Bewertung
Modest Mouse

We Were Dead Before The Ship Even Sank

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Modest Mouse, die amerikanische Indie-Rock-Band mit Beinahe-Kult-Status hat gemeinsam mit dem auf jeden Fall schon Kult-Status erworbenen britischen Gitarristen Johnny Marr ein neues Album aufgenommen – bei soviel Kult und Prominenz vergisst man schnell, dass a) Marr sich genauso wie jeder andere auch in die Reihen von Modest Mouse einfügen musste und b) man sowieso vergeblich nach irgendwelchen Smiths-typischen Einflüssen sucht – da er sich halt eben nahtlos in das Band-Gefüge integriert hat.

Die Suche nach Tönen und Melodien stellt bei Modest Mouse aber ohnehin jedes Mal eine neue Mission dar – mit verbundenen Augen und komplett ahnungslos sticht man also in See, auf einem wackligen, quietschenden Schiff. Und schon beim dazu passenden Opener "March Into The Sea" verwandelt sich die See in ein tobendes Irgendwas und auf der Spitze der schäumenden Wellen tänzelt das Schiff von Modest Mouse: An Deck befindet sich allerdings kein Pirat, sondern Hexenmeister Isaac Brock – mit flatterndem Mantel, fahrigen Bewegungen und dem irrsten Lachen, das die Welt je gehört hat.

Diesem Treiben wird aber ein abruptes Ende gesetzt, als man sich mit "Dashboard" in nicht ganz so beunruhigende Gefilde begibt: Die erste Single-Auskoppelung hält, was sie verspricht, überzeugt mit eingängiger Melodie und weist sogar eine stärkere Hitqualität als "Float On" auf – macht zwar viel her, ist aber beinahe einen Tick zu gelungen.

Diese Kompaktheit legt sich wie ein kleiner Schatten auch über die anderen Stücke. Der unvergleichliche Stil der Band lässt sich zwar nicht unterkriegen, aber durchaus perfektionieren. Brock hat seine Stimme noch immer nicht unter Kontrolle, sie überschlägt und verheddert sich und geht grundsätzlich ihre eigenen Wege, die Instrumente funktionieren nach einem ähnlichen Schema und führen einen schrägen Reigen nach dem anderen auf – aber dennoch ist etwas ganz Wesentliches passiert: Jemand hat an den Ecken und Kanten von Modest Mouse herumgefeilt und weder mit Schleifpapier noch mit guten Absichten gespart – und dadurch eine weit weniger explosive Mischung geschaffen.

Ab und zu hat man Gott sei Dank auch ein paar Stellen übersehen: Beim famosen "Parting Of The Sensory" zum Beispiel, bei dem sich langsam wieder der Hexenmeister hervortut und sämtliche Opfer in immer wilderem Tanze um das Lagerfeuer jagt, bis ihm die Sache selbst zu unheimlich wird.

Oder bei "Little Motel", dessen Charakter sich zwar keine Kanten erlaubt, dafür aber mit Brocks stimmlichem Charme umso mehr besticht und seltsam beruhigend nach all der Hektik wirkt.

Mit ganz anderen Mittel fährt dagegen "Spitting Venom" auf: Die Band gibt sich mit einer Schunkel-Melodie betont unbeschwert und melodienverliebt, bis man dieses Bild für einen Moment lang unterbricht, um eine völlig andere Sicht der Dinge aufzuzeigen – dann erneut wieder losschunkelt, als ob nie was passiert wäre, und den Song letztendlich wieder ganz anders enden lässt, dabei aber nicht im Entferntesten das stimmige Gesamtbild zerstört.

Bei insgesamt drei Stücken werkelte auch James Mercer von den Shins gesangstechnisch am Gesamtbild mit – und zeigt sich bei "Missed The Boat" so inbrünstig, dass man kurz in Zweifel darüber gerät, welcher Band man nun eigentlich lauscht.

Modest Mouse können sich das allerdings erlauben, denn auch in gestutzter und abgerundeter Form beweisen sie, dass sie's drauf haben und sogar einen Song danach benennen können: "We've Got Everything" – und solange sie sich darauf nicht ausruhen und das Fass nicht zum Überlaufen bringen, wollen wir ihnen getrost zustimmen.

Anspieltipps

March Into The Sea

Parting Of The Sensory

Little Motel

Tracks

1.March Into The Sea
2.Dashboard
3.Fire It Up
4.Florida
5.Parting Of The Sensory
6.Missed The Boat
7.We've Got Everything
8.Fly Trapped In A Jar
9.Education
10.Little Motel
11.Steam Engenius
12.Spitting Venom
13.People As Places As People
14.Invisible

Stephanie Stummer - myFanbase
23.04.2007

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