Bewertung
Clara Luzia

The Ground Below

Achtung, Wölfin im Schafspelz gesichtet! Clara Humpel, ihres Zeichens Frontfrau der Folkpop-Formation "Clara Luzia" und Kritikerliebling der österreichischen Alternativmusikszene, weitet ihren Beutezug aus und veröffentlicht nach sechsmonatiger Wartezeit ihr drittes Album, "The Ground Below", auch in Deutschland. Von den vermeintlich harmlosen Popklängen, die darauf ertönen, sollte sich der ahnungslose Ersthörer nicht täuschen lassen – Musik, Texte und nicht zuletzt die Künstlerin selbst haben es faustdick hinter den Ohren.

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"Clara Luzia ist so ziemlich das Beste, was an Folk gegenwärtig europaweit zu hören ist." Dies ist nicht etwa die durch die rosarote Fanbrille eingefärbte Meinung eines jahrelangen Anhängers, sondern die in einem renommierten deutschen Musikmagazin vertretene Ansicht zur letzten Veröffentlichung von Clara Luzia ("The String And Then Some EP"). Wer sich bereits selbst ein Bild von der Qualität besagten Musikjuwels machen konnte, wird wissen, dass dieses überschwängliche Fazit bei weitem nicht so übertrieben ist, wie es im ersten Moment vielleicht den Anschein hat. Ähnlich sah das die "Amadeus"-Jury und verlieh Clara Luzia 2008 den wichtigsten Musikpreis Österreichs in der Kategorie "Alternative Act". Und das völlig zu Recht.

Anstatt sich allerdings auf diesen Lorbeeren auszuruhen und das altbewährte Erfolgsrezept weiter auszuschlachten, überrascht Frau Humpel auf dem heiß ersehnten dritten Album ihrer Haus- und Hof-Combo mit ungewohnt poppigem Sound. Die intimen Folk-Momente und reduzierten Singer/Songwriter-Anleihen, welche auf den bisherigen Alben von Clara Luzia allgegenwärtig waren, treten auf "The Ground Below" eher in den Hintergrund. Ob die Band mit diesem Schachzug ihre Wandlungsfähigkeit unter Beweis stellen wollte? Oder liegt der Grund für den plötzlichen Sinneswandel doch in der Erkenntnis, dass das bisher Geleistete nur mehr schwer überboten werden kann? Man weiß es nicht. Offiziell heißt es von Seiten Clara Humpels, dass sie irgendwann schlichtweg genug von der ewigen Melancholie hatte und auch einmal fröhlichere Lieder zum Besten geben wollte. Und siehe da, die Rechnung geht auf.

Der neue Stil fällt zwar insgesamt ein wenig glatter aus, spiegelt aber erneut das große handwerkliche Geschick von Clara Luzia in Sachen Arrangements wider. Im Gegensatz zu den Vorgängeralben "Railroad Tracks" und "The Long Memory" wird auf dem neuen Album allerdings ein wesentlich umfassenderes Musikerensemble versammelt. Die dementsprechend reichere Instrumentierung zeichnet sich schon bei der ersten Singleauskoppelung, dem mitreißenden "All I Wish For", ab: Das Lied beginnt mit gewohnt sanften Klaviertönen, gewinnt dann aber aufgrund der neu angeheuerten Bläser und Streicher zunehmend an Fahrt und verabschiedet sich schließlich mit einem pompös-orchestralen Finale. An anderer Stelle verausgabt sich die Frontfrau höchst persönlich auf der Basstrommel ("Faces") , während bei "These Lines" angesichts schwelgerischer Akkordeonbegleitung Chanson-Flair aufkommt.

Hinsichtlich ihrer Texte gelingt Clara Humpel erneut der Spagat zwischen großen Gefühlsbekundungen und kleinen Alltagsgeschichten. Gewohnt offen plaudert sie aus dem Nähkästchen einer mittlerweile 30-jährigen Wahlwienerin und verrät dabei unter anderem, dass sie sich noch immer nicht an die Anonymität der Großstadt gewöhnt hat ("All I wish for today is a stranger's smile on my way home") und an so manchen Tagen ihrer unbeschwerten Kindheit nachtrauert ("I was the queen of the wolves and the king of the birds / That's so much more than I'm today"). Besonders beeindruckend sind jedoch die Momente, in denen sie sich von ihrer kritischen Seite präsentiert und beispielsweise in "Bleed" die zunehmende Oberflächlichkeit und Perspektivenlosigkeit der heutigen Gesellschaft anprangert ("No more dreams to follow / This is the age of being shallow / I'm surprised that we still bleed").

Für all jene Hörer, die Clara Luzia zuvor nicht kannten, bieten die 14 aktuellen Lieder vermutlich wenig bis keinen Anlass zur Kritik. Der ein oder andere Kenner der bisherigen Werke wird sich jedoch wünschen, dass in Zukunft trotz der neu entdeckten Pop-Affinität nicht gänzlich die Folk-Wurzeln vergessen werden. "The Ground Below" mag zwar das bisher konsistenteste Album der Band darstellen, ist aber aufgrund des glatteren Sounddesigns stellenweise fast schon eine Spur zu "brav" ausgefallen. Mit ein wenig mehr Mut, gelegentlich eine unkonventionellere Richtung einzuschlagen, steht einem noch besseren Nachfolgealbum allerdings nichts im Weg. Manchmal muss eben auch auf hohem Niveau gejammert werden.

Fazit

Clara Luzias "The Ground Below" ist der beste Beweis dafür, dass es auch in dem von Musikkritikern und -kennern oftmals nur milde belächelten Pop-Genre qualitativ hochwertige Veröffentlichungen gibt. Ein paar Ecken und Kanten mehr hätten dem Album zwar nicht geschadet, dennoch weiß es mit jeder Menge Herzblut zu überzeugen. Bleibt zu hoffen, dass Clara Humpel und Konsorten auch über die heimischen Landesgrenzen hinaus mit ähnlich offenen Armen empfangen werden wie in Österreich. Verdient hätten sie es allemal.

Anspieltipps

All I Wish For

I Found A Stone On The Wayside

Bleed

Here Comes

Artistpage

ClaraLuzia.com

MySpace-Profil

Tracks

1.Queen Of The Wolves
2.All I Wish For
3.Facesfeaturing Emma McGlynn
4.I Found A Stone On The Wayside
5.These Lines
6.Old House For Sale
7.Two Of Them
8.Headlong
9.Bleed
10.The Gardener Of The Ground Below
11.Tired City
12.Here Comes
13.Petah Pan
14.10-Legged Family

Willi S. - myFanbase
12.11.2009

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