Bewertung
Various Artists

Slumdog Millionaire - Music From The Motion Picture

Menschen sind Gewohnheitstiere. Auch im Hinblick auf Musik. Da braucht es manchmal eben erst acht Oscars und der Bildgewalt eines Danny Boyle, um über den eigenen musikalischen Horizont hinaus zu blicken...

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Denn ohne die beeindruckenden Bilder von "Slumdog Millionaire" im Hinterkopf, wirkt der Soundtrack zum cineastischen Überraschungshit des Jahres auf den Ottonormalhörer zunächst wohl schlicht zu befremdlich, als dass er seinen Charme so richtig entfalten könnte. Wer den Film jedoch gesehen und sich bereitwillig von seinen visuell wie akustisch absolut atemberaubenden Sequenzen mitreißen hat lassen, wird schnell merken, dass der für westliche Ohren recht exotisch klingende Score von A.R. Rahman selbst militanten Bollywood-Skeptikern unheimlichen Spaß bereiten könnte. Wie der Film selbst, erweist sich nämlich auch seine musikalische Umsetzung durch den im Heimatland Indien glühend verehrten Komponisten als äußerst buntes, lebendiges und wahrlich außergewöhnliches Kunstwerk.

Passend zu der ganz besonderen Mischung aus traditioneller indischer Musik und modernen R'n'B- und Elektrosounds holten sich Rahman und Regisseur Boyle unter anderem die aus Sri Lanka stammende Künstlerin M.I.A. mit an Bord, deren von Kritikern weltweit bejubelter Stilmix aus HipHop, Dancehall, Electro und Weltmusik sich nahtlos ins musikalische "Slumdog Millionaire"-Universum einfügt. Ihr Song "Paper Planes" vom Album "Kala" fängt mit seinen pfiffigen Kindergesängen, Schuss- und Nachladegeräuschen sowie klingelnden Kassen den von Gewalt und dem Ringen um jede Rupie geprägten Alltag der Slum-Bewohner in Mumbai perfekt ein. Auch der von M.I.A. und Rahman gemeinsam geschriebene Opener "O…Saya" und das enorm dynamische Instrumental "Mausam & Escape" spiegeln mit donnernden Drums und interessanten Tempo-Variationen das rasante Leben vom jungen Jamal Malik auf der Flucht vor Polizei, Gangstern und anti-muslimischen Aufständen wunderbar wider.

Die eindringliche Atmosphäre des Films wird also auch vom bloßen Soundtrack immer wieder heraufbeschworen, so dass einem beim Hören erst so richtig bewusst wird, wie sehr die Kraft der Bilder in "Slumdog Millionaire" auch von der dazugehörigen musikalischen Untermalung lebt. So lassen einen die orientalischen Bauchtanz-Rhythmen von "Ringa Ringa" nicht nur unweigerlich die Hüften mitschwingen, sondern auch direkt an das lang ersehnte Wiedersehen Jamals mit seiner großen Jugendliebe Latika, mittlerweile Tänzerin, zurückdenken.

Auch dieses romantische Thema des Films, Jamals sehnsüchtige Suche nach der Frau seines Lebens, tritt auf dem Soundtrack natürlich mehrmals in Erscheinung. "Latika's Theme" tut sich da inmitten der wesentlich elektronischeren sowie sehr verspielten und vorantreibenden Songs wie "Liquid Dance" oder "Millionaire" besonders hervor, wirkt es in all seiner Verträumtheit doch wie eine von den Widerständen der realen Welt abgeschirmte Schutzblase, in der nur das versonnene Summen der Liebsten existiert. Das ebenfalls von Suzanne D'Mello vorgetragene und nicht minder herzerwärmende "Dreams of Hope" macht das Happy End schließlich perfekt. Und das ganz ohne übertriebenen Kitsch.

Denn dafür scheint vielmehr Oscar-Preisträger "Jai Ho" zuständig zu sein. So kann man der im Abspann des Films als Massenchoreographie des gesamten Casts inszenierte Bollywood-Hommage einen leichten Hang zum Indo-Pop-Pomp zwar nicht absprechen, doch sorgt die herrlich unterschwellige Selbstironie dieser Tanzszene dafür, dass man den Song mit einem gewissen Augenzwinkern hört und zu diesem furiosen Finale am liebsten mittanzen würde – herzhaft schmunzelnd wohlgemerkt.

Fazit

A.R. Rahman vereint für Danny Boyles Meisterwerk "Slumdog Millionaire" traditionelle und moderne indische Klänge, Bekanntes und Fremdartiges zu einem bemerkenswerten Ganzen, das dem Film in Qualität und Dynamik nur unwesentlich nachsteht. Die pulsierende Mischung aus ungewohnten Rhythmen, HipHop-Elementen und viel Elektronik gepaart mit ansteckenden Melodien und charmanten Effekten fordert die eigenen Hörgewohnheiten heraus, belohnt letztendlich aber selbst Nichtkenner des Films, die sich die Mühe geben, in den Soundtrack hineinzufinden. Denn hat man erst Zugang gefunden, will man die Slums von Mumbai zumindest aus musikalischer Perspektive nie mehr verlassen.

Anspieltipps

O...Saya

Mausam & Escape

Paper Planes

Latika's Theme

Jai Ho

Tracks

1.O... SayaM.I.A.
2.RiotsA.R. Rahman
3.Mausam & EscapeA.R. Rahman
4.Paper PlanesM.I.A.
5.Paper Planes (DFA Remix)M.I.A.
6.Ringa RingaA.R. Rahman
7.Liquid DanceA.R. Rahman
8.Latika's ThemeA.R. Rahman
9.Aaj Ki RaatSonu Nigam
10.MillionaireA.R. Rahman
11.Gangsta BluesA.R. Rahman
12.Dreams On FireA.R. Rahman
13.Jai HoA.R. Rahman

Paulina Banaszek - myFanbase
13.04.2009

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