Bewertung
Jamiroquai

Rock Dust Light Star

Kinder eines Jahrzehnts sind gezeichnet. Gezeichnet fürs Leben. Kinder der Neunziger lieben ihr Jahrzehnt. Oder sie hassen es. Ein Dazwischen gibt es in der Regel nicht. Die Siebziger – zum Kult ausgerufen. Die Achtziger? Erst recht. Die Neunziger hingegen scheinen durchaus diskursfähig zu sein. Ohne Frage sind Neonleggings, dunkelblaue Samtpullover und unsägliche Buffalo-Treter nicht jedermanns Sache. Musikalisch hingegen boten die Neunziger wesentlich mehr Erinnerungswürdiges als modisch. Techno war groß, Britpop auch. Britpop hoffentlich ein bisschen größer. H.P. Baxter war ein Gesicht der Neunziger. Jarvis Cocker auch. Und auch Jay Kay von Jamiroquai ist untrennbar mit diesem Jahrzehnt verbunden.

Foto: Copyright: Mercury Records
© Mercury Records

Besagte bunte Neonleggings erlebte erst kürzlich ihr unvermeidliches Revival. Dunkelblauen Samtpullover war es bisher nicht vergönnt und Buffalo-Treter warten im besten Falle ewiglich vergeblich auf ihr Comeback. Völlig zu Recht verschwand insbesondere letztere Erscheinung von der Bildfläche: Entweder sind sie längst vernichtet. Überlebende Buffalos finden sich in eingestaubten Klamottenkisten auf Speichern, welche lediglich anlässlich Weihnachten, Ostern und zum Frühjahrsputz betreten werden. Die Schuhe werden bewusst ignoriert, als ein Teil der Vergangenheit aber geduldet und aufbewahrt. Widerfährt ihnen diese Akzeptanz nicht, so landen die Gummiklötze zum Spottpreis auf eBay. Versucht ist man zu fragen, wieso: Ein wirklich gutes Geschäft macht dabei doch offenkundig keine Seite.

Vieles kam in den Neunzigern - wie die Buffallos. Vieles ging in ihnen glücklicherweise auch wieder dorthin, wo der Pfeffer wächst - wie die Bufallos. Manches blieb uns erhalten: H.P. Baxxter beispielsweise. Ein Mann, eine Mission: Unermüdlich versucht er herauszufinden, wie teuer der Fisch ist und stellt sich die Frage, was eigentlich die Frage war.

Zu guter Letzt gibt es immer auch jene Erscheinungen, die kommen und gehen. Gehen, um eines schönen Tages an die Erdoberfläche zurückzukehren - meist dem süßen Duft des Geldes folgend. Diese Absicht möchte man Jay Kay, dem Frontmann Jamiroquais, und Konsorten nicht unterstellen. Im Gegenteil: Mit einem Blick auf ihre Diskographie, welche samt "Rock Dust Light Star" bereits satte sieben Studioalben fasst, stellt man zwangsläufig fest: Ein neues Jamiroquai-Werk musste her. Seit ihrer sechsten CD "Dynamite" aus dem Jahre 2005 waren bereits fünf Jahre vergangen. So viel Zeit lag nie zwischen zwei Alben der britischen Band.

Jay Kays Gesicht ist das gleiche geblieben. Die Jahre machten es älter, männlicher, reifer. Zuweilen gibt er sich in Fotostrecken eher lässig bis kühl. Nicht länger macht er sich mit überdimensionalen Klamotten und fettigen Haaren einen Namen. Herr Kay unterdessen trägt jetzt Ton in Ton - gern darf es dieser Tage der feine Zwirn sein. Die ebenso frag- wie denkwürdigen Kopfbedeckungen allerdings sind geblieben. Das Cover zu "Rock Dust Light Star" verrät es: Jamiroquai wollen nicht von vorn anfangen. Sie wollen, dass man sich erinnert. Erinnert an Buffalos, Neonleggings und an ihre Musik. An 20 Millionen verkaufte Platten.

Ein Hurra also auf Jay Kay und seine Band, die uns die Neunziger zurückgeholt haben. Ein neues Jahrzehnt, Jahrhundert, ein neues Jahrtausend gar: Auch als die Neunziger ihr natürliches Ende nahmen - und mit ihnen auch die letzten Buffalos - blieben Jamiroqaui sich treu. Und verhelfen dem Acid Jazz zu dessen Comeback. Wo Jamiroquai draufsteht, ist Jamiroquai drin. Ein bisschen Funk, ein bisschen Jazz, elektronische Spielereien: Nicht jedermanns Sache - ohne Frage. Die Texte scheinen zuweilen mehr zu glänzen als eine hell erleuchtete Diskokugel, allerdings täuscht die über lyrische Höhepunkte zu oft hinweg.

Fazit

Jamiroquai sind der perfekte Soundtrack für die Rollschuhbahn. Grelle Lichter, Frohsinn, frohe Farben - eben alles Neunziger. Wer sich bemüht, die Lyrics zu googlen, wird der neu entdeckten Liebe auf Rädern "Lifeline" widmen ("Free ride/ I haven't got a care in the world/ There's only me and you girl/ Back on the road with you again, baby."). Bis diese eine Liebe einem anderen Skater in die Arme rollt. Dann greift es sich optimal zu "Goodbye To My Dancer", denn Jay Kay hat das Ende kommen sehen: "This world keeps spinning around/ but I just don't care/ I had my name written up in lights/ wanted you to share [...] I can't stick around here/ No, it's bad for my health.". Jamiroquai liefern den Soundtrack zum Leben auf der Rollschuhbahn, auf welcher man sich wie im Leben selbst wunderbar im Kreis drehen kann - solange bis etwas kommt, das uns aus der Bahn wirft.

Anspieltipps

All Good In The Hood

Lifeline

Two Completely Different Things

Goodbye To My Dancer

Artistpage

Jamiroquai.de

Tracks

1.Rock Dust Light Star
2.White Knuckle Ride
3.Smoke And Mirrors
4.All Good In The Hood
5.Hurtin
6.Blue Skies
7.Lifeline
8.SheS A Fast Persuader
9.Two Completely Different Things
10.Goodbye To My Dancer
11.Never Gonna Be Another
12.Hey Floyd

Aljana Pellny - myFanbase
04.12.2010

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