Bewertung
Dresden Dolls, R.E.M., Travis, Iron & Wine, etc.

Frequency 2008 - Salzburgring

Das Frequency-Festival, das vom 14. - 16. August stattfand, stand heuer unter keinem guten Stern: Neben den Unmengen Regen, der sich ab Freitag über das Gelände ergoss und alles in einen Sumpf verwandelte, waren auch mehr Sanitäter- und Rettungseinsätze denn je nötig.

Foto: FM4 Frequency Festival, 14. - 16. August 2008, Salzburgring - Copyright: myFanbase/Stephanie Stummer
FM4 Frequency Festival, 14. - 16. August 2008, Salzburgring
© myFanbase/Stephanie Stummer

Die traurige Liste geht aber über Unterkühlungen und dergleichen hinaus: Sonntagmittag entdeckte man in einem Zelt den Leichnam eines Mannes – man geht von einer Vergiftung durch Alkohol, Medikamente oder Drogen aus. Von zwei Vergewaltigungen ist in den Medien ebenfalls die Rede – und auch wenn solche Dinge nicht das erste Mal bei einem Festival geschehen sind, und es sogar beim Woodstock-Festival, das schließlich für jeden das friedlichste Festival schlechthin darstellt, Todesopfer gab, so hat es mich diesmal persönlicher berührt und die ganze Sache ein wenig skeptischer betrachten lassen.

Dabei schien am Anfang alles noch auf ein paar gemütliche Tage hinzudeuten – die Anreise gestaltete sich problemlos, das Wetter ließ kaum zu wünschen übrig und auch die Stimmung unter den Besuchern war ausgelassen und fröhlich.

Nachdem bis in die grauen Morgenstunden fröhlich gefeiert, gezecht und gelärmt wurde, beging man mit dem Donnerstag einen äußerst sonnigen, Sonnenbrand-verdächtigen Tag. Als erstes hatte man natürlich die Qual der Wahl, mit welcher Band man in das Festival starten sollte: Da es diesmal vier verschiedene Bühnen gab, die Race Stage, die Green Stage, die UK Weekender Stage (die gemeinsam mit dem gleichnamigen britischen Label ins Leben gerufen worden war) und die Open Stage, war die Auswahl natürlich riesig und die Wahl dementsprechend schwer.

Aus reiner Bequemlichkeit und Vorliebe für den Rasen fanden wir uns schließlich zu Beginn bei der Green Stage zu Reduce Speed Now ein – keine so gute Entscheidung, da deren 08/15-Punkrock beim einen Ohr rein und beim andern wieder raus ging. Anders war es dafür im Anschluss bei den Wombats auf der Race Stage: Gegen gutgelaunte Jungs mit zerwuschelter Frisur und niedlichem britischen Akzent hat man schließlich nie was einzuwenden, vor allem wenn sie sich ernsthaft Mühe geben, das Publikum mitzureißen – was ihnen bei ihrem Hit "Let's Dance To Joy Division" natürlich auch fabelhaft gelang.

Abgelöst wurden die Knaben von den We Are Scientists, die eine geradlinige, schnörkellose Show boten – schade nur, dass ich mit ihrer Musik bis auf ein paar Ausnahmen nicht so vertraut bin, sonst hätte ich an der Show bestimmt mehr Freude gehabt.

Freude und Vertrautheit gab es bei den Dresden Dolls dafür umso mehr: Amanda Palmer führte unglaublich charismatisch und mit bezauberndem Deutsch durch den Auftritt, versprühte soviel Energie wie die drei vorhergehenden Bands zusammen und verwunderte mit einer schrägen Version des 80er Songs "Eisbär" – was habe ich gelacht!

Danach ging es erst mal zurück zum Campingplatz, um dann nicht ganz so pünktlich zu Flogging Molly zurück zu sein. Einen Mangel an Stimmung und Unterhaltungswert kann man den Iren ja wohl kaum nachsagen – sie kriegen das Publikum jedes Mal, und wen würde es bei diesen Irish-Folk-Hymnen nicht im Tanzbein jucken?! Andererseits scheinen sich ihre Songstrukturen nicht merklich voneinander zu unterscheiden – tanzbar sind sie zwar alle, und die Kracher wie "Devil’s Dancefloor" sind halt noch eine Spur tanzbarer, aber der Abwechslungsreichtum hielt sich in Grenzen und meine Begeisterung ebenfalls. Flogging Molly haben schon mal mehr Spaß gemacht.

Als Vorletzte betraten Travis die Race Stage – und obwohl (oder gerade weil) neben mir von einer "Mädchenband" genörgelt wurde, hatte ich mich auf die sympathischen Schotten schon riesig gefreut. Und sie enttäuschten mich auch nicht: Sich mit großen Rockstarposen schmückend (bei denen einmal ein Mikro draufging), wirkte Frontmann Fran Healy dennoch immer wie der nette Junge von nebenan, ein wenig selbstironisch und sehr publikumsnah, was ich später bei R.E.M. fast ein bisschen vermisste. Neben den allseits beliebten Klassikern wie "Side", "Sing" oder dem unerlässlichen "Why Does It Always Rain On Me?" präsentierten Travis auch vorab schon ein paar Stücke ihres kommenden Albums, die für ihren gewöhnlichen Stil etwas härterer und experimentierfreudiger ausgefallen sind und sofort Lust auf mehr machten. Mein persönliches Highlight war aber ihre Version von "Flowers In The Window": Die gesamte Band versammelte sich um Healy und gab zu dessen Gitarre den Song zum Besten. So um ein Mikro versammelt wirkten sie beinah wie eine Schülerband, die sich für ein Gruppenfoto zusammenstellt – und sie selbst hatten den meisten Spaß dabei, Healy hatte teilweise Mühe, sich das Lachen zu verbeißen.

Damit war man für den ersten Festivaltag auch schon beim Headliner angelangt: Pünktlich um 23:20, ohne ihr Erscheinen zugunsten der Dramatik hinauszuzögern, erschienen R.E.M. auf der Bühne und legten passenderweise gleich mit "What’s the Frequency, Kenneth?" los. Die nächsten anderthalb Stunden wurde fast keiner ihrer großen Hits ausgelassen, insgesamt bedienten sie sich aber eher an Songs ihrer älteren (und zugegebenermaßen auch besseren) Schaffensperiode. Die Tatsache, dass sich der Kontakt zum Publikum in Grenze hielt, wurde durch die zusätzlichen Effekte und Einblendungen auf den Leinwänden wieder wettgemacht – diese unterstrichen ihre Musik noch zusätzlich und verliehen dem Auftritt einen besonderen Flair. Einen Höhepunkt bildeten natürlich "Losing My Religion", bei dem jede einzelne Textzeile vom Publikum begleitet wurde, und das abschließende "It’s the End of the World As We Know It".

Am Freitag begrüßte uns beim Aufwachen das stetige Prasseln des Regens – ein Geräusch, dass uns das restliche Festival über beinah ständig begleiten sollte. Aus diesem Grund konnten wir uns erst am späten Nachmittag dazu aufraffen, den Dirty Pretty Things einen Besuch abzustatten. Carl Barat war zwar der Libertine, der wenigstens anwesend war, aber den Funken konnte er nicht so richtig rüberbringen – auch wenn er sich auf der Bühne fast die Seele aus dem Leib rockte, ständig in Bewegung war und ihm sogar Adam Green einen kurzen, liebevollen Besuch abstattete.

Nachdem der Regen für vielleicht eine Stunde oder so ausgesetzt hatte, setzte er am Abend zum "Hauptabendprogramm" wieder unerbitterlich ein. Vorbei an den Hives auf der Race Stage, die ich schön langsam aber sicher mit ihrem penetrant großkotzigem Gehabe nicht mehr ausstehen kann, marschierten wir zur Green Stage, wo sich bereits Slut um ihr Publikum bemühten. Auch für diese konnte ich mich nicht so richtig begeistern, was man aber auch teilweise der unglücklichen Wetterlage zuschreiben kann – Gummistiefel und Regenjacke konnten dagegen auch kaum mehr was ausrichten. Diejenigen, die sich mit viel Kreativität einen Ganzkörperanzug aus Müllsäcken gebastelt hatten, hatten wahrscheinlich noch am meisten Schutz vor den Wassermassen.

Nach Slut folgte aber ein Auftritt, der so herzerwärmend und heimelig war, dass er mich für seine Dauer das Wetter vergessen ließ: Iron & Wine bezauberten ihr Publikum mit entspannten, locker in die Nacht gejammten Nummern von ihrem letzten Album "The Shepherd’s Dog". Die leicht jazzig angehauchte Musik und die ineinander verschmelzenden Stimmen von Sam Beam und der ihm zur Seite stehenden Sängerin ließen ihren Auftritt zu einem kleinen, feinen Highlight werden.

Adam Green hingegen gelang es nicht mehr ganz so gut, die Nässe und Kälte aus den Knochen seines Publikums zu vertreiben: Auf seine kauzige Art blödelte er sich durch den Abend, zerrte an den Nerven der Securitys und spulte nebenbei ein durchaus anständiges Programm seiner Songs ab. Einen kleinen Mangel an Gefühl und Engagement könnte man ihm dabei vorwerfen – als ob er sein dödelhaftes Verhalten schon komplett zur Routine gemacht hätte. Immerhin bewies er Mitleid und Solidarität mit seinen durchweichten Fans und schüttete sich gleich selbst eine Wasserflasche über den Kopf – "I wanna feel like you!"

Der Rückweg zum Zelt war wiederum beschwerlich - während man mit jedem Schritt tiefer im Schlamm versank, versanken neben den Wegen teilweise schon ganze Zelte im Matsch. Der Samstag begann ebenso wie der Freitag aufgehört hatte: Mit Regen.

Ein kurzer Stopp beim Parkplatz zeigte, dass auch dort die Lage nicht sehr gut war: Von den vielen Besuchern, die sich jetzt schon auf den Heimweg machen wollten, war so gut wie jedes Auto im Schlamm steckengeblieben – eine kleine Gruppe von Bauern der Umgebung war schon seit Stunden mit Traktoren im Einsatz, um Abschlepphilfe zu leisten.

Eine Sache, die später noch auf uns zukommen sollte – fürs Erste aber waren als Nächstes Get Well Soon geplant. Zu unserer Verwunderung spielten dort aber noch immer Itchy Poopzkid – wie wir erst später erfuhren, war durch die Absage einer anderen Band das ganze Programm verschoben worden. So machten wir uns enttäuscht auf zur Race Stage, wo gerade Julia ein unsäglich durchschnittliches Programm boten.

Nach ihnen betraten die Subways die Bühne, sprachen hübsch einstudiertes Deutsch, ließen nichts unversucht, um das Publikum zum Mitmachen zu bewegen (was ihnen bei den Temperaturen auch freudig gedankt wurde) und wirkten überhaupt sehr motiviert und begeistert. Besonders Charlotte Cooper konnte keine Minute still stehen und hüpfte die ganze Zeit wie ein Gummiball auf und ab und hin und her.

Nachdem in der Zwischenzeit tatsächlich der Regen aufgehört hatte, beschlossen wir, die Gelegenheit zu nützen und alles zusammenzupacken und im Auto zu verstauen, um dann pünktlich zu den Babyshambles wieder zurückzusein. Alles klappte wunderbar, wir fanden sogar relativ rasch einen Traktor, der uns aus dem Matsch zog, damit wir uns nicht mitten in der Nacht darum kümmern mussten.

Tja, das einzige, das nicht klappte, war – wie man nicht unschwer erraten kann – der Auftritt der von allen heiß erwarteten Babyshambles. Im Grunde hatte man ja sowieso damit rechnen müssen – mehr mit ihrem Nichterscheinen als mit ihrem Erscheinen. So wurde der Mythos um Pete Dohertys Person noch mehr gesteigert, und sowohl Kaizers Orchestra als auch die Dropkick Murphys durften ihre Auftritte verlängern.

An den Dropkick Murphys marschierten wir aber schnurstracks vorbei, um noch den Rest des Madsen-Auftritts zu sehen. Denen fraß das Publikum vor der Green Stage bereits aus der Hand – kein Wunder bei so einer sympathischen und witzigen Band.

Bevor wir wieder zurückgingen, um uns die Killers anzusehen, die man wegen den abwesenden Babyshambles um eine halbe Stunde vorverlegt hatte, sahen wir uns noch den Anfang der Show von Justice an. Als die beiden Franzosen von ihrem Altar mit dem leuchtenden Kreuz in die Menge winkten und diese ihnen frenetisch zujubelte und ihnen aus diversen Werbematerialien gebastelte Kreuze entgegenstreckte, da hatte man für einen Moment den Eindruck, sich unter einer Sekte zu befinden. Doch als die beiden dann kompromisslos loslegten, verwandelte sich die ganze Green Stage in eine riesige Party, die sich die Kälte aus den Leibern tanzte.

Drüben bei den Killers sah es schon wieder anders aus – genau wie letztes Jahr beim Nova Rock-Festival kann ich es einfach nicht nachvollziehen, wie man eine Band wie die Killers als Headliner ansetzen kann. Und genau wie letztes Jahr verschossen sie ihre Hits, von denen sie ja doch einige vorweisen können, viel zu früh, sodass ihnen (wie letztes Jahr) am Schluss nur noch "Mr. Brightside" übrig blieb. Von den neuen Songs des kommenden Albums wurde grade mal eines vorgestellt – am größten war meine Freude noch bei "Tranquilize", das Brendan Flowers jedoch ohne die Hilfe von Lou Reed auch etwas dünn erscheinen ließ. Apropos Sänger: Flowers schien sich wie letztes Jahr stark daran zu stoßen, auf der Videoleinwand zu erscheinen – wenn zufällig ein Bein von ihm auf der Leinwand erschien, war das schon eine Sensation. So kamen wenigstens die anderen Bandmitglieder voll auf ihre Kosten und wurden umso öfter eingeblendet. Ein Glück, dass so ziemlich jeder mit den Liedern der Killers vertraut ist – so störte man sich nicht so sehr an der fehlenden Chemie zwischen Band und Publikum und versuchte einfach, halbwegs textsicher mitzusingen.

Um halb eins verließen die Killers dann endgültig die Bühne und wir das Festival. Abschließend lässt sich vom Frequency 2008 sagen, dass meine Erwartungen nicht ganz erfüllt wurden – einerseits ist dies natürlich dem Wetter zuzuschreiben und dass dadurch meine "Bandausbeute" eher gering ausgefallen ist, andererseits liegt es auch daran, dass die tragischen Ereignisse, die im Nachhinein bekannt geworden sind, meinen Gefühlen noch einen weiteren Dämpfer verpasst haben. Aus musikalischer Sicht betrachtet, war der Reinfall aber nicht ganz so groß: Bands wie die Dresden Dolls, R.E.M., Travis oder Iron & Wine waren das Geld (und die Kälte) wert und waren als echte Bereicherung des Festivals anzusehen.

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Stephanie Stummer - myFanbase
21.08.2008

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