Bewertung
Yeasayer

Amen & Goodbye

Als der liebe Gott das Talent für Ohrwürmer verteilte, stellten sich Yeasayer gleich drei Mal an. Weil sie danach blöderweise auch noch in den Trank mit den verbotenen psychedelischen Substanzen plumpsten, sind ihre Alben seit jeher ein Spielplatz, auf dem Elektronik, Worldmusic, Folk, Disco-Pop Psychedelic und 70ies Rock eine wilde Orgie miteinander feiern. "Amen & Goodbye" ist da zum Glück keine Ausnahme.

Foto: Yeasayer - "Amen & Goodbye" - Copyright: Mute Records
Yeasayer - "Amen & Goodbye"
© Mute Records

Gleich zu Beginn, als sich aus dem schwurbeligen Intro "Daughters of Cain" mit voller Wucht "I Am Chemistry", das wahrscheinlich abgefahrenste Stück des Albums, erhebt, kann man es kaum fassen, wie wenig diese Musik von dieser Welt zu sein scheint – und man kann kaum still sitzen bleiben, weil Melodie und Gesang zu verführerisch, vertrackt und verrucht sind. Man ahnt: Das ist dann der Moment, bei dem live auf Anspannung das ultimative Ausrasten folgt, wenn Chris Keating über diesem spacigen Soundteppich wie ein junger Gott zum Gesang anhebt. Noch einen Tick schräger wird das Ganze durch Gastsängerin Suzzy Roche, die auf diesem wie auch auf anderen Tracks einen lieblichen, beinahe kindlichen Gesangspart beisteuert.

Auf dieses Psychedelic-Pop-Monstrum folgt mit "Silly Me" ein unwiderstehlicher, tanzbarer Pop-Song, der gut und gerne schon jetzt den Titel "Ohrwurm des Jahres" verdient. In den ersten paar Hördurchläufen von "Amen & Goodbye" nimmt man vor allem dieses Verschmelzen von verführerischem Pop-Sound und intelligenten, bis ins letzte Detail durchdachten Songstrukturen wahr. Wie ein Kind auf dem Jahrmarkt, das nach dem Ponyreiten auch noch Zuckerwatte spendiert bekommt, klatscht man verzückt in die Hände, wenn die Liste der perfekten Pop-Nummern mit "Dead Sea Scrolls" und "Gerson's Whistle" immer länger wird.

Dass Yeasayer, obwohl sie den Kopf voll Elektropop-Flausen und eingängiger Melodien haben, auf "Amen & Goodbye" auch in der Tradition von Pink Floyd und "Sgt. Peppers" musizieren, nimmt man erst auf den zweiten Blick bewusst wahr. "Half Asleep" (einmal mehr mit der großartigen Suzzy Roche), "Prophecy Gun" (biblische Anspielungen treffen auf John-Lennon-Gedächtnisgesang) und "Divine Simulacrum" fügen ihrer Soundpalette verquere Hippie-Folk-Momente, hypnotisierenden 60ies-Psychedelic und die Kunst des mehrmaligen stilistischen Hakenschlagens innerhalb eines Liedes hinzu. Dass dazwischen auch noch Songfragmente eingestreut werden, wie zum Beispiel "Child Prodigy", das nur eine Minute dauert und aus Cembalo-Tönen und Geklatsche besteht, mag für manche zu viel der Abgedrehtheit und künstlerischen Berechnung sein.

Sich tatsächlich den Lyrics zu widmen, die man in vielen Fällen schnell als bewusst zweideutig gehaltene, intellektuelle Wortspiele ohne wirklich persönlichen Bezug abstempelt, fällt einem erst ein, wenn man "Silly Me" schon längst auswendig mitsingen kann. Dass der persönliche Bezug sehr wohl vorhanden ist, zeigen "Uma" und "Cold Night". Das sanfte, sehr beatle-eske "Uma" ist eine Liebeserklärung an die kleine Tochter von Anand Wilder ("Hope I till can make you smile / When I get to be senile", "I'll miss you when you're grown up"); "Cold Night", eigentlich einer der geradlinigsten, eingängigsten Songs des Albums, behandelt auf berührende Art und Weise den Selbstmord eines Freundes: "Was there something I could have told you / To carry you through the cold night" und "Was there nothing sacred you could hold onto" heißt es im Refrain, "To my daughter you'll be an ancient memory / If we even mention you at all / It's too scary, it's too scary" bringt man gegen Ende hin auch noch die kleine Uma ins Spiel. Auch diese Seite von Yeasayer kennenzulernen, tut gut – so erscheint einem "Amen & Goodbye" nicht nur als ein komplett von vorne bis hinten durchgestyltes Gesamtkunstwert.

Fazit

Yeasayer schaffen es einmal mehr, unkaputtbare, intelligente, sexy Ohrwürmer zu schreiben, die gleichzeitig wie kleine Kunstwerke wirken. So nebenbei wühlen sie ordentlich in der Genre-Schatzkiste und erschaffen eine spannende, anspruchsvolle Mischung aus Pop, Elektro, Psychedelic und Rock und allem, was irgendwie dazwischen liegt. Dass bei so viel Vielfalt und vor allem Detailversessenheit manchmal der rote Faden verloren geht, lässt sich nicht vermeiden – mit den passenden Ohrwürmern für den kommenden Sommer ausgestattet, macht es aber unglaublich viel Spaß, ihn zu suchen.

Anspieltipps
I Am Chemistry
Silly Me
Gerson's Whistle
Cold Night

Artistpage
Yeasayer.net

Tracks

1.Daughters of Cain
2.I Am Chemistry
3.Silly Me
4.Half Asleep
5.Dead Sea Scrolls
6.Prophecy Gun
7.Computer Canticle 1
8.Divine Simulacrum
9.Child Prodigy
10.Gerson's Whistle
11.Uma
12.Cold Night
13.Amen & Goodbye

Stephanie Stummer - myFanbase
15.05.2016

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