Bewertung
Terry Gilliam

Kabinett des Dr. Parnassus, Das

"Wer von uns kriegt als erster fünf Seelen?"

Foto: Copyright: Constantin Film
© Constantin Film

Inhalt

Der Magier Dr. Parnassus (Christopher Plummer) reist mit seiner Theatergruppe in einem klapprigen Varieté-Vehikel durch die Lande. Die besondere Attraktion dieses Wunder-Kabinetts auf Rädern ist ein Zauberspiegel, durch den man ein fantastisches Universum unbegrenzter Vorstellungswelten betreten kann. Als die Truppe in London gastiert, taucht Mr. Nick (Tom Waits) – der leibhaftige Teufel – auf. Er erinnert Parnassus daran, dass dieser ihm vor Jahren seine Tochter Valentina (Lily Cole) versprochen hat, sobald sie 16 Jahre alt geworden ist. Um seine Tochter zu retten, geht Dr. Parnassus eine letzte Wette mit Mr. Nick ein. Der Deal: Wem es binnen drei Tagen als erstem gelingt, fünf Seelen zu gewinnen, dem soll Valentina gehören.

Valentina ahnt zunächst noch nichts von ihrem schrecklichen Schicksal. Da entdeckt die illustre Truppe zufällig einen jungen Mann, der am Strick von einer Londoner Brücke baumelt – und rettet ihn vor dem sicheren Tod. Es dauert nicht lange, da hat sich Valentina unsterblich in den geheimnisvollen Fremden namens Tony (Heath Ledger) verliebt. Da Valentinas 16. Geburtstag unmittelbar vor der Tür steht, versuchen nun alle gemeinsam, dem Teufel ein Schnippchen zu schlagen. Zur großen Überraschung entpuppt sich Tony dabei als besonders guter Seelenfänger.

Kritik

Eine Fahrt mit der Kamera durch London, das alte London des vorherigen Jahrhunderts, und dann? Eine Disco. Das ist die Kunst von Terry Gilliam, Fiktion und Fantasie mit der Realität zu verbinden, und er gewährt schon von Anfang an einen Einblick auf den folgenden Film, welcher vollgepackt ist mit sozialkritischen Anspielungen und Verwandlungsreichtum.

Betrachten wir einzig und allein das Gefährt, das den Mittelpunkt des Filmes und die Verbindung zur Metamorphose darstellt, so erlebt der Zuschauer ein beeindruckendes Schauspiel auf Podium-großer Bühne. Sie wirkt nicht nur sehr humoristisch, vor allem dank der Situationskomik von Christopher Plummer oder Verne Troyer - der sich seine eigene Parodie im Film geschaffen hat –, sondern stellt sogleich dar, dass die beste Kunst der Fantasie, Früchte zu tragen, einzig und allein die Technik eines Filmes bietet - aber gleichzeitig verliert Gilliam den Respekt zur Theaterkunst nicht. Um seiner Fantasie freien Lauf zu lassen, musste Gilliam zudem auf eine Sache setzen, die nicht nur im Theater sehr schwer ist, sondern auch im Film den meisten Regisseuren schwer fällt. Die Rede ist von der mehrgliedrigen Geschichte. Auf den ersten Blick zwar nicht zu erkennen, aber sie fällt einem immer weiter auf, wenn Strukturelemente und Handlungsteile erscheinen, die einem unnütz wirken könnten, aber umso mehr die Ernsthaftigkeit der Einheit stützen.

Was den Zuschauer jedoch mehr interessiert, ist nicht der Aufbau der Handlung, sondern die Handlung selbst, und da kommt sie einem, je länger der Film läuft, immer verwirrender, aber auch fabelhafter vor. Nicht nur durch die Verwandlungen Tonys in der Traumwelt Dr. Parnassus' in die Wünsche weiblicher Begierde, sondern auch durch die Einbringung mehrere Metaebenen, die durch sämtliche Einlagen zum Nachdenken oder vielmehr zum Grübeln verleitet.

Wer somit eine leichte Handlung und seichte Unterhaltung erwartet, der wird leidlich enttäuscht, denn wenn der Teufel ein Spiel mit jemandem spielen möchte, so achtet dieser sicherlich nicht nur auf eine Sache, sondern konzentriert sich auf viele Dinge, die die meisten wohl außer Acht lassen, und was einem wichtig erscheinen kann, so wie zum Beispiel die Tochter von Dr. Parnassus, Valentina, ist es letztlich nicht. Was aus moralischer Sicht gesehen interessant ist, ist das Verhältnis des Teufels, in alten Worten Diabolus, zur Menschheit und das Spiel, welches er mit ihnen treibt, und die Tatsache, dass sich die Menschheit diesem Spiel eben nicht entziehen kann. Die herbeigeführte Symbolik könnte schon fast ironisch angesehen werden. Der "Verwirrer" stellt genau das dar, was der Film ist.

Ein weiterer, aber auch zugleich makaberer Vorteil dieses Filmes ist die Darstellung des Tony in verschiedenen Personen. Zum einen von Heath Ledger, zum anderen von Johnny Depp, Jude Law und Colin Farrell. Diese Kombination an Spitzenschauspielern hat der Film letztlich einer Tatsache zu verdanken, und zwar dem Tod des Hauptdarsteller Ledgers. Was so grotesk klingt, ist nicht herabwürdigend gemeint, sondern vielmehr eine Affirmation für die dargebrachte Leistung aller Schauspieler. Auch ist eine erstaunliche Ähnlichkeit zwischen Depp und Ledger im Film erstanden, die so nicht einfach ignoriert werden kann, denn wenn man nicht mehr weiß, wer denn nun den Hauptcharakter spielt, ist dies eines Lobes mehr als nur würdig.

Die ein wenig traurige Geschichte dabei ist, dass Lily Cole und Andrew Garfield, die beiden Jungschauspieler, hierbei völlig untergehen. Und so blass wie Coles Gesicht ist, so blass ist auch ihre Persönlichkeit und ihre schauspielerische Fähigkeit. Die mehrmaligen Sequenzwechslungen erschwerten ihr die Arbeit umso mehr, vor allem, dass sie somit in direkter Konkurrenz zu den eben genannten Schauspielern stand, und Mr. Nick, dem von Tom Waits meisterhaft gespielten Teufel.

Fazit

So verwirrend das Ganze auch klingen mag, es ist ein witziger Film, dessen Ernsthaftigkeit in keiner Minute verloren geht, und eine atemberaubende Reise in eine Fantasiewelt, die hin und wieder doch etwas mehr Fantasie verkraftet hätte.

Ignat Kress - myFanbase
30.03.2010

Diskussion zu diesem Film