Sløborn - Review Staffel 2

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Vermutlich wäre die deutsche Eigenproduktion "Sløborn" von ZDF für ein breites Publikum unter dem Radar gelaufen, wenn sie nicht relativ zeitnah nach dem Ausbruch der Corona-Pandemie auf ZDFneo ausgestrahlt worden wäre. Das Ironische an dem Ganzen war aber, dass die Produktion an der Serie schon im Vorfeld komplett abgeschlossen worden war, so dass die ganzen Parallelen zwischen Fiktion (hier exemplarisch dargestellt an der 'Taubengrippe') und Realität nur noch erschreckender wurden. Denn als Zuschauer*in konnte man genug Aspekte feststellen, die ganz aktuell auch im eigenen Alltag zu erleben waren. Inzwischen ist die erste Staffel auch auf Streamingdienst Netflix verfügbar, was die Popularität der Serie gerade unter einer jüngeren Zielgruppe noch mehr angeheizt haben dürfte. Mit Beginn von 2022 wurde nun die zweite Staffel veröffentlicht, die mit dem Wissen um die reale Pandemie abgedreht wurde. Wie viel vertrauter Alltag ist diesmal verpackt und wie geht es sonst inhaltlich weiter?

Überraschenderweise wird in der zweiten Staffel von "Sløborn" das konkrete Pandemiegeschehen eher ausgeblendet, denn die Handlung findet bis auf die letzte der sechs Episoden auf der fiktiven Insel zwischen Deutschland und Dänemark statt. Das stärkt natürlich die Verbindung zu den Figuren, weil man genau wie sie völlig ahnungslos ist. Auf der Insel sind bekanntlich nur noch wenige Menschen übrig, die sich der Evakuierung widersetzt haben, darunter viele Jugendliche, die gegen das Virus ohnehin immun sind und die wenigen Erwachsenen sind so wenige, dass das Virus eigentlich ausgestorben ist. Ideale Quarantäne eben. Jedoch steckt sich Autor Nikolai (Alexander Scheer) später doch noch an, auch wenn hier etwas fragwürdig ist, wie es dazu gekommen ist, denn das Virus ist uns als gefährlich grassierend vorgestellt worden. Ob in Form des Mannes im Supermarkt nur noch eine milde Variante unterwegs war, hat die Serie nicht geklärt, aber faktisch bleibt der Umstand, dass wir von Krankheitsverläufen und sonstigem Weltzustand nichts mehr mitbekommen. Wir sind alleine auf Sløborn beschränkt, wo sich ganz andere Sorgen ergeben, als an der Taubengrippe zu sterben. Dennoch ist die Pandemie im übertragenen Sinne nicht gänzlich verbannt. Denn es gibt immer wieder kleine Anspielungen wie das Plündern von Supermärkten oder das Unterhalten durch eine Glasscheibe, das uns nur zu vertraut erscheint, was hier dementsprechend wohl ganz absichtlich eingestreut wurde.

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Ansonsten konzentriert sich Staffel 2 vor allem darauf, was passiert, wenn die sogenannte Gesellschaft quasi zerfallen ist, wenn man völlig abgeschnitten vom regulären Alltag ist, schlicht, wenn man also jeglichen Halt im Leben verliert. Wir haben auf der Insel zwei große Personengruppen, wobei sich die Handlung aber auch von dort aus schon mal noch verbreitet oder sich vor allem später zunehmend überschneidet. Auf der einen Seite haben wir Familie Kern mit der wohl zentralen Figur Evelin (Emily Kusche), die mit ihren drei Brüdern Alex (Ron Antony Renzenbrink), Peter (Maximilian Brauer) und Lukas (Phileas Heyblom) zurückgeblieben ist. Sie werden ergänzt durch Nikolai, der in der Pension gleich nebenan wohnt. Dieser ist mit seinem Drogen- und Alkoholkonsum nun wahrlich nicht die ideale Bezugsperson, aber man muss sagen, dass es bei ihm seit Staffel 1 doch eine große Entwicklung gegeben hat. Er ist immer noch ein kreativer Kopf durch und durch, der sich ständig irgendwie auf ein High bringen muss, damit ihn die Muse auch fleißig küsst und dennoch merkt man ihm an, dass er sich mit den Kerns verbunden fühlt. Er würde sie nie ihrem Schicksal überlassen, weswegen seine ganzen Ideen zwischendurch, wie das Besorgen eines Generators mitsamt Benzin, immer für alle gedacht ist. Evelin wiederum hat schon in Staffel 1 bewiesen, dass sie für ihr Alter sehr reif ist und das setzt sich nahtlos fort. Sie schwingt den Taktstock und dennoch ist sie auch daran interessiert, dass ihre Brüder sich oft selbst überlassen sind, um selbst zunehmend nach Verantwortung zu streben, denn ihr ist klar, dass das Schlimmste vielleicht noch erst kommt. Sie braucht ihren Freiraum aber auch, weil sie die Verantwortung für ihr ungeborenes Kind trägt. So hat sie aus dem Rathaus einen großen Schlüsselbund mit allen Schlüsseln der Stadt. In einer Arztpraxis kann sie so ein Ultraschall von ihrem Bauch machen, denn parallel liest sie sich so in die medizinischen Grundlagen ein, dass sie bald eine nicht-studierte Ärztin abgeben könnte. Als sie schließlich etwas Besorgniserregendes auf dem Ultraschallbild erkennt gleicht sie das ab und befürchtet eine völlige Plazentaablösung, weswegen sie für die Geburt erfahrenes medizinisches Personal braucht.

Das ist ein wenig die Ausgangslage für die Kerns, wo deren Geschichte so richtig losgeht. Denn nachdem der Strom auf der Insel ausgefallen ist, ergeben sich zahlreiche gemeinsame Herausforderungen, die sie stemmen müssen. Zudem gibt es den gelben Mann in Schutzausrüstung, den alle auf der Insel wahrnehmen, der aber nie ein Wort sagt und als Soldat vermutet wird. Tatsächlich ist es aber Evelins Mitschüler Herm (Adrian Grünewald), der eine gute Ergänzung zu der Gruppe ist. Er ist nämlich nach dem Tod seines Vaters schwer traumatisiert und sieht Mikkel (Urs Rechn) immer noch, der ihm immer wieder einredet, was für ein Versager er doch ist. Herm war schon in der ersten Staffel die Figur, mit der man am meisten Mitleid haben kann, daran hat sich nichts geändert und damit ist er klar das Herz der Geschichte, während Evelin der Kopf ist, die trotz aller Tragik zwischendurch sich zusammenreißen muss, um für alle durchzuhalten. Herm hat aber durch seine Streifzüge durch die Stadt viel beobachtet und gelernt, weswegen er auf die 'Piraten' aufmerksam macht, die einmal die Woche mit einem Schiff kommen, um dann Straßenzug für Straßenzug auszurauben. Er ist es auch, der weiß, wo eine Funkverbindung herzustellen ist, weswegen er aus vielfältigen Gründen sehr wichtig für die Gruppe wird. Genau diese Gruppe hat mir dann auch wirklich gut gefallen, denn die Konflikte wirkten bodenständig und vor allem nachvollziehbar. Gerade wegen der ganzen jungen Figuren war es auch spannend, wie sie sich den unterschiedlichsten Herausforderungen gestellt haben. Denn es würde mich nicht wundern, wenn die Serie mit der Idee im Hinterkopf produziert worden ist, ein wenig das abzubilden, wogegen junge Protestgruppen vorgehen und wie sie sich wünschen, die Zukunft gestalten zu dürfen.

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Schließlich haben wir noch die jungen Strafgefangenen, die Teil des Rehabilitationsprojekts sind. Nachdem Magnus (Roland Møller) in der vergangenen Staffel gestorben ist, hat nun Freja (Nina Diedrich) die Leitung und wie sollte es anders sein: die junge Frau hat gegen die aufmüpfige Gruppe kaum etwas auszurichten. Im Verlauf der Staffel ist es manchmal ganz schön enervierend, wie immer die gleichen Konflikte schwelen. Vor allem weil es mit Devid (Aaron Hilmer) und Ella (Lea van Acken) immer dieselben waren, die im Zentrum der Aufregung standen. Ella sucht irgendwann die Verbindung zu Jan (Mads Hjulmand), dem Bruder von Magnus, der der Drogendealer der Insel ist. Bei ihm erhofft sie sich, so richtig auf den Putz hauen zu können und einfach die Endzeit genießen zu können. Dass das für viele eine Traumvorstellung ist, wenn es wirklich bald vorbei ist, das verstehe ich schon, aber es ist doch erschreckend, in wie vielen Produktionen man hemmungslosen Alkohol- und Drogenkonsum präsentiert bekommt und es führt einfach für die Geschichte nirgendwo hin. So wurde die Gruppe rund um Jan und Ella irgendwann immer größer, die Geschichten waren aber immer gleich: Sex, Provokationen, Drogen und eben Alkohol. Langweilig! Dann doch spannender waren definitiv die Ereignisse auf dem Hof, den sich Freja für das Projekt ausgesucht hat, um dort nachhaltig ein Leben mit eigenem Anbau aufzubauen. Die Zustände waren auf dem Hof nach über zwei Monaten ohne reguläre Versorgung natürlich verheerend, deswegen war nachzuvollziehen, warum es für die Gruppe nahezu unerträglich war. Es spielte aber natürlich auch rein, dass sich ganz unterschiedliche Allianzen gebildet haben. Cora (Antonie Lawrenz), die Freja treu ergeben ist und dennoch ihre eigene Agenda hat und dann vor allem auch Lobo (Zoran Pingel), bei dem man zu Beginn von Staffel 2 gedacht hätte, dass er der Erste sein würde, der sich Ella anschließt. Doch nach den Ereignissen rund um Mikko (Cassian-Bent Wegner) war er doch schnell geläutert. Dementsprechend war es bei den unterschiedlichen Voraussetzungen regelrecht erschreckend, wie schnell sich Hass zu verloren gehender Moral entwickelt. Während die Kerns auch ihre Konflikte haben, so hält sie etwas im Inneren zusammen, aber hier ist ein zusammengewürfelter Haufen ohne gemeinsames Leitmotiv, so dass es irgendwann Hauen und Stechen ist. Es war schlimm anzusehen, aber eben leider nicht unrealistisch.

Insgesamt entfaltet sich die zweite Staffel auch regelrecht. Die erste Episode hat recht wenig Dialog im Verhältnis. Hier erleben wir mit intensiven Bildern mit, wie sich die einzelnen Figuren zurechtfinden. Das mag anfangs etwas langweilig erscheinen, stiftet aber die benötigten Grundlagen, um nach und nach das Tempo anzuziehen. Damit ist für mich der Mittelteil dann auch der stärkste, denn hier haben sich bereits genug Konflikte zugespitzt. Die Gruppen haben sich verändert, es hat Überläufer*innen gegeben, so dass sich wieder neue Konstellationen ergeben. Hier wurden alle Stärken der Serie ausgespielt, bis dann auch Wotan Wilke Möhring als Vater Richard Kern für einen kurzen Gastauftritt zurückkehren darf. Nachdem er und die Familie sich aber knapp verpasst haben, wird der finale Showdown eingeläutet. Der war mir persönlich am Ende 'zu viel'. Die Ereignisse haben sich eher unkontrolliert überschlagen, der rote Faden ging verloren. Es war natürlich spannend, wie die Kerns und Anhang sich bemüht haben, nach Husum zu kommen, aber insgesamt war hier doch zu viel auf einmal. Mit dem Übertritt nach Husum bekommen wir kleinere Einblicke, wie das Leben in der restlichen Welt aussieht, aber das ist wirklich noch sehr spärlich. Fakt ist nach dieser Staffel aber, es muss weitergehen. Staffel 2 hat ihren Zweck erfüllt, aber nun ist doch auch interessant, wie es den anderen ergangen ist und was vor allem hinter dem Virus steckt. Die Serie ist definitiv noch nicht auserzählt!

Fazit

"Sløborn" bietet alles in allem eine gute zweite Staffel an. Es ist sicher eine mutige Entscheidung, diese ausschließlich auf der Insel spielen zu lassen und die Außenwelt auszusperren, weil somit auch viele spannende Aspekte erstmal ausgespart werden. Vermutlich war es so aber auch leichter, unter nun selbst vorherrschenden Pandemie-Bedingungen zu drehen. Aber auch so ist inhaltlich viel geboten worden mit unterschiedlichen Handlungssträngen, mit unterschiedlichen Konsequenzen und Kämpfen, aber alles unter dem Motto, wie geht es weiter, wenn da nichts mehr ist? Der Spannungsaufbau war langsam, um dann am Ende schon wieder zu viel zu wollen, aber alles in allem muss sich diese deutsche Serie wirklich nicht verstecken.

Die Serie "Sløborn" ansehen:

Lena Donth - myFanbase

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