Bewertung
Die Fantastischen Vier

Heimspiel

Der Eine 40, verheiratet, hat eine Tochter und einen Sohn. Der Andere noch 41, verheiratet, eine Tochter. Der wieder Andere ebenfalls noch 41, mittlerweile geschieden und kinderlos. Und der Vierte im Bunde, 41, ist verheiratet, wurde 2007 erstmals Vater. So weit, so normal. "Normal" ist allerdings ein Tribut, das ab dem Moment haltlos wird, in dem man sich mit dem beruflichen Werdegang jener vier Männer beschäftigt. Denn normal ist es nicht, dass auf dem Cannstatter Wasen in Stuttgart geschätzte 60.000 Leute den Rasen zertanzen. Nicht das Stuttgarter Frühlingsfest, nicht der Stuttgarter-Zeitung-Lauf in jedem Juni und auch nicht das Cannstatter Volksfest sind Grund und Anlass der Zusammenkunft. Aber ähnlich populär wie diese Traditionsveranstaltungen sind die Gastgeber: Die Fantastischen Vier, waschechte Kinder Stuttgarts, schmeißen eine gigantische Geburtstagssause - am 25. Juli 2009, mit Feuerwerk und XXL-Orchester.

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Runde Zahlen gehören gefeiert, sagt man. Heftig, deftig und unbedingt so, dass kein Auge trocken bleibt. Und jede Party braucht eine Weile, bis die Stimmung kocht. Jede normale Party, ja. Aber von normal sind wir, wie gesagt, weit entfernt. Nach einem gut zweimütigen Intro, das ohne Weiteres jeder Schlussszene eines TV-Krimis entsprungen sein könnte, und ein gierig die vier Hauptakteure fordernde Publikum wird die Show mit "Was Geht" eröffnet. Mit Pauken, Trompeten und einer originellen "Crazy In Love"-Beyoncé-Version. Es wird also unterhaltsam. Das ist der erste Gedanke. Spätestens, nachdem auch die Titelmelodie Pippi Langstrumpfs noch im selben Song verarbeitet wird und liebenswerte Rotzgöre mit Diva vermischt. Nicht gegensätzlich – bunt!

Der nächste Gratulant ist der "Pickernicker" und längst Kult, hat er mittlerweile doch bereits 12 Jahre auf dem Buckel. Damit zählt er aber alterstechnisch eher zum Durchschnitt. Denn zwanzig Jahre Fantas bedeutet nahezu zwanzig Jahre Hits. Mit alten Schätzchen beginnt die Show. Die Fans wird es freuen, denn wer heute zum Feiern gekommen ist, ist Vollblut-Anhänger. So sind aus ganz Deutschland ganze Reisebusse in Stuttgart eingetroffen – allein für dieses Event. Es ist ein Geben und Nehmen an diesem Abend: Nicht nur Michi Beck, Thomas D., And.Y und Smudo möchten sich bedanken und feiern lassen. Andersrum gilt es genauso. Denn wie Smudo es im Laufe der Show korrekt auf den Punkt bringt: Ohne die da oben, ohne die da unten wäre man heute nicht hier. Und sowohl auf der Bühne, als auch auf dem Rasen ist man bester Laune und erwartet einen unvergesslichen Abend; bereit, ihren Anteil daran zu leisten. Und geben alles. Ob Thomas D. im Eiltempo und "Auf der Flucht" oder Smudo verspielt mit heliumgefüllten Ballons zu "Pipis und Popos", wenn er spitzbübisch fragt "Wo sind meine real Hip Hops da draußen?" – auch das Bolschoi-Theaterorchester aus Weißrussland zieht bedingungslos mit. Die Musiker begleiten die über zweistündige Show beispiellos und fulminant und machen die gigantische Bühne richtig voll. Achtzig Künstler, aber im Mittelpunkt stehen nur vier. Aber es gibt diese Momente, da sind sie mucksmäuschenstill: beispielsweise im Solo-Part von Thomas D. auf Michi Becks "Sie Ist Weg". Da übernehmen die rund 60.000 Gäste für einen kurzen Moment das Ruder, machen die vier Stuttgarter Jungs sprachlos und erzeugen nach einer knappen Stunde zum ersten Mal das, was bisher gerade noch gefehlt hat: Gänsehaut nämlich.

Und die kehrt zurück. Beim jüngst neu aufgelegten "Spießer" nämlich, der so unglaublich kraftvoll donnernd und gewaltig daherkommt, dass er unwillkürlich an Nas' und Puff Daddys Monstertrack "Hate Me Now" erinnert – ein richtiges Brett eben. Davon muss man sich erstmal erholen. Die Fantas auch. Also folgen "Krieger" und "Sommerregen", die nach dem bombastischen Vorgänger beinahe bedächtig wirken - Kontrastprogramm. Spaß gemacht und gehabt wird spätestens wieder mit "MFG" von 1999, bei dem die Fantas alle Viere von sich schmeißen und sich richtig treiben lassen.

Thomas D. und sein "Liebesbrief" eröffnen schließlich den Endspurt. Ist auch schon gut zehn Jahre her. Ob Musiker oder Fan, so manch einem werden die vielen Jahre an diesem Abend wie im Fluge vor dem geistigen Auge vorbeilaufen. Und all die Zeit hat man gemeinsam durchlebt. Viel erlebt, das Gute und das Böse gesehen und doch zusammen geblieben – wie in einer guten Ehe. Davon weiß "Troy" munter zu berichten. Enorme Spielfreude vermischt sich mit ebenso großer Dankbarkeit und rockt. Rockt wie alles an diesem Abend. Es ist ein Abend, an dem sich beide Seiten verausgaben. Energiegeladen bis in die Haarspitzen – in drei von vier Fällen – drehen die Fantas die Zeit zurück: "Die Da!?", der verrückte und extrem eingängige erste Meilenstein vom Karrierebeginn ("Stuttgart! Damit hat die Scheiße angefangen!"), verbreitet exzellente Laune, die allerdings ohnehin kaum besser hätte sein können. Die Hütte brennt. Nach dem ziemlich ultimativen "Einfach Sein", bei dem Herbert Grönemeyers prominente Unterstützung zur Feier des Tages irgendwie fehlt und irgendwie überhaupt nicht, gönnt man sich mit "Tag Am Meer" ein letztes Mal ein paar ruhige Minuten. Der Abend ist zur Nacht geworden, der Himmel ist schwarz, die Stimmung noch immer feierlich. Gebührend der vorletzte Titel "Ernten, Was Wir Säen", denn diese Mega-Show und tausende treue Fans haben sich die Fantas hart und lange erkämpft. Längst sind sie "Populär", legendär. Und nach diesem 25. Juli zumindest in Stuttgart und für all jene zigtausend Reisebustouristen unsterblich.

Fazit

"Beats für die Nacht von den Meistern vom Fach, für jeden gemacht von 88 bis acht." In dieser Nacht der Superlativen ist mit Sicherheit kein Auge trocken geblieben. Die CD dazu ist eine ungemein tolle Sache. Und die Fotos im toll aufgemachten vierfach aufklappbaren Digipak mit schicken Booklet geben einen ersten Eindruck darüber, wie groß(artig) der Abend wirklich war. Aber wer die bewegten Bilder dazu nicht hat, dem fehlt das wirklich Gigantische, das Gesamtpaket. Bekanntermaßen sollte man Äpfel aber nicht mit Birnen vergleichen. Dementsprechend das Fazit: Diese vier Jungs sind zum Verlieben. Und: Ein Live-Album kann mehr nicht bieten.

Anspieltipps

S.M.U.D.O. Ich Bin Halt So

Auf Der Flucht

Pipis & Popos

Sie Ist Weg

Le Smou

Spießer

Schizophren

Sommerregen

Die Da

Einfach Sein

Ernten, Was Wir Säen

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DieFantastischenVier.de

Tracks

CD 11.Was Geht
2.Der Picknicker
3.Jetzt Geht's Ab
4.S.M.U.D.O. Ich Bin Halt So
5.Auf Der Flucht
6.Du Arsch
7.Neues Land
8.Mehr Nehmen
9.Pipis & Popos
10.Sie Ist Weg
CD 21.Ich Is Ich Is Ich Is Ich
2.Le Smou
3.Beweg Deinen Popo
4.Yeah Yeah Yeah
5.Spießer
6.Krieger
7.Schizophren
8.Sommerregen
9.Fornika
10.MFG
CD 31.Liebesbrief
2.Bring It Back
3.Troy
4.Die Da!?
5.Einfach Sein
6.Tag Am Meer
7.Ernten, Was Wir Säen
8.Populär

Aljana Pellny - myFanbase
01.10.2009

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