichte um Chloe und Colin lädt noch lange nach dem (imaginären) Wörtchen ENDE zum Nachdenken ein. Eigentlich ein Kunststück, bedenkt man, dass die Nacherzählung von Kreativkopf Michel Gondry nur bedingt zu Herzen geht und sich unaufhaltsam in der surreal skizzierten Welt seiner Schlüsselfigur verliert. Mehr Schaum als Traum!

Doreen B. - myFanbase
15.10.2013

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