Bewertung
Kim Jee-woon

I Saw the Devil

Rache ist ein tiefer Abgrund.

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Inhalt

Die Polizei ist dem gefährlichen Serienmörder Kyung-chul (Choi Min-sik) schon länger auf den Fersen. Als Kyung-chul Ju-yeon (Oh San-ha), ihres Zeichens Tochter des hiesigen Polizeichefs Jang (Jeon Gook-hwan), tötet, gelangt er ins Fadenkreuz von Geheimagent Soo-hyun (Lee Byung-hun), Ju-yeons Verlobten. Soo-hyun schwört gnadenlose Rache für all das, was Kyung-chul Soo-hyun und all den anderen Frauen angetan hat, und möchte ihn mindestens genauso leiden lassen. Es beginnt eine bedingungslose Katz-und-Maus-Jagd, bei der Soo-hyun schnell feststellen muss, dass er selbst zum Monster werden muss, um es mit Kyung-chul aufnehmen zu können.

Kritik

Die Einstufung "Restricted" durch das Korea Media Rating Board ist faktisch das Todesurteil für einen koreanischen Film, da er damit weder in Kinos gezeigt noch auf DVDs oder Blu-ray veröffentlicht werden darf. Entsprechend groß war der Druck, den das KMRB auf Kim Jee-woon ("A Tale of Two Sisters", "The Good, the Bad, the Weird"), Regisseur von "I Saw the Devil", ausüben konnte. Am Ende wurde der Film an insgesamt sieben Stellen geschnitten, was insgesamt einer Laufzeitverkürzung von 80 bis 90 Sekunden entspricht. Deutlich rigoroser ging man in Deutschland vor und kürzte den Film für die übliche Verkaufsversion um sage und schreibe elf Minuten, einzig die von der FSK nicht freigegebene, ungeschnittene Black Edition weist dieselbe Länge auf wie das koreanische Original.

Warum all das? "I Saw the Devil" bekam sehr schnell den Ruf, einer der brutalsten Filme aus Asien zu sein, der in den vergangenen Jahren überhaupt veröffentlicht wurde – und diese Einschätzung kann man durchaus teilen. Körperteile werden für den Zuschauer gut sichtbar abgetrennt oder durchbohrt, Blut spritzt fontänenweise und auch sonst hangelt sich der Film von einem Gewaltexzess zum nächsten. Sowas wird natürlich entsprechend kontrovers diskutiert und ruft unzählige Sittenwächter auf den Plan, die eine Gefährdung der Jugend sehen o.ä. Dabei ist im Hinblick auf die menschlichen Abgründe, die Kim Jee-woon zeigen möchte, die Brutalität in diesem Maße durchaus passend und vielleicht sogar notwendig. Zumindest ist sie keineswegs bloß Mittel zum Zweck, um zu demonstrieren, dass neben den Koreanern wahrscheinlich nur noch die Franzosen wissen, wie Härte auszusehen hat.

Sonderlich abwegig ist die sehr explizite Gewaltdarstellung jedenfalls nicht, wenn man sich den Plot nochmals vergegenwärtigt. Da geht es um jemanden, dessen (schwangere!) Freundin auf durchaus brutale Art und Weise getötet wird, und der ihr und sich schwört, den Mörder nicht nur zur Strecke zu bringen, sondern ihn für all das büßen zu lassen, das er in seiner Karriere als Serienkiller anrichtete. Zu simpel wäre es gewesen, die beiden am Ende aufeinander treffen zu lassen, und in einem großen Showdown sähe Soo-hyun dann schließlich ein, dass ihm der Mord an Kyung-chul seine Freundin auch nicht wieder zurück bringt. Deswegen gibt es auch bereits nach gut einer Dreiviertelstunde den ersten gewaltsamen Kontakt der beiden und es entwickelt sich eine perfide Katz-und-Maus-Jagd, bei der Soo-hyun am längeren Hebel zu sitzen scheint. Soo-hyun will ihn nicht nur einfach töten, sondern so lange quälen, bis dessen Schmerzen so groß sind, dass er sich seinen eigenen Tod herbeisehnt. Das mag nicht besonders subtil sein, ist aber bis zu einem gewissen Maße verständlich und in der Konsequenz mutig. Dazu kommt, dass Soo-hyun sich die nötige Zeit nimmt und mehrere Aufeinandertreffen mit Kyung-chul plant, wo er ihm seinen eigenen Albtraum näher bringen möchte.

Es ist nicht gerade ein leichtes Unterfangen, die zwei Hauptrollen – einen Serienkiller und einen Geheimagenten, der sich durch jede Gewalttat nur noch mehr zu einem Monster entwickelt – adäquat zu besetzen. Mit Choi Min-sik ("Lady Vengeance"), insbesondere bekannt aus dem Genreklassiker "Oldboy", der die Messlatte für Rachethriller entsprechend hoch gelegt hat, sowie dem mittlerweile auch allmählich international bekannten Lee Byung-hun ("G.I. Joe – Geheimauftrag Cobra") hat sich Kim Jee-woon die Dienste zwei der größten Schauspielstars Koreas sichern können. Deswegen ist es auch nicht verwunderlich, dass genau diese zwei Herrschaften den Film tragen, ja gerade tragen müssen. Das liegt nicht nur an der Vielzahl an Emotionen, die beide transportieren müssen, sondern vor allem auch daran, dass man als Zuschauer ins kalte Wasser geschmissen wird und über beide Hauptcharaktere ausgesprochen wenig erfährt. Dadurch fällt es grundsätzlich erst einmal unheimlich schwer, eine Bindung aufzubauen. Durch das hervorragende Schauspiel der beiden fühlt man sich jedoch deutlich schneller involviert als man dies ursprünglich vielleicht erwartet hätte. Choi Min-sik ist bekanntermaßen ohnehin einer der besten Charakterdarsteller unserer Zeit, aber auch Lee Byung-hun kann im Verlauf des Films und je mehr er sich selbst zu etwas entwickelt, das er nie sein mochte, trotz der eher stoischen Natur seiner Figur eine ungeheure Bandbreite an Emotionen überzeugend zeigen.

Obwohl recht schnell klar ist, in welche ungefähre Richtung sich der Film bewegt, so entwickelt er doch eine mitreißende Spannung, die selbst die besten Thriller sonst nur sehr selten in der Lage sind zu zeigen. Allein die Eröffnungsszene lässt einem das Blut in den Adern gefrieren, weil sie trotz all der Klischeebeladenheit so unglaublich gut in Szene gesetzt und von allen Beteiligten gespielt ist. In der Folge liegt der Fokus vor allem auf der Jagd, die Soo-hyun auf Kyung-chul macht, und die dank der Ebenbürtigkeit der Kontrahenten immer kurzweilig, einfallsreich und wirklich nie öde wirkt. Wenn sich dann auch noch gekonnt choreographierte Kämpfe und ein Soundtrack, der sich stark zurücknimmt und nur bei wenigen Szenen tatsächlich zu vernehmen ist (dann aber die Stimmung sehr gut unterstützt), dazu gesellen, dann weiß man, dass man richtig ist: Auf einer Achterbahn, bei der man zwischenzeitlich zwar den Gedanken hegt, ob der Wucht, mit der sich "I Saw the Devil" präsentiert, lieber auszusteigen, sich dann aber doch freut, bis zum Ende dabei gewesen zu sein.

Fazit

"I Saw the Devil" ist in vielerlei Hinsicht kompromisslos und nimmt weder auf seine Hauptdarsteller noch auf den Zuschauer Rücksicht. Das mag insbesondere im Bezug auf die für viele ungewohnt explizite Darstellung von Gewalt nicht den Geschmack von jedermann treffen, für Genrefans und insbesondere für die, die schon "Oldboy" abgöttisch liebten, ist dies aber der würdige Nachfolger.

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Andreas K. - myFanbase
21.05.2011

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