Bewertung
Janelle Monáe

The ArchAndroid

Androiden scheinen derzeit in der Musikindustrie hoch im Kurs zu stehen. Nachdem unlängst schon Broken Bells, wie berichtet, eine humanoide Roboterdame als Protagonistin für ihr aktuelles Video auserkoren haben, widmet nun Senkrechtstarterin Janelle Monáe ihr gesamtes Debütalbum dieser futuristischen Thematik. Aus dem Jahr 2719 entsendet sie ihr Alter Ego, Androidin Nummer 57821 a.k.a. Cindi Mayweather, um die Musikwelt 2010 zu revolutionieren. Mit Erfolg.

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Nichts wäre ob der momentan wachsenden Präsenz von Science-Fiction-Heroinen im Musikgeschäft vermessener, als Janelle Monáe der Trittbrettfahrerei zu bezichtigen. Die aus Atlanta stammende Künstlerin hat den Grundstein für ihr ambitioniertes Konzeptalbum "The ArchAndroid" nämlich bereits vor drei Jahren gelegt. Auf der 2007 veröffentlichten Debüt-EP "Metropolis" entführte sie ihre Hörerschaft erstmals in die abenteuerliche Welt von Cindi Mayweather und stellte ihr unbändiges Potential spätestens mit dem als Kurzfilm getarnten Video zu "Many Moons" eindrucksvoll unter Beweis. Zu Recht häufen sich seither die Stimmen, die Janelle Monáes Musik als das Beste abstempeln, was das Genre seit der "Hey Ya!"- Glanzzeit von OutKast hervorgebracht hat. Diese Lobhudelei wird nun, wo man das Nachwuchstalent endlich auf Albumlänge bewundern kann, vermutlich nicht weniger werden. Ganz im Gegenteil.

Vieles ließe sich an dieser Stelle über das tragische Schicksal von Androidin 57821 berichten, die sich entgegen aller im Jahr 2719 vorherrschenden Konventionen in einen Menschen, Sir Anthony Greendown, verliebt und dafür vom autoritären Herrschaftsregime im fiktiven Städtchen Metropolis zum Tode, sprich der unverzüglichen Demontage, verurteilt wird. Dass diese Rahmenhandlung jedoch nur als Spiegelbild für vergleichbare gesellschaftliche Missstände der Gegenwart dient, versteht sich vermutlich von selbst. Stunden könnte man damit verbringen, die einzelnen Puzzleteile, die uns Janelle Monáe im Rahmen der 18 Stücke präsentiert, zu einer kohärenten Geschichte zusammenzufügen. Und dennoch droht man im Endeffekt kläglich daran zu scheitern: Zu viele unerwartete Wendungen werfen die mühsam erarbeiteten Interpretationsversuche immer wieder über den Haufen, zu sehr verschwimmen die Grenzen zwischen Erzählerin Janelle und Protagonistin Cindi, zwischen Gegenwart und Zukunft, zwischen Traum und Wirklichkeit. Aber vermutlich liegt genau darin der besondere Reiz dieser Ausnahmeveröffentlichung.

Aus musikalischer Sicht ist es fast schon ein wenig ironisch, dass der Sängerin ihr großer Durchbruch ausgerechnet mit einem Song namens "Tightrope" gelungen ist, und das nicht zuletzt aufgrund einer atemberaubenden Live-Performance bei David Letterman. Was sie nämlich mit "The ArchAndroid" auf die Beine gestellt hat, kann man gar nicht anders als einen waghalsigen Drahtseilakt bezeichnen. In ungeahnten kreativen Höhen manövriert sie sich gekonnt durch alle nur erdenklichen Genres, von klassischen Orchester-Arrangements über R'n'B, Hip-Hop, Soul, Funk, Motown und Electro-Pop bis hin zu progressiv-psychedelischem Rock. Während andere Künstler angesichts einer solchen Herausforderung schnell das Gleichgewicht verlieren würden, vor allem bei ihrem allerersten Album, meistert Janelle Monáe diesen heiklen Balanceakt ganz bravourös. Stimmgewaltig singt, rappt, schreit und säuselt sie dem Hörer über eine Stunde lang die Geschichte von Cindi Mayweather ins Ohr, als hätte sie ihr Leben lang nichts anderes gemacht.

Abgesehen von besagtem Facettenreichtum liegt die wohl größte Errungenschaft Janelle Monáes darin, ihre zumeist ernsthaften Botschaften stets mit einem gewissen Augenzwinkern zu vermitteln. So hinterfragen beispielsweise die Gaststars von Of Montreal das ausgeklügelte Konzept der Künstlerin mit einem schelmischen "Do androids dream of electric sheep? ", während OutKast-Veteran Big Boi die Ausführungen seiner Kollegin über das permanente Auf und Ab im Leben mit so manch unkonventioneller Metapher untermalt ("Act up! And whether we're high or low, we're gonna get back up. Like the Dow Jones or NASDAQ, sorta like a thong in an ass crack."). Und hielte man nicht in Form des Booklets den Gegenbeweis direkt in Händen, so läge beim Hören des herrlich abgedrehten "Make The Bus" der Verdacht nahe, niemand Geringeres als Bret McKenzie und Jermaine Clement ("Flight of the Conchords") hätten die denkwürdige Textzeile "I'm standing over you eating juicy fruits till it gets in your eye." beigesteuert. Als Rezensent hat man bei einem dermaßen gelungenen Gesamtpaket gar keine andere Wahl, als abschließend eine uneingeschränkte Reinhörempfehlung auszusprechen.

Fazit

An Janelle Monáe führt 2010 kein Weg vorbei. Verdientermaßen mit einer traumhaft hohen Metacritic-Wertung gesegnet, ist "The ArchAndroid" auf dem besten Weg, als diesjähriges Konsensalbum in die Musikgeschichte einzugehen. Wenn das die Zukunft der Musik ist und so die Musik der Zukunft klingt, dann nichts wie her damit.

Anspieltipps

Faster

Cold War

Tightrope

Come Alive (The War of The Roses)

Make The Bus

BabopbyeYa

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Tracks

1.Suite II Overture
2.Dance or Diefeaturing Saul Williams
3.Faster
4.Locked Inside
5.Sir Greendown
6.Cold War
7.Tightropefeaturing Big Boi
8.Neon Gumbo
9.Oh, Maker
10.Come Alive (The War of The Roses)
11.Mushrooms & Roses
12.Suite III Overture
13.Neon Valley Street
14.Make the Busfeaturing Of Montreal
15.Wondaland
16.57821featuring Deep Cotton
17.Say You'll Go
18.BabopbyeYa

Willi S. - myFanbase
03.08.2010

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