Bewertung
Sofia Coppola

Somewhere

"I'm fucking nothing. Not even a person."

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Inhalt

Johnny Marco (Stephen Dorff) hat eigentlich alles: Eine erfolgreiche Schauspielkarriere, ein gutes Aussehen, viele Bettgeschichten, einen Ferrari und einen Job, der ihn in an die schönsten Orte und in die luxuriösesten Hotels bringt, die man sich vorstellen kann. Dennoch befindet er sich in einer existenziellen Krise und ist unfähig zu wirklichen Emotionen. Als seine Ex-Frau einen Nervenzusammenbruch erleidet und fortgeht, bekommt Marco Besuch von seiner elfjährigen Tochter Cleo (Elle Fanning) und verbringt mit ihr einige Tage zusammen, die ihm helfen, Struktur in sein Leben zu bekommen.

Kritik

Wenn man für einen modernen Klassiker wie "Lost in Translation" verantwortlich ist und der darauf folgende Film ("Marie Antoinette") sowohl bei den Kritikern als auch beim Publikum durchfällt, ist es nicht gerade verwunderlich, wenn so etwas wie "Somewhere" dabei rauskommt. Sofia Coppola, bekanntermaßen die Tochter von Regie-Legende Francis Ford Coppola ("Der Pate", "Apocalypse Now"), sorgt dafür, dass ihr neuestes Werk in vielen Punkten wie eine inoffizielle Fortsetzung zu "Lost in Translation" daher kommt. Die Einsamkeit des Protagonisten, das allgegenwärtige Hotelzimmer, die penible Darstellung der Banalität des Alltags – all das findet sich auch in "Somewhere" wieder.

Ganz allgemein ziehen sich die Themen Einsamkeit und Langeweile durch Sofia Coppolas Schaffen wie ein roter Faden. In "Lost in Translation" war es ein alternder Schauspieler, in "Marie Antoinette" die spätere französische Königin und in "Somewhere" ist es nun abermals ein Darsteller, der sich durch das Leben und die ihn umgebende Öde quält. Die Figur des Schauspielers ist nun eine gehörige Portion jünger, dementsprechend ist auch das Umfeld, in dem er sich bewegt, anders. Drogen, Sex, schnelle Autos und luxuriöse Hotels prägen das Leben von Johnny Marco. Trotz der zweifelsohne in ausreichender Anzahl vorhandenen Gründe, sich an all diesen Aspekten zu erfreuen, ist Johnny offenbar unfähig, sich tatsächlich zu freuen – selbst als beispielsweise zwei Blondinen vor ihm jeweils an einer Stripperstange ihr Bestes tun, um ihn zu einer Gefühlsregung zu bewegen. Ob Johnny nun tatsächlich an Anhedonie leidet, also der Unfähigkeit, Lust und Freude zu empfinden, wird nie abschließend geklärt, es verdichten sich jedoch die Anzeichen dafür.

Das Hotelzimmer ist auch diesmal ein zentraler Ort der Handlung, in "Lost in Translation" war dies ähnlich, bei "Marie Antoinette" hat Sofia Coppola in Interviews mehrmals die Ansicht vertreten, dass das Schloss Versailles im Grunde auch nur ein großes und unpersönliches Hotel für die Hauptakteurin war. Diesmal hat sich Coppola für ihr neuestes Werk kein geringeres als das berühmt berüchtigte Chateau Marmont Hotel ausgesucht, jene legendäre, am Sunset Boulevard in Hollywood gelegene Unterkunft, in der James Dean durch ein Fenster sprang, Led Zeppelin auf Motorrädern die Lobby durchquerten, John Belushi starb und Humphrey Bogart regelmäßiger Gast war. Es gibt wahrscheinlich kaum ein anderes Hotel, das heutzutage mehr für die Hoffnungen von den darin lebenden jungen Schauspielern auf die ganz große Karriere steht und gleichermaßen für die Hybris und Arroganz, die sie des Öfteren umgibt. In genau diesem Umfeld befindet sich nun also Johnny und möchte nicht mehr, als einfach nur etwas Freude und Aufregung zu empfinden, die ihm selbst dieses Leben partout nicht bieten kann.

Langeweile macht sich bei Johnny breit und entsprechend reduziert ist auch die Optik des Films. In Zeiten, in denen wackelige Handkameras schon fast zum guten Ton gehören, orientiert sich Sofia Coppola eher am europäischen minimalistischen Kino und lässt kaum aktiv mit der Kamera arbeiten. Vielleicht ändert sich durch Herauszoomen einmal die Größe der abgebildeten Personen und Gegenstände, die Kamera selbst bewegt sich jedoch nie. Dazu kommt, dass selbst die aufregendsten Bestandteile von Johnnys Leben entweder derart exzessiv gezeigt werden, dass man als Zuschauer jegliche Faszination dafür nicht mehr verstehen kann, oder so reduziert, dass es schlichtweg unmöglich ist, sich daran zu erfreuen. Natürlich ist das gewollt, um die Monotonie in Johnnys Alltag darzustellen. Es ändert jedoch nichts daran, dass es manchmal durchaus als eine Herausforderung anzusehen ist, als Zuschauer Zeuge all der Banalitäten zu sein, die Johnny umgeben. Eine wirkliche Handlung ist nur bedingt vorhanden, ein Spannungsbogen im traditionellen Sinne schon mal gar nicht.

Es spricht für den Film, dass sich all dies nicht schlagartig ändert, als Johnnys Tochter Cleo ins Spiel kommt. Zu einfach und vorhersehbar wäre es gewesen, wenn sich Johnnys Leben durch Cleo von einem Moment auf den anderen verbessert hätte und er am Ende ein geläuterter Mann gewesen wäre, der weiß, worauf es wirklich ankommt. Das zeigt schon allein der Umstand, dass Johnny sich nicht einmal die Mühe macht, seine neue weibliche Errungenschaft seiner Tochter vorzustellen und dass Cleo es als nötig ansieht, ihren Vater zu umsorgen (im vorliegenden Fall, indem sie für ihn kocht). Nichtsdestotrotz ist es vor allem das tolle Zusammenspiel der beiden, das gleichermaßen für viele schöne Momente des Films und auch für eine minimale Besserung von Johnnys Stimmungslage sorgt. Einen maßgeblichen Anteil daran hat die wahrlich großartige Chemie zwischen den Darstellern Stephen Dorff und Elle Fanning.

Auch wenn Dorffs Schauspieltalent beschränkt ist und natürlich nicht all die Facetten zeigen kann, womit beispielsweise ein Bill Murray aufwartet, scheint er wie gemacht für die Rolle und man wird das Gefühl nicht los, als wäre "Somewhere" zumindest etappenweise eine Nacherzählung von Dorffs Leben. Elle Fanning, die jüngere Schwester von Dakota Fanning, bringt unterdessen eine ordentliche Portion Liebenswürdigkeit und Warmherzigkeit in den Film, vor allem, weil Cleo trotz ihres Alters von gerade mal elf Jahren mittlerweile genug Verständnis für den Lebensstil ihres Vaters aufbringt, um ihn zu unterstützen und die tollen Momente zwischen ihnen zu genießen. Nicht gerade selten scheint dabei auch Sofia Coppolas eigene Biographie durch, hat sie ihren berühmten Vater doch in ihrer Kindheit oft von einem Hotel zum anderen begleitet.

Fazit

Man muss Sofia Coppolas geradezu provokativ minimalistische Art der Inszenierung schätzen, um Gefallen an "Somewhere" finden zu können. Aber Fans von "Lost in Translation" werden mit Abstrichen, wie unter anderem der Tatsache, dass Bill Murray dann eben doch ein ganz anderes Kaliber als Stephen Dorff ist und der Film mit weniger charmanten Szenen aufwarten kann, auch Gefallen an ihrem neuesten Werk finden.

Andreas K. - myFanbase
16.04.2011

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