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30 Seconds to Mars

30 Seconds to Mars in Hamburg

30 Seconds to Mars brennen auf der Bühne ein anderthalbstündiges Feuerwerk ab! Davon hatte ich gehört, darauf hatte ich gehofft, aber das, was sich Dienstagabend im ausverkauften Hamburger Docks abspielte, hätte mich dennoch aus den Schuhen geworfen, wenn dafür in der Masse aus ebenso ekstatischen Fans Platz gewesen wäre.

Foto: Jared Leto, 30 Seconds to Mars, Hamburg - Copyright: Nicole Oebel
Jared Leto, 30 Seconds to Mars, Hamburg
© Nicole Oebel

Sorgte das Intro "O Fortuna" aus Carl Orffs "Carmina Burana" schon vor dem Erscheinen der Jungs auf der Bühne für einen steigenden Adrenalinspiegel, so erreichte er mit rasanter Geschwindigkeit den Anschlag, als Shannon Leto mit seinen Drumsticks das Tempo vorgab und die letzten Töne des Intros in die drängenden Takte von "A Beautiful Lie" übergingen, mit dem 30 Seconds to Mars ihre Show eröffneten.

Jared wirbelte von der ersten Sekunde auf der Bühne herum und drehte sich in manchen Passagen des Songs so schnell um sich selbst, dass einem vom Zusehen schwindelig werden konnte. Selten habe ich es bei Konzerten anderer Bands erlebt, dass der Funke bereits in diesen allerersten Sekunden derart auf das Publikum überspringt, denn obwohl es kaum Platz zum stehen oder auch nur Luft zum Atmen gab, unterstütze Jareds Zuruf im ersten Refrain "I wanna see everyone jump up and down!" bloß etwas, was eh bereits um sich gegriffen hatte. Die Menge sprang, tanzte und sang dabei auch noch jedes einzelne Wort von Anfang an so enthusiastisch mit, jede mögliche Erschöpfung aufgrund der langen Anreise oder Wartezeit beim Anstehen mancher Leute schien wie weggeblasen. Auch Tomo und Tim rockten, als ob es kein Morgen gäbe und sangen ebenso die meiste Zeit die kompletten Songtexte mit.

Mit "Battle of One" und "From Yesterday" jagte weiterhin ein Highlight das andere, und zu keiner Zeit brach die Energie der Band oder des Publikums ein. Jareds Stimme trug über den Publikumsgesang hinweg, so dass ich nie das Gefühl hatte, meinen Lieblingssänger zu wenig hören zu können. Ebenso klang der komplette Sound, den wir in der 3. Reihe Mitte hören konnten, für mich einwandfrei.

Es folgten "Savior", "R-Evolve" und "The Story", wobei Jared schon bald mit dem Publikum in Interaktion trat und den Gesang wieder und wieder an uns übergab. Was er dabei hörte, schien ihn zu freuen, denn er ließ die ca. 1.200 Konzertbesucher bald wissen: "I swear to god, it feels like there's 10.000 people outta here tonight and that's very cool!" Das erste besonders große Highlight des Abends widmete Jared den männlichen Konzertbesuchern und kündigte es als den ältesten Song der 30 Seconds to Mars-Geschichte an. "Fallen" wurde mit frenetischem Jubel als erstes Lied des Abends vom Debütalbum, dem Selftitled, begrüßt. Auch hier wurde jedes einzelne Wort mitgesungen, und es war deutlich zu spüren, dass die Fans diese noch lauteren, noch rockigeren Songs von 30 Seconds to Mars ebenso sehr lieben wie die aktuellen etwas weniger schwermütigen vom "A Beautiful Lie"-Album.

Danach gab es endlich eine Gelegenheit zum Durchatmen, denn als nächstes blieb Jared für sein Akustikset allein auf der Bühne zurück. Das Durchatmen bezieht sich in diesem Fall allerdings einzig darauf, dass nicht mehr gesprungen und getanzt wurde, aber jeglicher Atem der geholt wurde, wurde zu nichts anderem genutzt, als dazu, mit Jared die nächsten drei Glanzstücke mitzusingen. Zu allseitiger Freude begann er das Set mit zwei weiteren Songs vom ersten Album, "Oblivion" und "Edge of the earth", und hier hatte er zum ersten Mal an diesem Abend die Chance, seine Stimme weich klingen zu lassen. Die Songs klangen rund und voller Gefühl, so dass sich zwischenzeitlich eine richtige Melancholie ausbreitete. Allerdings nur, bis der nächste Jubelsturm losbrach.

Jared fing dann auch an, immer gesprächiger zu werden. So erzählte er uns, dass er ein neues deutsches Wort gelernt hätte, an das er sich aber nicht mehr erinnern konnte. Auch versprach er uns, nicht "Isch liebe disch!" zu sagen, weil doch jeder "Isch liebe disch!" sagen würde. Nachdem er es dann auf diese Weise schon 3x gesagt hatte, war ihm aber doch danach, es uns nochmal zu sagen: "Isch liebe disch!", was natürlich mit belustigter Begeisterung unsererseits quittiert wurde. Als er daraufhin ein Photo vom Publikum schießen wollte, fiel ihm das gelernte Wort wieder halbwegs ein, und er fragte: "What do say, käse, kay-see, kay-so?" Da hatte ihm offensichtlich jemand die Aufforderung zu lächeln, "cheese", wörtlich übersetzt.

Die melancholische Stimmung wurde fortgesetzt mit "Was it a Dream?", wonach Jared in den einzigen Song des Abends überging, bei dem nicht jedes Wort mitgesungen wurde. Hinterher erklärte er uns, dies sei ein "Old Blues Song" gewesen, den sein Großvater ihm beigebracht hatte. Der Menge ging das Herz auf, Jared aber fragte ganz bescheiden, ob er uns nicht gefallen hätte. Der Begeisterungssturm danach müsste ihn eigentlich vom Gegenteil überzeugt haben.

Während er uns dazu einlud, mit ihm den Anfang des Songs zu singen, der der Band den Durchbruch brachte, "The Kill", kamen Shannon, Tomo und Tim wieder zurück auf die Bühne und starteten in eine weitere energiegeladene Version dieser Hitsingle, die einen erneuten Freudenausbruch im Publikum auslöste. Shannon muss dabei das Letzte aus seinem Schlagzeug herausgeholt haben, so dass am Ende ein Techniker kommen und irgendwas reparieren musste. Jared quittierte dies mit einem liebevollen Seitenhieb auf seinen Bruder: "The Shanimal broke his entire kit, he was playing so hard!" und nutzte die verbleibende Zeit, eine ganz gewisse Hymne namens "Echelon" zu spielen, für die wir wahrscheinlich liebend gerne auch zwei kurzfristige technische Probleme in Kauf genommen hätten.

Was darauf folgte, stellte das bis dahin abgebrannte Feuerwerk noch einmal komplett in den Schatten. Mit "The Mission" und "Buddha for Mary", zwei phantastischen, knallenden Songs vom ersten Album, und "Attack", dem Opener von "A Beautiful Lie", ging es ins Finale des Abends, bei dem die gesamte Menge die Bodenhaftung verlor. Diese Energie und Leidenschaft, die Jared, Shannon, Tomo und Tim in diese Performance gelegt haben, war einfach überwältigend. Tomo zog es sogar in diesem Teil des Auftritts in die Mitte der Bühne, als Jared gerade woanders herumwirbelte, während Shannon bereits auch schon sein Shirt losgeworden war.

Verabschiedet hatten sie sich schon irgendwo zwischen diesen Songs, aber immer wieder fand sich die Band vor Shannons Schlagzeug zu kurzen Besprechungen wieder, und man hatte das Gefühl, dass nicht jeder dieser Songs im Laufe des Konzerts geplant gewesen war. Ist zumindest durchaus möglich, denn 30 Seconds to Mars verändern ihre Show von Abend zu Abend, Eintönigkeit und Schema F sind ihnen fremd. Plötzlich aber waren sie weg. Der Abend sollte zu Ende sein? Unmöglich! Einer von Jareds Lieblingssongs fehlte noch, und er sollte die Zugabe werden.

Als die Band wieder auf die Bühne trat, streckte Jared altbekannt seine beiden Zeigefinger in die Luft und lud das ganze Publikum ein, diese Geste, die die Zusammengehörigkeit der Mars-Family ausdrücken soll, gemeinsam mit ihm zu machen. Danach leitete er ins endgültige Finale über: "Do you live? Do you die? Do you bleed?", in immer schneller werdendem Rhythmus brüllten wir ihm diese Worte nach und in einer Explosion startete "The Fantasy" in einer spektakulären Version, in der Jared stimmlich nochmal alles aus sich und uns herausholte, und die kein Ende zu nehmen schien.

Sie nahm es aber doch, und ein gigantisches, atemberaubendes Konzert war vorbei. Damit sollte der Abend aber noch lange nicht vorbei sein. 30 Seconds to Mars hatten im Anschluss eine Autogrammstunde vorbereitet, und selbst als diese vorüber war, kamen Shannon und Tomo – mittlerweile war es 2 Uhr nachts - zu den draußen wartenden Fans und nahmen sich vor dem Tourbus gut gelaunt alle Zeit der Welt, jeden Autogramm- und Fotowunsch zu erfüllen. In Shannon erwachte dabei ebenso der Fotograf wie auch sein Faible dafür, anderen technische Geräte aus der Hand zu nehmen, und so schoss er alle Fotos, auf denen er selbst mit jeweils einem Fan zu sehen war, selbst. Tomo zog gleich und bemerkte scherzhaft, dass er dank des anhaltenden Blitzgewitters nun sicherlich um zehn Jahre gealtert sei.

Jared kam etwas später auch, bat uns aber sehr freundlich, Verständnis dafür zu haben, dass sie an die 11 Stunden Fahrt nach München denken müssten und wohl nie wegkämen, wenn auch er anfinge, Fotos zu machen und Autogramme zu geben. Er bedankte sich bei uns allen für den tollen Abend und verabschiedete sich mit einem "I love you, guys!" Für mein persönliches Glück hat das völlig ausgereicht. Als der Bus gegen halb 3 abfuhr, standen Jared und Shannon mit Videokamera in der Hand an der Bustür und filmten uns, und ich fand mich zum eigenen Erstaunen wieder, wie ich meiner Lieblingsband im Tourbus zum Abschied nachwinkte.

Setlist

Intro O Fortuna / A Beautiful Lie / Battle Of One / From Yesterday / Savior / New Song ("i will never forget") / The Story / R-Evolve / Fallen! / Oblivion (acoustic) / Edge of the earth (acoustic) / Was It A Dream (acoustic) / Old Blues Song (acoustic) / The kill (acoustic) / The Kill / Echelon (acoustic mit E-Gitarre) / The Mission / Buddha For Mary / Attack

Zugabe: The Fantasy (mit "We'll never fade away")

Nicole Oebel - myFanbase
09.05.2008

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