Bewertung
Mary J. Blige

My Life II... The Journey Continues (Act 1)

Im Dezember 2009 erschien "Stronger with Each Tear". Dessen zwei Singles schafften es nicht mal in die Top 50 der US-Charts. Ups. Und vom Album an sich wurden dort bis heute nicht mal eine Million Exemplare verkauft. Doppel-Ups. Das gab's noch nie in Mary J. Bliges Karriere. Was macht man da? Neues Album, neuer Versuch? Vielleicht auch eine Neuausrichtung?

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Im August 2010 gab's die Info, dass Mary an einer neuen Platte arbeite. Ein halbes Jahr nach der letzten – das ist schnell. Einen Monat später erzählte die Sängerin dann, das neue Teil würde eine Art 2012er "What's the 411?", also eine moderne Version ihres preisgekrönten und mehrfach mit Platin ausgezeichnetem Debüts. Benannt wurde ihre zehnte Platte nun nach ihrem Zweitling "My Life", das "Rolling Stone" und "Time" sogar zu den 500 bzw. 100 besten Alben aller Zeiten rechnen. Beide Alben waren weniger Wegweiser als vielmehr Begründer des "Hip-Hop Souls", dem dann auch Leute wie Aaliyah, Beyoncé, Monica oder Ashanti zuzurechnen waren.

Dieser R'n'B-Sound wurde mit den Jahren jedoch immer poppiger und dance-orientierter – siehe Rihanna, Usher oder Ne-Yo. Was Queen Mary mit "My Life II" nun vorhat, ist, kräftigen Soul wieder mit markanten Beats und Samples zu koppeln, ohne (wie teilweise auf dem Vorgänger und in drei der vier Deluxe-Zugaben) zu elektronisch rüber zu kommen. Auch zu erwachsen (wie auf manchen Platten zuvor) will sie nicht mehr klingen. Sie will Spaß haben und machen, ohne dabei zu sehr Mainstream zu werden. Sie will langlebige Qualität abliefern, ohne mit 70er-Zitaten in der Neo-Soul-Ecke zu landen. Ihre "Neuausrichtung" ist also eher eine Rückkehr zu ihrem alten Ich mit dem Anspruch, dieses in die heutige Zeit zu transportieren. Ähnliches hatte auch Whitney Houston mit "I Look to You" vor, war dabei aber leider nur bedingt erfolgreich.

Anders die acht Jahre jüngere Mary Jane Blige. Sie und ihre Horde an Produzenten schaffen es, alt und neu gekonnt zu verbinden – und das nicht nur durch die Rückkehr ihres zuletzt vor sieben Jahren genutzten Schriftzugs auf dem Cover oder ihr Styling auf den Fotos, das schwarze und goldene Klamotten neben dicken Klunkern und Hüten modern aussehen lässt. In 18 Titeln (der Deluxe-Ausgabe) zitiert sie Vergangenes über neuen Sounds. "24/7" wird zu "25/8", Puff... äh... Diddy darf wie damals per Telefon vorbeischauen (und nebenbei so was wie die Rechtfertigung für diese Fortsetzung liefern) und Chaka Kahn wird knappe 20 Jahre später erneut gecovert. Außerdem gibt's wie so oft einen Filmsong (aus "The Help"), Kollaborateure aus den ersten Jahren (Busta Rhymes, Nas) dürfen genauso vorbeischauen wie solche der letzten (Drake, Lil Wayne) und, ach ja, sie selbst rappt sechs Jahre nach ihrem letzten Verkaufsschlager "The Breakthrough" auch mal wieder. Retro ist das aber nicht und das ist gut so. Es ist eher eine Huldigung, eine Hommage an sich selbst, einige ihrer Mitstreiter und sicher auch die Fans.

Bewährte Zutaten, über deren Rückkehr sich Liebhaber sicher freuen, aber ohne zu aufdringlich eingesetzt zu sein, kombiniert mit den üblichen Stärken also – ausdrucksstarke, fast atemberaubende Vocals der New Yorkerin, stampfende Beats, griffige Raps, Soul bringende Samples; mal tanzbar und energisch, mal smooth und mid-tempo, und dann gibt's natürlich auch ein paar balladeske, langsamere Tracks. Wirklich herausragen tut dabei kein Track; "My Life II" ist eher ein flüssiges, in sich stimmiges und der 40-jährigen auf den Leib geschriebenes Album – das heißt gut durchdacht und aufgebaut. Als Beinahe-Konzeptalbum mag das für die einen wunderbar funktionieren; wer Überhits sucht, wird allerdings enttäuscht werden. In der Wertung will ich fehlende Highlights einerseits bemängeln, andererseits die Scheibe ebenso als bewusst runde Sache nicht missverstehen.

Fazit

Während "Stronger with Each Tear" mit zwei Club-Stampfern und zwei Schmachtfetzen unter'm Strich nicht ganz so viel vorzuweisen hatte, kann "My Life II" tatsächlich als Wiederbelebung des Hip-Hop-Souls überzeugen. Damit erhält das Update nur bedingt den Stempel des Sich-selbst-Kopierens der Verkäufe willen, sondern ist im Gegenteil hörens- und liebenswerter als die zwei letzten Werke der Queen of Hip-Hop-Soul und künstlerisch definitiv eine zu würdigende Genre-Leistung, Singlehit-Lieferant wie gesagt aber nicht. In den Top 100 der US-Charts landete daher bisher auch keine Singleauskopplung – ob "Act 2" dieses Sequels das ändern wird und damit vielleicht ein ähnlich bahnbrechendes Album wie der Titelgeber wird, bleibt abzuwarten. Mehr wissen wir vielleicht schon im Mai 2012.

Anspieltipps

Feel Inside

25/8

Love a Woman

Need Someone

Someone To Love Me (Naked)

Artistpage

MaryJBlige.com

Tracks

1.Intro
2.Feel Insidefeaturing Nas
3.Midnight Drivefeaturing Brook Lynn
4.Next Levelfeaturing Busta Rhymes
5.Ain't Nobody
6.25/8
7.Don't Mind
8.No Condition
9.Mr. Wrongfeaturing Drake
10.Whyfeaturing Rick Ross
11.Love a Womanfeaturing Beyoncé
12.Empty Prayers
13.Need Someone
14.The Living Proof
15.You Want This
16.This Love Is for You
17.One Life
18.Someone to Love Me (Naked)featuring Lil Wayne & Diddy

Micha S. - myFanbase
20.12.2011

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