Bewertung
Blind Guardian

At the Edge of Time

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© Nuclear Blast

Prolog: Über Blind Guardian

Diese Rezension handelt zum großen Teil von der Fantasy-Metal-Band Blind Guardian, und der Leser erfährt viel über die Wesensart des neuen Albums und ein wenig auch über dessen Geschichte. Weitere Angaben über das Schaffen der Band sind auf vorherigen Alben zu finden, die unter Titeln wie" Nightfall in Middle-Earth" oder "Somewhere Far Beyond" veröffentlicht wurden. Diese Erzählungen gaben zum größten Teil den Inhalt der Bücher wieder, die J.R.R. Tolkien verfasst hatte, der Schriftsteller, der für ein eigens erschaffenes Fantasy-Universum in aller Welt bekannt wurde. Er nannte die Bücher "Der Herr der Ringe", "Der Kleine Hobbit" oder auch "Das Silmarillion", von denen viele Blind-Guardian-Lieder handelten. Veröffentlichungen, durch die später alle Metalfans in die hier zu berichtenden großen Ereignisse dieses Zeitalters verwickelt wurden.

Viele Leser werden aber gleich zu Beginn noch mehr über diese neue, bemerkenswerte CD wissen wollen, zumal sie vielleicht das schon veröffentliche Album noch gar nicht besitzen. Für sie seien hier einige wichtige Erkenntnisse von" At the Edge of Time" zusammengestellt und kurz wiedergegeben.

Erster Teil: Die Gemäßigten

Den größten Teil von "At the Edge of Time" nehmen die im Midtempo angelegten Songs ein. Hier können sich Blind Guardian alle Zeit der Welt lassen um Atmosphäre aufzubauen und einen Spannungsbogen zu schaffen. Das lässt sich schon zu Beginn zusammenfassend für alles Kommende festhalten. "Sacred Worlds" eröffnet das Album. Da ursprünglich für das Computerspiel Sacred komponiert, befinden wir uns thematisch in einem virtuellen Fantasy-Königreich, das kurz vor dem Verfall steht und die Grenzen zwischen Realität und Fantasie verschwimmen lässt. Das lyrische Ich beschäftigt sich mit den beiden Hauptcharakteren des Spiels, Seraphim und dem Schattenkrieger. Virtuell noch mit programmierten Orchester agierend, greifen Blind Guardian tief in die Tasche und engagieren für die Albumversion das 90-köpfige Prager Symphonieorchester. Das zahlt sich aus und jagt dem Hörer mehrere Schauer über den Rücken, als ob die Nazgul selbst über dessen Kopf kreisen würden. Die Gitarren fügen sich hervorragend in das Gesamtkonzept, die Drums treiben den Song nach vorn und verschaffen ihm Druck und Hansi Kürschs Gesang ist, auch im Hinblick auf alle noch folgenden Songs, über jeden Zweifel erhaben. Das ist ein Auftakt nach Maß, mit dem sich Blind Guardian die eigene Messlatte in schwindelerregende Höhe setzen.

Basierend auf Peter S. Beagles "The Innkeepers Song" geht es in "Road of No Release" um die wahre Liebe, die selbst den Tod überdauert, allerdings auch die Grenze zwischen Gut und Böse verschwimmen lässt. Ein kurzes Klavierintro führt den Song in einen gesungenen Dialog zwischen verschiedenen Charakteren. Aufgewertet wird das Ganze von einem unwiderstehlichen, von allen Figuren gesungenen Chorus. Das schafft unglaublich Atmosphäre und birgt so viele Gänsehautmomente in sich, dass man sich am Liebsten an Streichers Lagerfeuer auf der Wetterspitze wiederfinden würde. "Valkyries" behandelt "Das Lied der Walküren" aus der Edda und ist ohne jeden Zweifel das Highlight des Albums. In England angesiedelt übernehmen die Walküren hier auch die Position der Nornen und entscheiden über die Schicksale der Krieger auf dem Schlachtfeld. Die Hookline im Chorus bewegt sich auf höchstem musikalischem Niveau und ist dermaßen schön, dass man ihn schon nach dem ersten Hören nicht mehr aus dem Kopf bekommt! Zu Recht wird dieser Song von der Fachpresse mit "Nightfall" verglichen. Das wird der neue Hit, darauf verwette ich eine Lokalrunde im tänzelnden Pony!

"Control the Divine" erzählt uns aus John Miltons "Paradise Lost", also vom Fall Luzifers, der sich aufmacht, eine Allianz mit anderen gefallenen Engeln zu schaffen. Stilistisch findet sich der Song in der Art von "Road of No Release" wieder, ohne diesen jedoch zu kopieren. Blind Guardian schaffen es auch hier dem Lied einen individuellen Charakter zu geben. "Wheel of Time" behandelt Robert Jordans "Rad der Zeit"-Zyklus und erzählt davon, wie eine gegebene göttliche Macht den Besitzer verdirbt, da er nicht in der Lage ist, damit umzugehen. Ursprünglich wurde der Song für das seit Jahren angekündigte Klassik-Album komponiert, hat sich aber dann zu einem Blind-Guardian-Song entwickelt und schließlich seinen Weg auf das neue Album gefunden. Dennoch hört man das klassische Grundkonzept deutlich heraus und wie schon bei "Sacred Worlds" wurden diese Elemente vom Prager Symphonieorchester gespielt. An dieser Stelle sei festgehalten, was diese Musiker für eine großartige Leistung vollbracht haben! Im Gegensatz zu "Sacred Worlds" werden hier orientalische Klänge angestimmt, die durch das donnernde Schlagzeug ergänzt und durch düstere Gitarrenmelodien komplettiert zu einer gewaltigen, bombastischen Soundkulisse heranwachsen. Der Gesang wird im Refrain unterstützt durch einen hintergründigen Kirchenchor, der die gewaltige Atmosphäre dieses Songs auf den absoluten Höhepunkt bringt. Dies unterstreicht erneut die große musikalische Bandbreite, zu der diese Band in der Lage ist und lässt keinen Zweifel an der hervorragenden Qualität des vorliegenden Materials.

Zweiter Teil: Die zwei Akustischen

Dieses Duo sorgt für die ruhigeren Momente des Albums. Die Akustiksongs gehören ebenso zu Blind-Guardian-Alben wie deren thematische Orientierung an Fantasy-Themen oder historischen Ereignissen. In Interviews haben Blind Guardian immer wieder betont wie wichtig es für sie war, das Songwriting bei "Curse My Name" so anzulegen, dass man nicht den Eindruck bekommt eine "Bards Song"-Kopie zu hören. Und das ist ihnen gelungen! Thematisch ist der Song nicht in einem Tolkien-Universum angesiedelt, sondern in England und es wird eine politische Schrift, John Miltons "The Tenure Of Kings And Magistrates", verarbeitet, die die Hinrichtung von King Charles I. rechtfertigt. Musikalisch zu Beginn noch im Mittelalter angelegt, ändert sich der Stil des ganzen Songs in Richtung Irish Folk. Ungefähr in der Mitte des Liedes wird der Rhythmus mit Hilfe verschiedener perkussiven Instrumenten gehalten und dann von einer Stepptanzgruppe im Hintergrund ergänzt. Diese fügt sich nahtlos in das Gesamtkonzept des Songs und klingt einfach sensationell. Darauf etwas Pfeifenkraut meine Herren!

Auch "War of the Thrones" kommt ohne elektrisch verstärkte Gitarren aus. Er wird durchgehend von einem Klavier und mehreren Streichern getragen. Der Gesang von Hansi Kürsch trägt sein Übriges dazu bei, eine gewaltige atmosphärische Dichte zu schaffen und für einen 4 Minuten und 55 Sekunden langen Gänsehautmoment zu sorgen. Thematisch wird dabei sowohl George R.R. Martins "Das Lied von Eis und Feuer", als auch, wie schon in "Road of No Release", Peter S. Beagles "The Innkeepers Song" verarbeitet.

Dritter Teil: Die Wiederkehr des Schnellen

"Tanelorn (Into the Void)" eröffnet das Dreigestirn der Lieder, die sich an den Thrash-Metal-Wurzeln der Band aus den frühen 90er Jahren orientieren. Diesem Song liegen die Fantasy-Geschichten von Michael Moorcock zugrunde und es wird uns davon berichtet, wie Elric von Melnibone die Zerstörung des Universums herbeiführt und somit dessen Erneuerung bestimmt. "Ride into Obsession" basiert auf Robert Jordans "Rad der Zeit"-Zyklus und nimmt durch aggressiv gespielte Gitarren und donnernde Drums ungemein Fahrt auf. Ein kreischender Hansi Kürsch im Prechorus lässt sämtliche Dämme brechen und peitscht den Hörer weiter zum Refrain, der keine Zweifel an dessen Live-Tauglichkeit mehr aufkommen lässt.

Spätestens jetzt freu ich mich auf die bevorstehende Tour wie Frodo, der nach langem Sparen endlich zur Fußpflege gehen kann! Die vorab veröffentlichte Single "A Voice in the Dark" handelt erneut vom "Lied von Eis und Feuer" von George R.R. Martin. Die Geschichte erzählt die Gedanken einer sich im Koma befindenden Person, die sich entscheiden muss, ob sie dieser Situation verfällt oder sich der bevorstehenden, fraglichen Zukunft entgegenstellt. Musikalisch wird erneut Gimlis Streitaxt geschwungen und es geht in bester Thrash-Metal-Manier mit Vollgas geradeaus.

Epilog

Es scheint für Blind Guardian nicht möglich zu sein, ein schlechtes Album aufzunehmen. Die Krefelder bieten aktuell intelligente, innovative Musik, die sensationell produziert ist und in jeder Nuance durchdacht wirkt. In jeder Note spürt man ihre Hingabe zur Musik und den Anspruch an sich selbst, ohne daran zu scheitern. Hier das Haar in der Suppe zu suchen wäre schlicht und ergreifend nicht angemessen. Werte Metalgemeinde: Hier ist er, der heißeste Anwärter auf das Album des Jahres!

Was hier auf einen Silberling geschmiedet wurde, ist bedeutender als jeder Ringträger, magischer als Gandalf der Weiße und schöner als das Auenland. Wie Aragorn, Legolas und Gimli über eine Horde Orcs, fegen Blind Guardian über jegliche Konkurrenz hinweg. Wer bereit ist sich verzaubern zu lassen, wird "At the Edge of Time" ebenso verfallen, wie Gollum seinem Schatz. Ein Album, sie zu knechten, sie alle zu finden, in die Plattenläden zu treiben und ewig zu binden!

Anspieltips

Sacred Worlds

Road of No Release

Curse My Name

Valkyries

War of the Thrones

Wheel of Time

Artistpage

MySpace-Profil

Blind-Guardian.com

Tracks

1.Sacred Worlds
2.Tanelorn (Into the Void)
3.Road of No Release
4.Ride into Obsession
5.Curse My Name
6.Valkyries
7.Control the Divine
8.War of the Thrones
9.A Voice in the Dark
10.Wheel of Time

Benjamin Bohn - myFanbase
26.08.2010

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