Bewertung
Deichkind

Befehl von ganz unten

Nach vier Jahren und einem schweren Band-internen Schicksalsschlag ist die Hamburger Kultband Deichkind, bestehend aus den Bandmitgliedern Kryptic Joe, Ferris Hilton, DJ Phono und Porky wieder mit einem neuen Album am Start und erobert gleichzeitig auch wieder die großen Bühnen Deutschlands, um mit ihren Fans eine riesen Party zu feiern.

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Die Hamburger Hip-Hop- und Electro-Formation Deichkind veröffentlichte im Jahr 2006 eine Single, die bis heute auf jeder guten Party gespielt wird und die die Kraft besitzt jede schlechte Party in letzter Sekunde noch zu retten. Die Rede ist natürlich von dem Partyburner Remmidemmi "(Yippie Yippie Yeah)", welcher Deichkind auch außerhalb der Hip-Hop- und Electro-Szene bekannt machte. Ein zweiter ganz großer Hit folgte zwei Jahre später mit dem programmatischen Titel "Arbeit nervt!": Deichkind war nun endgültig Kult. Im Jahr 2009 musste die Band dann einen schweren Schicksalsschlag verkraften, als der Produzent der Band Sebastian Hackert mit nur 32 Jahren verstarb. Danach wurde viel spekuliert, ob der Tod von Hackert auch das Ende von Deichkind bedeuten wird. Die Band entschloss sich aber weiter zu machen und so erschien nun vier Jahre nach dem letzten Deichkind Album "Arbeit nervt!", die neue Platte "Befehl von ganz unten".

Auf diesem neuen Album bleibt sich die Band absolut treu und liefert einen irren Mix aus Sprechgesang, unterlegt mit schrillen-wahnwitzigen elektronischen Sounds. Leider strapaziert die Band mit den inflationären Gebrauch von Synthesizern die Ohren des Zuhörers das ein oder andere Mal gehörig und so entsteht ein Album, das mit herrlich ironisch-witzigen Texten aufwarten kann, in der musikalischen Umsetzung aber leider nur selten wirklich überzeugen kann.

Schon das kurze Intro gibt den Ton der Platte vor: Hier bekommt der Ausdruck elektronisches Geschrammel eine völlig neue Bedeutung. Und das herumexperimentieren mit den Möglichkeiten elektronischer Musik setzt sich auf dem gesamten Album konsequent weiter fort. So lässt das erste richtige Highlight auch erst mal auf sich warten, doch mit Track vier "Leider geil (leider geil)" gelingt der Band der erste Song, bei dem sowohl textlich, als auch musikalisch der schiere Deichkind-Wahnsinn am besten zur Geltung kommt. Textzeilen, wie "Ich kann gar nichts sehen - alles dunkel, doch Sonnenbrille im Club is - leider geil" machen einfach Spaß und laden gleichzeitig zum Tanzen ein. Auf diesen Track folgt dann mit "Der Mond" ein weiterer Track, der zu den besten des Albums gehört und bei dem die Band das einzige Mal auf dem Album wirklich melancholisch wird und mit Textzeilen, wie "Ich will hier weg. Ich muss hier raus. Denn diese Welt ist traurig, dreckig und laut", sogar fast schon emotional berührt.

Das absolute Highlight des nun mehr sechsten Deichkind-Albums ist aber Track sechs "Illegeale Fans", bei dem sich die Band auf ihre Art mit der Raubkopie-Problematik auseinandersetzt und das klingt dann so: "Das hier ist kein Klingelstreich, das ist Anarchie Fuck Saturn und Media Markt, euer Kaufhaus müffelt. Wir schließen eure Tore zu und schlucken dann den Schüssel".

Nach diesen drei überaus gelungenen Tracks sinkt die Qualität des fünften Deichkinds Album dann leider aber beträchtlich. "Partnerlook" ist ein Track, der insgesamt absolut belanglos ist und überhaupt nicht im Ohr bleibt, "Bück dich hoch" überzeugt dann zumindest mit einem cleveren Text, der moderne Arbeitsbeziehungen zum Thema hat und thematisch sehr dem Deichkind-Klassiker "Arbeit nervt!" ähnelt. Mit "Egolution" und "Pferd aus Glas" folgen dann zwei Tracks, die kaum im Gedächtnis bleiben und bei dem der Mix aus Electro und Hip-Hop keine wirklich homogene Einheit bildet. Für den abschließenden Track des Albums hat sich die Band dann noch was ganz besonderes einfallen lassen und ist eine Kooperation mit der Punkband Slime eingegangen. Herausgekommen ist ein Track, der sich stilistisch positiv von den anderen elf Tracks abhebt und das Album mit genau dem richtigen Titel schwungvoll abschließt.

Fazit

Zusammengenommen bietet das neue Deichkind Album vier wirklich starke Songs, die restlichen können ihre Wirkung auf dem Album noch nicht richtig entfalten und werden dann wohl erst auf der Tour der Band ihre Stärken unter Beweis stellen, denn Deichkind ist einfach eine Live-Band, deren Genialität auf Tonträgern nicht so richtig zur Geltung kommt. Deshalb passt diese Textzeile abschließend wohl auch ganz gut: "Die Platte von Deichkind war nich' so mein Ding, doch ihre Shows sind - leider geil."

Anspieltipps

Leider geil (Leider geil)

Der Mond

Illegale Fans

Die rote Kiste

Artistpage

Deichkind.de

Tracks

1.Tetrahedon
2.99 Bierkanister
3.Befehl von ganz unten
4.Leider geil (Leider geil)
5.Der Mond
6.Illegale Fans
7.Partnerlook
8.Bück dich hoch
9.Egolution
10.Pferd aus Glas
11.Der Strahl
12.Die rote Kiste

Moritz Stock - myFanbase
28.02.2012

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