Panic! At The Disco - Bürgerhaus Stollwerk, Köln
Mit Mundpropaganda ist das immer so eine Sache: Sie kann das Salz in der Suppe sein, lässt die Gerüchteküche brodeln, verbreitet Gutes wie Schlechtes – und zwar in einer rasenden Geschwindigkeit. Genauso geschehen bei Panic! At The Disco, einem Vierertrupp aus Las Vegas. Über ein namhaftes Internetportal aus dem englischsprachigen Raum bekannt geworden, sprach sich das einzige geplante Deutschland-Konzert der Jungs auch hierzulande wie ein Lauffeuer herum.
Nach dem ein oder anderen Kilometer, der laut Wegbeschreibung nicht hätte sein müssen und einer schier aussichtslosen Parkplatzsuche fanden wir uns gegen viertel vor acht am Bürgerhaus Stollwerk ein. Während wir uns vor Konzertbeginn noch eine kleine Stärkung gönnten, schienen die übrigen Besucherinnen mit einem erschreckend hohen Prozentsatz so ziemlich jeden Modetrend des "Alternative"-Chics für sich mitgenommen und in sich aufgesaugt zu haben. Da standen sie also dutzenweise, gehüllt in Punkte, Streifen oder einfach nur Schwarz mit ihren ach so punkigen Accessoires. Ein Ei glich dem anderen. Wie traurig, wenn man bedenkt, dass jedes ihr Nest in dem Glauben verlassen haben muss, die Individualität an diesem Abend für sich gepachtet zu haben.
Unspektakulär und dennoch mit einem Paukenschlag kündigt Frontmann Brendon Urie, der gerade mal neunzehn Lenzen zählt und in seiner Heimat nicht einmal Alkohol konsumieren darf, seine Band an: "Hi, we’re Panic! At The Disco." Was alle vorher wissen sollten ist gesagt; eine Basis, auf der man aufbauen kann damit geschaffen. Aufbauen tun sich nun auch die drei (so groß war die Bühne ja nicht) Gorillas in schwarzer Kluft, nämlich direkt vor der Bühne. Die Aufpasser sind da. Von dort aus haben sie die beste Sicht in zahllose (Schrei-)Hälse, die, weit geöffnet von ihren weiblichen Besitzern, die ersten Takte des ebenso lässigen wie durchgeknallten Openers "The Only Difference Between Martyrdom And Suicide Is Press Coverage" mitsingen. Erstaunlich.
Panic! At The Disco verlieren keine Zeit: "Come on just snap/ snap/ snap your fingers for me. Good/ good now/ we're making some progress/ Come on/ just tap/ tap/ tap your toes to the beat." Gleich zu Beginn treiben sie das Publikum an und gleichzeitig die ersten Schweißperlen auf die Stirn. Was wir natürlich noch nicht wissen: Urie ist weltklasse in Entertainment und Selbstdarstellung. Wild gestikulierend mit einer Mimik, die jederzeit wie das Hinterteil auf den für ihn vorgesehenen Eimer passen sollte, unterhält er die springhungrige Meute ganz allein. Und die ist ihm hörig. Und mindestens ein Drittel der Anwesenden älter als er.
Nach dem (schweiß-)treibenden "London Beckoned Songs About Money Written By Machines" gönnt man uns kurzzeitig eine kleine Verschnaufpause. Wie die aussieht? Für den Anfang des formvollendeten "Camisado" steht Brendon Urie in der Mitte der Bühne, vielmehr: Er ist die Bühne!, und genießt die chorale Stimmgewalt der Menge, die mit ihm und den Worten "The I V And/ your hospital bed. This was no accident/ this was a therapeutic chain of events." den Song einleitet und nach gut drei Minuten wieder ausklingen lässt.
Gerade noch in aller Einigkeit mitgegröhlt, reißt der Gemeinschaftssinn auch bei "Time To Dance" bei den Fans noch lang nicht ab. Alle zusammen hüpfen, rempeln, schubsen sich. Äußerst beliebt: Das gute, alte Crowdsurfing entpuppt sich auch hier als Publikumsliebling. Erleichtert und froh darüber, sich noch rechtzeitig aus dem Stehraum verdrückt zu haben und somit zahlreichen blauen Flecken entkommen zu sein, betrachteten wir das ausgesprochen wilde Treiben vom sicheren Balkon und fühlen uns hoch oben gut aufgehoben. Dabei sein ist eben doch nicht immer alles.
"Lying Is The Most Fun A Girl Can Have Without Taking Her Clothes Off" lässt den Zuhörer staunen, was der junge Brendon Urie mit seiner Stimme nicht so alles anstellen kann. Da kann sich Ryan Ross in seinen blütenweißen Anzug werfen und im Scheinwerferlicht mit den Augen der Gästinnen um die Wette funkeln. Und Brent Wilson in der rechten Bühnenhälfte, die er in der knappen Stunde nur seltenst mal verlässt, noch so sehr seine eigene Party schmeißen und sich sämtliche Schweißtropfen von der Stirn zappeln: Alle Augen ruhen auf Brendon. Kein Wunder: Denn heißer wird’s an diesem Abend nicht. Und der Aufforderung "Let’s get this teen hearts beating faster/faster!" leisten an diesem Abend wohl alle Herzen Folge und keines Widerstand.
Immer wieder mal lässt die Band uns zur Ruhe kommen und durchatmen – wenn auch nie sehr lange. Und immer wieder mal setzt Brendon für einen Song seine Gitarre außer Betrieb und sich selbst ans Keyboard. Nicht selten hält das Publikum den Atem an spätestens bei der traumhaft schönen (leider nicht auf dem Album vertretene) Ballade, die Brendon im Alleingang vorträgt und immer wieder die beiden bedeutungsschwangeren Worte "Slow Motion" fallen lässt, trifft er auf der Klaviatur der Gefühle jeden Ton und auf diesem Wege auch mitten ins Herz.
Was man sich bei den Songtiteln nicht so recht zu Herzen nehmen wollte, lässt sich als herrlich platte Floskel allerdings auf das Konzert anwenden: In der Kürze liegt nämlich die Würze. Und scharf war an diesem Abend nicht nur Sänger Brendon Urie, der sich sicherlich ohne größeren Widerstand des Publikums, dafür aber unter umso größerer Euphorie seines schwarzen Rüschenhemdes hätte entledigen können.
Und jetzt: Ab unter die Dusche. Und gleich morgen in den Plattenladen.
Setlist
The Only Difference Between Martyrdom And Suicide Is Press Coverage / London Beckoned Songs About Money Written By Machines / Nails For Breakfast, Tacks For Snacks / Camisado / Time To Dance / Lying Is The Most Fun A Girl Can Have Without Taking Her Clothes Off / Intermission / But It's Better If You Do / I Write Sins Not Tragedies / I Constantly Thank God For Esteban / There's A Good Reason These Tables Are Numbered Honey, You Just Haven't Thought Of It Yet / Build god, Then We'll Talk plus Bonustrack
Aljana Pellny - myFanbase
14.05.2006
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Weitere Informationen
Veröffentlichungsdatum (DE): 04.05.2006Genre: Rock, Pop, Alternativ
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