Bewertung
Richard Linklater

Before Midnight

"I don't love you anymore"

Foto: Copyright: 2013 PROKINO Filmverleih GmbH
© 2013 PROKINO Filmverleih GmbH

Inhalt

Nach den Ereignissen in Paris sind neun Jahre vergangen und Celine (Julie Delpy) und Jesse (Ethan Hawke) sind damals zusammengeblieben, haben geheiratet und sind nun Eltern von Zwillingen. Doch die Zeit ist an dieser Zufallsbekanntschaft nicht spurlos vorbeigegangen. Im Sommerurlaub bei einem befreundeten Schriftsteller in Griechenland finden die beiden endlich mal wieder Zeit, sich über den Zustand ihrer Beziehung, über Träume, Hoffnungen und die Vergangenheit auszutauschen. Dabei kreist sich alles um die Frage, ob ihre Liebe überhaupt noch eine Zukunft hat und ihre Vorstellungen von einem erfüllten Leben miteinander vereinbar sind. In einem romantischen Hotel gipfeln diese Fragen in einem existenziellen Streit, bei dem alles auf den Prüfstand kommt.

Kritik

Im Jahr 1996 brachte Regisseur Richard Linklater mit "Before Sunrise" einen Film in die Kinos, dessen ganze Handlung im Grunde ein einziger Dialog zwischen zwei sich zufällig in einem Zug nach Wien begegneten Personen war, die sich in dieser schicksalsträchtigen Nacht ineinander verliebten und der Kinowelt damit eine der schönsten Liebesgeschichten der Filmgeschichte schenkten. Am Ende wurde es offen gelassen, ob sich Jesse und Celine je wieder sehen. Neun Jahre später kam dann die Fortsetzung "Before Sunset" in die Kinos, in denen der Zuschauer sieht, dass sich Celine und Jesse damals nicht wiedergesehen haben. Erst neun Jahre später treffen die zwei in Paris erneut aufeinander und alte Gefühle kochen wieder hoch. War der erste Film eine gnadenlos romantische, authentische und beschwingte Geschichte über die Entstehung von Gefühlen, das Leben und zwei verwandte Seelen, so war der zweite wesentlich ernster und reifer. Jesse und Celine hatten sich getrennt voneinander weiterentwickelt und schienen in einem Leben gefangen, das beide sich anders vorgestellt hatten. Das Ende wurde wieder offen gelassen und ließ auf eine weitere Fortsetzung hoffen, die nun endlich auf der Berlinale 2013 Wirklichkeit wurde. Mit "Before Midnight" findet Richard Linklater in Zusammenarbeit mit den Hauptdarstellern Ethan Hawke und Julie Delpy einen perfekten Abschluss einer außergewöhnlichen Liebesgeschichte, die einen unendlich traurig und unendlich glücklich zugleich macht.

Zu allererst: Celine und Jesse sind nach den Ereignissen in "Before Sunset" zusammengeblieben und sind Eltern von Zwillingen geworden. Nun verbringen die beiden zusammen mit ihren Kindern die Sommerferien bei Freunden in Griechenland und finden dort Zeit, sich endlich ausführlich über den Zustand ihrer Beziehung zu unterhalten. Das Besondere an dieser Filmreihe ist die völlige Konzentration auf die Dialoge zweier Menschen und dies wird im dritten Teil auch fast wieder eingehalten. Aber nur fast, gibt es doch auch Szenen, in denen der Fokus nicht komplett auf Celine und Jesse gerichtet ist. Eine davon ist die Anfangsszene, in der Jesse seinen Sohn aus erster Ehe zum Flugzeug bringt, von dem im zweiten Teil bereits die Rede war. Weitere spielen sich auf dem Anwesen eines befreundeten Schriftstellers in Griechenland ab, wo Jesse und Celine mit ihren Kindern Urlaub machen. Hier gibt es eine längere Gesprächssequenz am Abendesstisch, in der Jesse und Celine sich mit diversen Freunden und Bekannten über die Bedeutung der Liebe und auch die Differenzen zwischen Männern und Frauen unterhalten. Darin liegt auch die wirklich einzige Schwäche dieses Films, sind die Dialogpassagen in dieser mehrere Leute umfassenden Sequenz doch teilweise recht plump und ohne rechtes Feuer.

Doch dies ist Jammern auf hohem Niveau, denn in dem Moment, in dem Celine und Jesse für sich allein sind, entfaltet der Film seine ganze Kraft und Lebendigkeit, die die ersten beiden Filme schon so außergewöhnlich werden ließen.

Die erste längere Gesprächssequenz zwischen den beiden findet im Auto zurück vom Flughafen statt und bereits hier gelingt die perfekte Ausbalancierung zwischen herzlich-humorvollen Momenten und der Darstellung tieferliegender existenzieller Probleme. Es geht im Kern darum, dass Jesse seinen Sohn gerne näher bei sich haben würde und die beiden dafür von Paris nach Chicago ziehen müssten, was für Celine aber nicht in Frage kommt. Dieser Konflikt schwingt den ganzen Film über mit und bricht sich im letzten Drittel schließlich frei. Der dritte Teil ist insgesamt sicherlich der ernsteste, gleichzeitig aber auch humorvollste. Es geht um die universelle Frage der Stabilität einer einst als unzerstörbar geglaubten Liebe, die auf die Widrigkeiten des Alltags trifft. Im ersten Teil meinte Celine noch, dass sie einen Menschen umso mehr lieben würde, wenn sie alles über diesen weiß und es keine wirklichen Unvorhersehbarkeiten im Verhalten mehr gibt. Sie glaubte an eine Liebe, die ewig währt und die den Alltag überleben wird. Nun wird dies aber auf eine harte Probe gestellt. Die Zeit als größter Feind der Liebe. Ständig kreist sich die Frage in den weiterhin unendlich intensiv, pointiert und wahrhaftig geschriebenen Dialogen um die zeitliche Stabilität von Liebe, über die Dauer der Liebe und der Vereinbarung von unterschiedlichen Lebensvorstellungen. Dabei zeichnet der Film ein vielschichtiges Portrait moderner Beziehungen, mit all seinen Komplikationen und Schwierigkeiten.

Inszenierte Derek Cianfrance in "Blue Valentine" den Untergang einer Beziehung, so ist Linklater doch wesentlich hoffnungsvoller. Die lange Streitsequenz in einem romantischen Hotel ist zwar voll bitterer Momente, trotzdem verliert man als Zuschauer nie den Glauben an diese so starke Liebe. Es wird sich gegenseitig brutal verletzt und in einigen Momenten tut es einem selbst körperlich weh, denkt man zurück an die so beschwingte, tief romantische Kennenlernphase in Wien, an die erste gemeinsame Nacht im Park. Doch Linklater gibt dem Zuschauer in einem wieder recht offen gestalteten Ende doch noch Hoffnung. Eine weitere Fortsetzung ist so also möglich, nach diesem Film aber nicht wirklich notwendig.

Ein weiterer Pluspunkt sind die zahlreich eingestreuten Querverweise auf die früheren Filme, die Liebhaber dieser Reihe das Herz höher schlagen lassen. Schon allein wegen der Bücher, die Jesse über die Zeit mit Celeste geschrieben hat, wird die Kennenlernphase in Wien, aber auch das erneute Zusammentreffen in Paris immer wieder thematisiert. Eigentlich gar nicht mehr groß erwähnen muss man die weiterhin großartigen darstellerischen Leistungen von Ethan Hawke und Julie Delpy. Die beiden verspüren eine Leichtigkeit, eine Innigkeit und eine Ehrlichkeit in ihrem Spiel, dass man als Zuschauer stets das Gefühl hat einem echten Paar beim Reden zuzuschauen. Jede Geste, jede Mimik und jedes Wort wird authentisch vorgetragen und auch nach all der Zeit beherrschen beide ihre Rollen perfekt. Jede Nuance sitzt. Das ist bei einem so auf die Schauspieler fokussierten Film große darstellende Kunst.

Fazit

Mit "Before Midnight" schafft Regisseur Richard Linklater zusammen mit seinen beiden Hauptdarstellern und Co-Autoren Julie Delpy und Ethan Hawke eine konsequente und wahnsinnig kraftvolle Fortsetzung der jetzt schon legendären Filmreihe. Liebe, Leid, aufgegebene Träume, die Last des Alltags und das ständige Kämpfen und Ringen um das Aufrechterhalten von einst so starken Gefühlen sind die starken Themen des Films. Die Probleme moderner Beziehungen werden in diesem so einfühlsamen, bitteren, aber auch sehr humorvollen und zutiefst romantischen Werk perfekt auf den Punkt gebracht. Jesse und Celine. Celine und Jesse. Das schönste, komplexeste und authentischste Liebespaar der Filmgeschichte. Dieser Film unterstreicht dies nur noch mehr.

Moritz Stock - myFanbase
14.02.2013

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