Bewertung
Girls Aloud

Out Of Control

Er hat nicht wirklich gut geschmeckt muss ich zugeben. So gerne ich es auch täte, die Wertung des Albums kann leider nicht erhöht werden durch die Beilage eines Schokoriegels, für den die Gruppe Girls Aloud fleißig Werbung macht. Vernascht habe ich den Riegel natürlich trotzdem, denn er spiegelt das neue Album der britischen Popstars-Gewinner von 2002 perfekt in einem Wort wieder: Zuckersüß!

Foto: Copyright: Polydor
© Polydor

Girls Aloud haben mittlerweile 19 aufeinander folgende Top-10-Singles vorzuweisen, darunter vier Nummer Eins Hits. Die bisherigen sechs Alben waren allesamt erfolgreich. "Was?" bzw. "Wer?", werden einige Leser jetzt staunen, und das völlig berechtigt, denn die besagten Erfolge konnten die Girls bisher nur auf der britischen Insel einfahren. Auf dem europäischen Festland haben Girls Aloud nicht mal im Ansatz eine gefestigte Rolle wie ihre Kolleginnen von den Sugababes.

Gerade deshalb hat man sich mit dem Opener "The Promise" (aus besagter Schokoriegelwerbung bekannt) auf bereits erfolgreiches Terrain gewagt. Der Song begeistert mit einem Hauch 60s-Flair und souligen aber auch swingähnlichen musikalischen Anleihen. Was bei Amy Winehouse, Duffy und Co perfekt geklappt hat, lässt auch hier die Kassen klingeln. "The Promise" ging im UK auf die Eins und auch hier hätte der Song zum Erfolg werden können, wenn man den Singlestart nicht abgesagt hätte. Das gute Stück ist extrem eingängig, schön eingesungen und auch musikalisch nicht minder wertvoll. Nicht umsonst bekam die Nummer den BRIT Award für die beste Single des Jahres 2008.

Ebenso vielfältig wie die Songs sind die 5 Sängerinnen selbst. Während Cheryl Cole durch ihre Rollen als Gazettenfüllerin und Ehefrau vom englischen Fußballnationalspieler Ashley Cole einigen bekannt ist, bewies sie ihr Talent auch als Jurorin der erfolgreichsten britischen Casting-Show, "The X Factor". Die blonde Sarah Harding landet regelmäßig in den Toplisten der schönsten Frauen der Welt und schauspielert zudem. Die rothaarige Nicola Roberts ist nebenberuflich Make-Up Designerin, während ihre Kollegin Kimberley Walsh in West-End-Produktionen Theater spielt. Den stimmlichen Mittelpunkt stellt die brünette Nadine Coyle dar. Bereits mit 15 gewann sie 2001 die irische Popstars Adaption (wurde im Nachhinein aufgrund der Altersgrenze disqualifiziert) und kann eine Menge stimmliche Erfahrung mitbringen.

Anders als jedoch die Pussycat Dolls, die ein ähnliches Konzept (z.B. unterschiedliche Haarfarben) verwenden, sind bei Girls Aloud alle Stimmen gleichberechtigt. Letztlich klingen die Stimmen allerdings austauschbarer als erwartet, jedoch technisch einwandfrei. Auch die Produktion des Albums ist handwerklich sehr gelungen. "The Loving Kind" ist ein ebenso eingänger Popsong wie "The Promise", der zum Tanzen einlädt und Sommerfeeling aufkommen lässt. Die zweite Singleauskopplung gehört zu den besten Tracks des Albums. Völlig entspannt und locker geht es mit "Rolling Back The Rivers In Time" weiter. Wieder ein perfekt getrimmter Popsong, der kaum besser sein könnte. Generell sagt mir derart auf die Charts blickender Pop nicht wirklich zu, aber diese Songs sind einfach bärenstark. Während ich diese Zeilen schreibe, wackele ich pausenlos mit den Füßen oder schnippe mit den Fingern. "Love Is The Key" bedient sich wieder fröhlich an den 60ern und beschäftigt mich musikalisch regelrecht. Ein Chorgesang zu Beginn, swingende Gitarren und dynamische Electrokeys im Hauptteil des Songs und dazu die schönen, nicht aufdringlichen Stimmen der fünf Damen. "Turn To Stone" lässt dann allerdings erste Schwächen aufblitzen mit seinen etwas zu futuristisch anmutenden Discoklängen.

Mit den ersten Klängen von "Untouchable" beginnt für mich einer der heißen Kandidaten auf das Amt des besten Popsongs des Jahres 2009. Auf einem bekannten britischen Musikblog wurde das Stück als das "Stairway To Heaven" (Led Zeppelin) der Popmusik abgefeiert. Tatsächlich, bereits die ungewöhnliche Länge des Songs lässt erste Querverweise erkennen. Fast sieben Minuten erstreckt sich dieses Epos von Popsong. Eine Klangwand aus dezenten Gitarren und wuchtigen Keyboards begleitet das ganze Lied von den noch zögerlichen Strophen bis zum ersten Teil des Refrains. Nach knapp der Hälfte des Songs entwickelt sich das Lied mittels des zweiten Refrainparts zu einer absoluten Übernummer. Wenn das nicht perfekter Pop ist, was dann?

Leider folgen mit "Fix Me Up" und "Love Is Pain" recht plumpe Versuche einen Hit zu konstruieren. Dafür klingen diese Songs zu belanglos, zu austauschbar. Doch bereits mit dem nächsten Song (mit wirklich fragwürdigem Titel) beweisen Girls Aloud (oder zumindest deren Songwriter und Produzenten) wie es funktionieren kann. "Miss You Bow Wow" ist ein schneller Sommerhit der zumindest mich voll überzeugt. Nach den eher durchschnittlichen "Revolution In The Head" und "Live In The Country" folgt mit "We Wanna Party" noch einmal ein ganz ambitionierter Dancefloor-Brüller.

Fazit

Man kann von Casting Gruppen, Mainstream Pop und Hochglanz-Produktion halten was man will, aber "Out Of Control" liefert perfekten, eingängigen, sexy Pop ab. Songs wie "The Promise", "Untouchable" oder "Miss You Bow Wow" rotieren schon seit Tagen auf Anlage, PC und vor allem in meinem Kopf. Deutsche Produktionen wie die No Angels, Jeanette Biedermann und Co kann man dagegen getrost in der Ecke liegen lassen, denn wer Pop will, MUSS sich "Out Of Control" einfach anhören. Einziger wirklicher Kritikpunkt ist der Albumtitel. Denn "Außer Kontrolle" klingt für mich nicht so zahm wie diese fünf Kätzchen. In fünf Jahren stelle ich euch dann das bestimmt 10. Album von Girls Aloud vor und ihr fragt euch sicher wieder nur "Was, Wer, Wo?". Wenn's euch nicht gefällt, bleiben ja immer noch die Schokoriegel.

Anspieltipps

The Promise

The Loving Kind

Untouchable

Miss You Bow Wow

Artistpage

GirlsAloud.co.uk

Tracks

1.The Promise
2.The Loving Kind
3.Rolling Back The Rivers In Time
4.Love Is The Key
5.Turn to Stone
6.Untouchable
7.Fix Me Up
8.Love Is Pain
9.Miss You Bow Wow
10.Revolution In The Head
11.Live In The Country

Christian Finck - myFanbase
09.04.2009

Diskussion zu dieser CD