Bewertung
Muse

Absolution

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Die jungen englischen Alternativ-Rocker sind zurück. Nach "Showbiz" und "Origin Of Symmetry" steht nun mit "Absolution" ihr drittes Werk in den Läden. Aufgrund des megagenialen Vorgängers für mich also gleich 2 Gründe, das Ganze mal genauer zu inspizieren.

Das "Intro" könnte man als Aufmarsch in den Megasound sehen. Immer lauter werdend leitet es in die vom Piano unterlegten ersten Takte von "Apocalypse Please" und Matts Stimme steigt wie gewohnt dramatisch ein. "This is the end of the world", singt er und bei der Dramatik, die die Musik neben ihm aufbaut, glaubt man ihm das auch. Rückenhaare auf 90° aufgestellt, Aufgabe erfüllt!

"Time Is Running Out" ist wohl eine Verarbeitung einer gescheiterten Beziehung. Auch hier leidet man voll mit Matt thematisch nahtlos ins nächste Liebeslied (wenn man denn so will):

"Sing For Absolution" - "In only dream of you - and you never knew - Sing for absolution, I will be singing, falling from your grace" ...

Wer nicht bereits beim vorherigen Song den Fußboden nass gemacht hat, sollte spätestens jetzt eine Packung Taschentücher bereithalten. Und wer nicht berührt wird, sollte dringend seine Ohren und sein Herz überprüfen lassen, denn die Gefühle dringen hier förmlich wie ein Keil in Einen ein.

Das "Stockholm Syndrome" ist ein psychologisches Phänomen, das häufig bei Geiselnahmen auftritt - statt Hass und Furcht empfinden die Geiseln oft Zuneigung und Verständnis für die Entführer. Woher Kollege Matt davon weiß bzw. warum er sich bewegt fühlte, darüber einen Song zu schreiben, wird wohl sein Geheimnis bleiben. In jedem Fall ein beängstigender Song.

"Falling Away With You", ein weiterer Lovesong by Muse? Langsam wird's aber seicht, soviel Liebeskummer verträgt man ja nicht in einer Viertelstunde. Nicht ganz so laut, aber mindestens genau so viel Leid wie bei den vorherigen. Mutti, bring mir bitte eine frische Tempobox! Und jetzt genug davon, ich stürz mich gleich vom Balkon.

Das sinnlose "Interlude" wird spätestens beim zweiten Hören übersprungen, aber bloß nicht mehr als einmal auf den Vorwärts-Knopf drücken, sonst verpasst man den ÜBERSONG des Albums: "Hysteria". Textlich wohl am bisherigen Höhepunkt seines Leidens, ist Matt nun endgültig hysterisch und weint "I want it now, give me your heart and your soul" förmlich ins Mikro. Dass sein Herz implodiert ist eine wunderbare Abwechslung zum üblichen "Explode-Scheiß" der Popmusik, die Deutung bleibt jedem selbst überlassen. "Blackout" hebt sich vom bisher Gebotenem vor allem tempomäßig ab - langsame Streicher begleiten einen nur 12 Zeilen Text über … Na, wer errät das Thema? … Gut erkannt!

"Butterflies And Hurricanes" startet wie "Blackout" endet - langsam und von Streichern unterlegt, zieht aber ab der Mitte ordentlich an. Was, der will, dass ich mich ändere? F*ck you, I am, what I am! Endlich wieder ein Powersong! Nach zwei langsamen Songs braucht man wieder mal was auf die Ohren, das liefert "The Smallprint" definitiv. "I'm a priest god never paid" - der ganze Liebeskummer macht den armen Matt größenwahnsinnig.

Nach dem ganzen Herzschmerz kommt mit "Endlessly" endlich mal eine Liebesbekundung, in der Matt seiner Angebeteten sagt, dass er komme was wolle, immer für sie da sein wird. Endlich mal was für die neue "Kuschelrock", damit hätten wir dann auch den Mainstream befriedigt. "Thoughts Of A Dying Atheist" ist wohl der dramatische Höhepunkt eines überdramatischen Albums. "Are you afraid to die?" ist die Frage, die Antwort folgt dann im Chorus: "It scares the hell out of me - And the end is all I can see". Ohne Gott stirbt man nicht in Frieden, da man nichts vor Augen hat. Ob das in Zukunft von der Kirche adaptiert wird? Das würde wohl einige junge Leute in die leeren, kalten Räume locken. Was bleibt zusammenfassend zu sagen?

Wer die Nerven hat, MUSS dieses Album hören. Soviel Schmerz und Tiefe auf einem Tonträger findet man wohl selten, zumindest mit Sicherheit nicht in der vorliegenden Form! Meilenweit weg von Kuschelrock und anderem Mainstream-Gesülze singt Matt dramatisch wie kaum ein anderer, man versteht sein Leiden und man nimmt es ihm auch ab! Und die Musik tut das ihre dazu: Mal schnell und wütend-depressiv, dann wieder langsam und andächtig. Die Dynamik die hier verbreitet wird ist fast schon beängstigend. Bass und Stimme häufig verzerrt, die E-Gitarre bekommt Matts Qualen wohl am genauesten mitgeteilt, wer Muse auch schon live gesehen hat, weiß was ich meine, wenn ich sage: Ich möchte nicht Matts Gitarre sein, ich stehe zwar auf Schmerzen (sonst würde ich nicht Muse hören), aber das ist eine Überdosis Sadismus, die er seiner Gitarre zumutet.

Und Schluss, 5 Punkte, bessere Songs über Liebe (vor allem misslungene) gibt es nicht, das verdient 5 Punkte. Türen zu, Messer und sämtliches Suizidwerkzeug fest weg sperren, auf die Couch legen und hören und mitleiden. Geniales Werk.

Clemens - myFanbase

Tracks

1.Intro
2.Apocalypse Please
3.Time is running out
4.Sing for Absolution
5.Stockholm Syndrome
6.Falling away with you
7.Interlude
8.Hysteria
9.Blackout
10.Butterflies & Hurricanes
11.The small print
12.Endlessly
13.Thoughts of a dying atheist
14.Ruled by secrecy

Annika Leichner - myFanbase
06.07.2004

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