Bewertung
Depedro, Calexico, Portugal. The Man

Depedro, Calexico und Portugal. The Man - Poolbar-Festival, Feldkirch

Das Poolbar-Festival, das dieses Jahr vom 3. Juli bis zum 16. August stattfindet, hatte letztes Wochenende ein ganz besonderes Schmankerl zu bieten: Mit Depedro als Vorband heizten zuerst Calexico mit ihrem Desert-Rock der Menge ein, um diese dann um Mitternacht den Herren (und Damen) von Portugal. The Man zu übergeben. Grund genug, eine 6-stündige Zugfahrt ins schöne Vorarlberg in Kauf zu nehmen...

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Es heißt ja immer, aller guten Dinge sind drei – so konnte mein drittes "Date" mit Calexico ja nur wundervoll verlaufen! Viel versprach ich mir auch schon von der Vorband Depedro, von der sich schließlich herausstellte, dass es sich hierbei nur um einen einzigen Mann namens Jairo Zavala handelt. Dieser Mann hat aber schon in der Vergangenheit mit Calexico zusammengearbeitet und mit ihrer Hilfe nun vor kurzem ein von allen Seiten hochgelobtes Debütalbum aufgenommen – das verhieß auf jeden Fall Gutes...

Mit einiger Verspätung betrat schließlich der kleine Depedro um 21:15 Uhr nur mit einer Gitarre bewaffnet die Bühne und wirkte noch etwas unsicher, als er im Alleingang ein paar Stücke (u.a. "La Llorona") zum Besten gab. Erst als nach und nach die gesamte Mannschaft von Calexico auf der Bühne eintrudelte und ihn musikalisch tatkräftig unterstützte, begann er, wie ein Glücksbärchi zu strahlen.

Nun konnte man schnell befürchten, dass das Ganze zu einer bloßen Aufwärmübung für den Hauptact werden würde – doch dieser hielt sich dezent, aber engagiert im Hintergrund und ließ den aufgekratzten Depedro ruhig machen. Sein Auftritt wurde dennoch erst ab der Teilnahme der Calexicaner so richtig rund – das lag aber daran, dass sich die Songs mit einer ganzen Begleitband einfach viel überzeugender weil kräftiger anhörten als mit einem einzigen Depedro und einer einzigen Gitarre. Und – was ebenfalls sehr positiv war – trotz eines am Schlagzeug gutmütig vor sich hin rumpelnden John Convertino und eines ins Mikro schmachtenden Joey Burns hatte man wirklich nie das Gefühl, Calexico zuzuhören – obwohl Depedros Stil genauso von Latino-Rhythmen, Kakteen, Bläsern und Wüstensound durchwoben ist, besitzt er dennoch seine eigene Note und klang kein einziges Mal wie eine billige Kopie seiner Vorbilder.

Weil aber auch eben diese von ihm beeindruckt waren, durfte der Mann mit den Kotletten, die aussehen wie ein Headset, gleich nochmal mit auf die Bühne, als gegen 22 Uhr endlich der Auftritt von Calexico losging. Als ich sie letzten Herbst in Wien sah, war ich zwar aus musikalischer Sicht völlig begeistert, aber Joey Burns' nicht vorhandene Fröhlichkeit hatte dem Ganzen dann doch einen kleinen Dämpfer verpasst. Diesmal war das völlig anders: Burns war kaum wiederzuerkennen und gefiel sich offensichtlich in der Rolle der (etwas ironisch dargestellten) Rampensau. Er tigerte begeistert herum, forderte das Publikum nach jedem Trompetensolo von Jacob Valenzuela zu einem gehörigen Applaus auf und ließ generell keine Gelegenheit aus, um die Menge zum Mitmachen zu animieren.

Dieser Enthusiasmus gepaart mit all den wunderbaren Songs, die Calexico im Laufe ihrer Karriere geschrieben haben, versprach einen denkwürdigen Abend – und das wurde er auch. Nach dem Einstieg mit "El Gatillo" ging es munter mit einer Mischung aus alten "Klassikern" und Songs vom letzten Album weiter – spätestens nach dem bejubelten "Minas de Cobre" hatte der letzte Tanzmuffel alle Bedenken über Bord geworfen. Jacob Valenzuela durfte (wie ich jetzt mal stark vermute) wie bei jedem Auftritt seinen persönlichen Song "Inspiracion" vortragen, was bei Joey Burns einmal mehr große Begeisterung hervorrief.

Nach einem auf Vordermann gebrachten "Crystal Frontier" (mit fast discomäßigem Einstieg und einer kleinen Hommage an Clashs "Guns of Brixton") gab es schließlich wirklich kein Halten mehr: Ich weiß nicht, wie sie das machten, aber von nun an fühlte sich jeder Song wie die größte Hymne an und wurde auch dementsprechend begeistert empfangen. Hatte die erste Hälfte des Konzerts noch sehr nach Wüste, lateinamerikanischen Einflüssen und gleißender Hitze gerochen, begannen Calexico nun einen eher straighteren, rockigeren Weg einzuschlagen: Sowohl "Two Silver Trees" als auch "Man Made Lake" mündeten in einem dichten, dröhnenden Schallgeflecht, "Letter To Bowie Knife" vom "Garden Ruin"-Album mutete fast schon wie eine radiotaugliche Poprock-Nummer an, machte aber deswegen nicht weniger Spaß.

Neben ihrem Live-Klassiker "Alone Again Or" durfte als Schlussteil natürlich "Guero Canelo" nicht fehlen – ein Stück, das mich jedes Mal wieder vom Hocker reißt und das man live einfach gesehen haben muss, weil der Wirbel und Rummel, den Calexico da auf der Bühne veranstalten, wirklich einzigartig ist. Nach soviel tollem Songmaterial und einem überraschend gesprächigen und gut gelaunten Joey Burns (der sogar brav ein paar Sätze auf Deutsch aufsagte) wäre der Abend eigentlich schon perfekt gewesen.

Aber, aber: Sogar die Zugabe hielt noch Überraschungen bereit – als nach dem üblichen Geschrei und Geklatsche nur Burns und Convertino auf die Bühne spazierten und zu zweit die dreckigste, rockigste Version von "Scout" hinlegten, die man sich nur vorstellen kann, konnte ich mein Glück kaum fassen. Immerhin ist dieser Song mein Klingelton, mein Weckruf in der Früh, einer meiner absoluten Calexico-Lieblingssongs und eben leider auf dem relativ unbekannten "Spoke" vertreten, von dem sie sonst so gut wie nie etwas spielen. Wunderbar!

Nach "Writer's Minor Holiday" und "Corona" war wie schon beim letzten Mal "Red Blooms" die Publikumsverabschiedungsnummer – meiner Meinung nach etwas unglücklich gewählt, da dieses Lied zwar wunderschön ist, aber ein Konzert irgendwie besser in Erinnerung bleibt, wenn es mit einem gehörigen Knaller aufhört.

In Anbetracht der Tatsache, dass aber das gesamte Konzert ein einziger Knaller gewesen war, war dieser kleine Schönheitsfehler natürlich kaum der Rede wert – eine sympathische Band in allerbester Stimmung mit einem begeisterten Depedro in ihrer Mitte, was will man mehr?! Nun, man will auch noch Portugal. The Man, wie mir um Mitternacht bewusst wurde...

Für das Portugal.-The-Man-Konzert stand erst mal ein kleiner Location-Wechsel am Programm: Das Poolbar-Festival findet in einem alten Hallenbad statt, und während Calexico und Depedro sich noch in einer normalen Halle die Ehre gegeben hatten, durften die Alaskaner tatsächlich in einem alten Schwimmbecken spielen. Das machte die Sache natürlich noch mal um eine Stufe interessanter und verlieh dem Auftritt das gewisse Etwas.

Recht interessant waren auch die Mitglieder von Portugal. The Man selbst: Sie wirkten wie ein wild zusammengewürfelter Haufen schräger Charaktere – und genauso klangen sie auch, aber im positivsten Sinne. Sänger John Gourley erinnerte von Weitem mit seiner Mähne und der Lederjacke an Dennis Hopper in "Easy Rider" nur mit längerem Haar, Bassist Carothers sah aus wie Jack Blacks kleiner Cousin, Schlagzeuger Sechrist mit seinem bunten Haarband ist entweder verspäteter Hippie oder MGMT-Fan, Keyboarder Neighbors würde glatt als Double von Napoleon Dynamite durchgehen und die zusätzliche Sängerin sah aus wie maximal 16.

Mit diesen Aspekten lässt sich auch gut die Musik und/oder der Auftritt beschreiben: Viel Psychedelisches, harte Gitarren, daneben ziemlich viel Blumiges aber auch Elektronisches, eine gehörige Portion Nerd und immer dieser für Portugal. The Man typische Chor. Ach ja, und John Gourley singt wie ein Mädchen. Ihre Musik lässt sich so rein gar nicht einordnen und ist ihr Schaffen schon auf CD gepresst eine einzige Reise durch ein Wunderland, so ist es dies auf der Bühne noch um ein Vielfaches mehr.

Bereits beim Opener "Church Mouth" versprühten sie so viel Energie, dass ich eine Zeit lang nur überwältigt dastehen und gucken konnte – jeder einzelne von ihnen bewegte sich wie in Ekstase und bearbeitete sein Instrument mit größter Hingabe, als ginge es darum, genau diesen einen Song zum Besten des Konzerts zu machen, nur dass das bei jedem Song so war. Dabei verschmolzen diese sich im Rhythmus der Musik bewegenden, manchmal sogar zuckenden Menschen zu einer fiebrigen Einheit, die es schaffte, trotz dieser Dynamik und scheinbaren Zügellosigkeit jedes Stück mit ungeheurer Präzision vorzutragen. Ganz großes Kino!

Mit ihrem neuen Album "The Satanic Satanist" im Gepäck vergaßen sie aber nicht, auch älteren Nummern genügend Tribut zu zollen. "Lay Me Back Down" versprach bereits zu Beginn ein echtes Highlight zu werden – generell ist es aber schwierig, von Höhen und Tiefen zu sprechen, da sich das ganze Konzert wie ein einziger irrer Trip durch eine kunterbunte Welt anfühlte, bei dem die Songs ineinander gestülpt und verschachtelt wurden und bei dem aus einem ausgelassenen Jam wie aus dem Nichts ein neuer Song geboren wird. "Bellies Are Full" war so ein Stück, das sich plötzlich majestätisch aus den Trümmern des vorangegangenen "New Orleans" erhob: Keyboarder Neighbors brauchte nur einen Sprung hin zu den Bongos machen und einen Augenkontakt später wirbelte der Song schon wie ein Sturm über die Köpfe der Zuhörer hinweg.

Und immer wieder dieser Chor, der jede Nummer begleitet und ihr die nötige Portion Leidenschaft, Verzweiflung und Gänsehaut-Potential verschafft – in bereits bewährten Nummern wie "1989" genauso wie in den aktuellen Songs wie "Do You" oder "Everyone Is Golden", die aber alle etwas geradliniger anmuteten. Das letzte Stück vor der Zugabe sowie die Zugabe selbst stammten vom ersten Album "Waiter: You Vultures!", das ich persönlich nicht kenne – aber besonders "Chicago" hinterließ gehörigen Eindruck, da es äußerst hart ausfiel und nochmal aus aller Energie gespeist wurde, die Portugal. The Man noch in petto hatten.

Nach dem Konzert hatte man die Unmenge an Eindrücken zu verarbeiten, die während des Auftritts auf einen eingeprasselt waren – umso faszinierender war dann die Erkenntnis, dass der Urheber all dessen, Frontmann John Gourley, so ziemlich die kleinste und dünnste Person ist, die man sich vorstellen kann. Auf den Bandfotos merkt man das so gut wie gar nicht und auf der Bühne konnte man es nur erahnen, weil die Gitarre verhältnismäßig groß aussah – aber als er anschließend mit einem Bier in der Hand durch das Publikum schlenderte (während seine Bandkollegen brav auf der Bühne zusammenräumten) und dabei auch noch reichlich schüchtern wirkte, konnte man kaum glauben, dass dieses schmächtige Bürschchen über solch ein Organ verfügt und imstande ist, ein ganzes Schwimmbecken voll Menschen in eine Art Rausch zu versetzen.

Fazit

Was für ein Abend! Calexico, die in absoluter Höchstform waren, und Portugal. The Man, die für mich spätestens nach diesem Auftritt zu den spannendsten Bands gehören, die es derzeit gibt, boten einen absolut traumhaften Konzertabend, wie man ihn nur selten erlebt.

Setlist: Calexico

El Gatillo / Roka / Bend In The Road / Victor Jara's Hands / Black Heart/Sunken Waltz / Minas de Cobre / Inspiracion / Crystal Frontier / Two Silver Trees / House of Valparaiso / Cruel/The News About William/Slowness / Man Made Lake / Letter To Bowie Knife / Alone Again Or / Fractured Air / Guero Canelo

Zugabe: Scout / Writer's Minor Holiday / Corona / Red Blooms

Setlist: Portugal. The Man

Church Mouth / One / Lay Me Back Down / And I / Sleeping Sleepers Sleep / The Sun / New Orleans / Bellies Are Full / People Say / My Mind / 1989 / Horse Warming Party / Do You / Everyone Is Golden / M80 the wolf

Zugabe: Chicago

Fotos

Fotos zu den Konzerten von Calexico und Portugal. The Man gibt es im Flickr-Photostream des Poolbar-Festivals.

Artistpages

MySpace-Profil: Depedro

CasadeCalexico.com

PortugalTheMan.net

Stephanie Stummer - myFanbase
24.07.2009

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