Bewertung
Victorian Halls

Charlatan

Tony Brummel und sein Label Victory haben in den letzten Jahren einiges durchgemacht: Von einer Institution des amerikanischen Hardcores verwandelte Brummel sein Label in eines das den Trends der letzten Jahre hinterher rennt.

Foto: Copyright: Victory Records
© Victory Records

Zwar hat das Label mit Comeback Kid, Between the Burried And Me und auch The Tossers durchaus noch großartige Acts im Roster, aber die Signings der letzten Jahre sind fast alle mehr als Fragwürdig. In letztere Kategorie fallen auch die aus Chicago stammenden Victorian Halls, die mit "Charlatan" ihr Debüt auf Victory vorlegen.

Dabei fängt die Platte gar nicht so übel an: die ersten 16 Sekunden von "Girls Kiss Girls" sind durchaus gelungen, das Wurlitzer schön schief und der Gesang angenehm, als der Song dann aber ausbricht und das Intro vorbei ist, setzt dann doch Verwunderung ein: Sind das nun Victorian Halls oder machen hier die Blood Brothers einen auf Cobra Starship?

Vocals und Instrumentierung erinnern frappierend an die Blutsbrüder aus Washington zu Zeiten von Crimes. Nun ist klar das man Bands nun mal ihre Einflüsse anhört und auch Huldigungen an die eigenen Idole sind ja nichts verwerfliches, aber was Victorian Halls hier abliefern ist mehr Diebstahl geistigen Eigentums denn Huldigung.

Die Ähnlichkeiten beim Gesang sind sogar so stark, dass es selbst Fans der Blood Brothers schwer fallen dürfte, den Unterschied zu hören. Für Sänger Sean Lennart ist dies besonders bedauerlich, da er dadurch bei den meisten Hörern wohl auf ewig der Typ bleiben wird der wie der Kerl von den Blood Brothers klingt.

Im Verlauf des Albums wird der Hörer dann mit weiteren durch den Dance-Fleischwolf gedrehten Post-Hardcore Stücken bedient, die bei einigen wahrscheinlich sogar die Lust zu Tanzen fördern dürften, bei Freunden guter Rockmusik dürfte allerdings wohl eher das Verlangen den Aus-Knopf zu drücken überwiegen.

Wo die Blood Brothers ihre Songs mit wahnsinnigen Ideen spickten und das Ganze mit abstrakter, grotesker aber immer interessanter Lyrik garnierten, herrschen auf diesem Album Ideenarmut, Wiederholung und stumpfe Texte vor.

"Black Maria" hat dabei an sich sogar Single- und Hitpotenzial, ist der Song doch eine epische Nummer im Fahrwasser von Bands wie MGMT und eben der Blood Brothers, allerdings so stark auf Hit getrimmt, dass es an jeglicher Spontaneität oder Kraft fehlt.

Die nervigen Effekte im Mittelteil von "La Di Da" machen dann aus einem eigentlich ganz netten Lied ein echt nerviges Stück Dance-Pop, welches so auch von Cobra Starship kommen könnte.

Textlich gesehen bietet die Band wenig Intelligentes und Anspruchsvolles, die Texte über Mädchen die andere Mädchen auf Parkplätzen küssen, passen dann aber recht gut zur anspruchslosen Musik. Umso verwunderlicher ist die Tatsache, dass Victorian Halls von Leuten wie Perry Farrell (Janes Addiction) oder auch Tim Kasher (Cursive) in den höchsten Tönen gelobt werden.

Fazit

Er hat es also wieder getan, der gute Tony: Eine Band an Bord geholt die über 0 Eigenständigkeit verfügt und sich schamlos bei anderen Bands bedient. Von der Struktur der Songs, über den Klang des Piano das auf "Charlatan" des Öfteren Einsatz findet bis hin zum schiefen Gesang von Sänger Sean Lennart, klingt alles verdächtig nach den Blood Brothers. Oder auch Stellenweise nach Fall Of Troy. Oder auch Cobra Starship. Nur leider nie nach Victorian Halls. Verkaufen wird sich das Ganze dank der Victory-typischen Marketing-Lawine allerdings bestimmt.

Anspieltipps

Keine

Artistpage

VictorianHalls.com

MySpace-Profil

Tracks

1.Girls Kiss Girls
2.Glass Depth Mood
3.Burn Me Up Like a Wax-Kissed Letter
4.A Crush Is a Crush Watch Video
5.Black Maria
6.Upper East Side
7.La Di Da
8.Sugar Champagne
9.It All Started in the Hall
10.Lucky 16
11.Dear, This is Desperate
12.Martini Elegance

Mark Jürgens - myFanbase
28.08.2011

Diskussion zu dieser CD