Bewertung
Anastacia

Resurrection

Man kennt Anastacia. "I'm Outta Love", "Paid My Dues" und "Left Outside Alone" - alles Songs, die Menschen zwischen 20 und 70 mitsingen können. Ihr letzter Hit, das Duett "I Belong To You mit Eros Ramazzotti, liegt nun allerdings schon acht Jahre zurück. Auch wenn es zwischenzeitlich zwei weitere Alben gab, sie auf Tour und in Castingshow-Jurys zu sehen war - so richtig angekommen ist die Sängerin im aktuellen Jahrzehnt noch nicht. Mit den ersten eigenen Liedern seit sechs Jahren hat sie jetzt genau das vor.

Foto: Anastacia - "Resurrection" - Copyright: BMG Rights Management
Anastacia - "Resurrection"
© BMG Rights Management

Dafür holte sie sich die Songschreiber und Produzenten zurück, die die erfolgreichsten Singles aus ihren ersten zwei Platten kreierten. Schon mal verheißungsvoll. Das zweite Drittel an Songs stammt von Jamie Hartman, mit dem sie vor fünf Jahren das wunderschöne "Stalemate" sang. Auch nicht schlecht. Und das letzte Drittel schrieb die 45-jährige Sängerin mit Leuten, die zum Beispiel John Legends "All of Me", Beyoncés "If I Were a Boy" und "Trouble" von Pink schufen. Da müsste doch eigentlich ein tolles Comebackalbum rausgekommen sein.

Und es beginnt tatsächlich vielversprechend. Nur vom Klavier begleitet singt Anastacia eine melancholisch-dramatische Melodie – auch auf ihrem dritten Werk bediente man sich oft diesem Stilmittel. Dann setzen die weiteren Instrumente ein, allen voran die hämmernden Drums, und der Refrain beginnt. Und der geht sofort ins Ohr. Mit jedem Refrain singt die 1,57m kleine Lady mit der großen Stimme noch kräftiger und mächtiger. Ein starker Opener.

Es folgt mit "Lifeline" eine Ballade, auf deren bittersüßen Text man genau achten sollte. Die Frau, die mit Morbus Crohn, einer Herzrhythmusstörung und Brustkrebs wahrlich schon genug körperliche Leiden hat und hatte, erhielt während der Aufnahmen für dieses Album abermals die Brustkrebsdiagnose. In diese Situation hinein schreit sie mit "Lifeline" nach Hoffnung: "Show me some light cause I got nothing left in me tonight. If I don't go, if I say no - is it the end?" Da kann man sich vorstellen, wie schlecht es der immer so stark wirkenden Sängerin ging und wie schwer ihr die Entscheidung zur doppelten Mastektomie gefallen haben muss. "Stay" sorgt ebenfalls für Gänsehaut – durch Zeilen wie "No one tells us how easily we bruise and while we try to understand live is making other plans, but I'm gonna stay. Somewhere there's an angel saying stay. I need someone to tell me, I'm too hard to break. I'm not ready to go just yet" und der ausnahmsweise sehr zerbrechlich wirkenden Stimme Anastacias, deren Kloß im Hals nach Erfahren der Diagnose fast zu hören ist.

Jene persönlichen Lieder sind die stärksten von Studioalbum Nr. 6. Vielleicht hätte man auch eher "Lifeline" oder "Stay" als erste Single bringen sollen und nicht "Stupid Little Things". Das ist zwar ein schön treibender Power-Song, als solcher auch durchaus radiofreundlich, aber es ist eben kein Kracher wie "Left Outside Alone" oder "Sick And Tired". Und daran messen die Leute die Sängerin aus Chicago vermutlich. So kletterte der Titel auch nur auf Platz 38 der deutschen Singlecharts – selbst "I Can Feel You" aus dem viel kritisierten "Heavy Rotation" war erfolgreicher. Vielleicht erinnert die Hörer der Refrain auch zu sehr an den "And I wonder if you know, how it really feels to be left outside alone, when it's cold out here"-Part ihres größten Hits – immerhin kann man diese Zeilen so auch über den Refrainbeginn der neuen Single singen. Zumindest hat der Track eine schöne Botschaft, die Miss Newkirk wie folgt erklärt: "Es geht darum, zu versuchen nicht alles zu überdenken und es nicht größer zu machen als es ist. Es heißt für mich: Konzentrier' dich nicht auf den Kleinkram!"

Wie ihre Krankheitsgeschichte sie als Mensch gezeichnet hat, besingt sie anschließend: Sie sei ein dunkel-weißes Mädchen, das ihrem eigenen Schicksal nicht entfliehen kann und irgendwo zwischen Glauben, Verzweiflung und Galgenhumor lebt. Ein Text, der viel erahnen lässt, und durch melancholische Strophen und freundlicheren Chorus passend umgesetzt wird. Auch der Midtempo-Song "Evolution" erzählt von ihren persönlichen Erfahrungen, von Veränderungen und Kämpfen. Mit seinen technisch bearbeiteten Backgroundvocals und den deutlich aus dem Computer kommenden Beats erinnert er sehr an so manches von "Heavy Rotation". Da hätte die Sängerin mit 30 Millionen verkauften Exemplaren schon merken müssen, dass sie sich das hätte sparen können. Das darauf folgende "Pendulum" ist eigentlich gerade im Refrain sehr nett, nervt aber durch x-faches Wiederholen des Titelwortes.

"I Don't Want To Be the One" und "Apology" sind großartig gesungene Balladen für die nächste "KuschelRock"-Ausgabe, im ersteren Fall mit Fokus auf große Streicher, im anderen eher akustisch gehalten. Und auch wenn "Broken Wings" gerne weniger elektronische Soundcollage und mehr rohes Rockballadenfeeling gut getan hätte, stimmlich ist Anastacia Lyn Newkirk einfach eine Granate, hat unheimliche Präsenz.

Fazit

So kennt man Anastacia: Mit souliger Stimme und dunkler Rock-Attitude singt sie ihre Lieder und packt dabei ganz viel Leidenschaft, Spaß und Gefühl in sie hinein. Dass einige Texte so wie auf ihrem erfolgreichsten Album "Anastacia" deutlich persönlichen Hintergrund haben, tut jenen Liedern sehr gut. Als immer Kämpferin lieben wir sie doch. Mehr davon wäre noch besser gewesen. Mehr persönliche Erfahrungen, mehr Tiefe, und das dann handgemacht arrangiert - dann hätte das Comeback die abermals auferstandene Künstlerin vielleicht sogar auf dem Niveau ihrer ersten drei Scheiben ankommen lassen können.

Anspieltipps

Staring at the Sun

Lifeline

Stupid Little Things

Stay

Artistpage

Anastacia.com

Tracks

1.Staring at the Sun
2.Lifeline
3.Stupid Little Things
4.I Don't Want To Be the One
5.Evolution
6.Pendulum
7.Stay
8.Dark White Girl
9.Apology
10.Broken Wings

Micha S. - myFanbase
25.05.2014

Diskussion zu dieser CD