Bewertung
Decemberists, The

The Hazards of Love

Die Decemberists frönen auf ihrem mittlerweile fünften Album "The Hazards of Love" ihrer Liebe zum epischen Märchen, die sie bereits auf "The Crane Wife" haben anklingen lassen – "The Hazards of Love" ist ein Konzeptalbum, wie es im Buche steht, ein dicker Brocken, der dem Hörer so einiges an Durchhaltevermögen abverlangt. Ein Musical oder eine Rockoper, wenn man so will, mit schillernden Charakteren in einem phantastischen Universum. Und was wollte Colin Meloy, kreativer Kopf der schon immer etwas anderen Truppe aus Portland, mit all dem erreichen? Er wollte eine Brücke zwischen Folk und Metal bauen – und es ist tatsächlich gelungen.

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Schon die Tracklist macht mehr als deutlich, dass "The Hazards of Love" kein normales Album im herkömmlichen Sinn ist: Alleine das Titelstück besteht aus vier verschiedenen Teilen mit jeweils wieder eigenen Titeln – insgesamt setzt sich die Platte aus 17 Stücken zusammen, von denen aber keines eine solche Überlänge aufweist, wie man es auf "The Crane Wife" noch fand.

Die Geschichte, die Meloy erzählen wollte, verlangte aber nicht nur eine Fülle von verwirrenden Songtiteln, sondern auch einen ganzen Reigen unterschiedlicher Charaktere und (um authentischer zu wirken) unterschiedlicher Singstimmen. So sind Becky Stark von Lavender Diamond und Shara Worden von My Brightest Diamond als Gaststimmen zu hören, um es dem Hörer leichter zu machen, in die Welt von "The Hazards of Love" einzutauchen.

Die da wäre: Die schwangere Margaret (gesungen von Becky Stark) flüchtet in die Taiga, auf der Suche nach ihrem Geliebten William. Am Ende muss aber er nach ihr suchen, da sie von einem Wüstling entführt wurde. Weiterhin gibt es noch ein Wesen, das ständig seine Gestalt wechselt, und eine Waldhexe (die forest queen), die den beiden ebenfalls nicht wohl gesonnen ist.

Bis zum bitteren Ertrinken des Liebespaares, bis zum letzten wehmütigen "these hazards of love never more will trouble us" vergeht eine Stunde vollgepackt mit großen Emotionen und großen Melodien. Auch wenn Meloys Worte und Ausdrücke wie gewöhnlich nicht unbedingt leicht verständlich sind, so ist doch bei jedem Part die Stimmung oder Wesensart des jeweiligen Charakters spürbar.

Besonders die Instrumente tragen ihren Teil dazu bei: Während der liebevolle Gesang des Paares in "Isn't It A Lovely Night" mit ein paar sanften Gitarren- und Akkordeonklängen und einer noch sanfteren Pedal-Steel-Gitarre untermalt ist, wird ein düsterer Auftritt der Waldhexe in "The Queen's Rebuke/The Crossing" von wilden Prog-Rock-Riffs und Feedbacks begleitet. Auch der Charakter des Wüstlings wird im nach ihm benannten "Rake's Song" mehr als deutlich: Er erzählt vom Tod seiner Frau und wie er danach seine drei Kinder ermordete ("All I wanted was the freedom of a new life") – im Hintergrund poltert das Schlagzeug, grummelt ungehobelt die Gitarre vor sich hin und zeigen sich die Decemberists von einer so rauen Seite, sodass man am liebsten staunend die Lautstärke bis zum Anschlag hinaufdrehen möchte.

Gänsehaut verspricht auch der Moment in "The Hazards of Love 3 (Revenge!)", als der Wüstling von seinen Kindern heimgesucht wird und sie zu einer knarzenden Orgel in hellem Kinderchor verkünden "Papa, here in death, I have regained my breath".

Überhaupt zeigen sich die Decemberists von einer Seite, die man ihnen in Zeiten von "Picaresque" nicht mal ansatzweise zugetraut hätte: Die ganze Geschichte wird von melodiösen, gefühlvollen Folkparts, brachialen Gitarrenriffs und tosenden Soundcollagen gemalt, die sich immer wieder gegenseitig abwechseln und ein wunderbar stimmungsvolles Bild schaffen. Die wiederkehrenden Themen tun ihr Übriges, um die Rockoper zu vervollständigen und dem Hörer ein gewisses Gefühl des "Nach-Hause-Kommens" zu geben.

Das ist also Meloys Version von der Brücke vom Folk zum Metal: Als großes Vorbild hatte er hierbei Led Zeppelin angeführt, und man fühlt sich hin und wieder tatsächlich an so manche 70er-Hard-Rock-Band erinnert. Aber egal, wieviel Prog-Rock oder Hard-Rock oder Metal die Decemberists in ihr Stück packen, sie verleihen dieser Musik immer ihre spezielle Note und lassen sie nicht als seelenloser Krachmacher erscheinen, sondern setzen sie zum dramaturgischen Zweck ein, um diese traurig-schaurige Geschichte von Verbrechen und Liebe zu erzählen.

Fazit

"The Hazards of Love" ist ein Konzeptalbum – diese Tatsache alleine wird schon manche zurückschrecken lassen. Und es braucht tatsächlich viel Geduld und Aufgeschlossenheit, um mit ihm warm zu werden. Aber wenn man sich einmal diesem tragischen Märchen hingegeben hat, das die Decemberists da geschaffen haben, ist es schwer, sich ihm und seiner gewaltigen Inszenierung wieder zu entziehen.

Anspieltipps

Da "The Hazards of Love" ein Konzeptalbum ist, sollte es auch als solches in einem Durchgang gehört werden – potenzielle Singlekandidaten wird man sowieso nicht darauf finden.

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Decemberists.com

Tracks

1.Prelude
2.The Hazards of Love 1 (The Prettiest Whistles Won't Wrestle The Thistles Undone)
3.A Bower Scene
4.Won't Want For Love
5.The Hazards of Love 2 (Wager All)
6.The Queen's Approach
7.Isn't It A Lovely Night?
8.The Wanting Comes In Waves/Repaid
9.An Interlude
10.The Rake's Song
11.The Abduction of Margaret
12.The Queen's Rebuke/The Crossing
13.Annan Water
14.Margaret In Captivity
15.The Hazards of Love 3 (Revenge)
16.The Wanting Comes In Waves (Reprise)
17.The Hazards of Love 4 (The Drowned)

Stephanie Stummer - myFanbase
08.04.2009

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