Bewertung
Marco Kreuzpaintner

Coming In

"Hast du jemals deine Sexualität in Frage gestellt"?

Foto: Copyright: 2014 Summerstorm Entertainment GmbH / Warner Bros. Entertainment GmbH. All rights reserved.
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Inhalt

Tom Herzner (Kostja Ullmann) ist ein geschäftiger Berliner Nobel-Friseur, privat glücklich liiert mit seinem Manager Robert (Ken Duken). Haare stylen tut Tom in seinem gefragten Friseurgeschäft allerdings schon lange nicht mehr. Die Vermarktung seines selbst kreierten Männer-Shampoos ist schon zeitraubend genug. Aus Marketinggründen verschlägt es ihn schließlich nach Neukölln, wo er auf die kecke Friseurin Heidi (Aylin Tezel) trifft, die Tom sogleich in arge Bedrängnis bringt. Dank ihr landet er nicht nur mit einem spontanen Kuss-Skandal in der Presse, nebenher muss er sich auch noch Gedanken um ein Shampoo für Frauen machen.

Man ist sich schnell einig: In Heidis Kiez-Geschäft "Bel Hair" soll Tom inkognito recherchieren wie Frauen ticken. Gesagt, getan! Mit einer blonden Perücke auf dem Haupt und einem Fußball-Trikot auf dem gestählten Körper, heuert Tom nur wenige Tage später als Horst im "Bel Hair" an. Womit der vorbildliche Homo nicht gerechnet hat: Plötzlich bringt ihm das Frisieren der weiblichen Kundschaft (im "Tom Herzner" ein Tabu!) richtig Spaß, während Heidi seine Gefühlswelt ordentlich umkrempelt. Tom ist doch wohl nicht... Nein! ... plötzlich Hetero? Unmöglich! Außerdem ist Heidi ebenfalls vergeben, auch wenn ihr Freund Didi (Frederick Lau), ein leidenschaftlicher Fußballfan, sie eigentlich nicht verdient hat.

Kritik

Einst verliebte sich der homosexuelle Werbetexter Lorenz (Steffen Wink) in die alleinerziehende Sekretärin Nina (Franka Potente), unter der Regie von Thomas Bahmann. Es offenbarte sich ein filmisches "Coming In", das 1997 mit einer hinterfragenden Gefühlsachterbahn im abendlichen TV-Programm zu unterhalten wusste. Man könnte also augenscheinlich annehmen, mit Marco Kreuzpainters gleichnamiger RomCom outet sich nun ein Remake von Bahmanns "Coming In". Falsch! Obgleich beiden Filmen ein ähnliches Konzept - mit einer identischen Prämisse - zugrunde liegt, erzählt Kreuzpainters "Coming In" eine etwas andere, modernere und frechere Boy-meets-Girl-Lovestory, die von dem prominenten Cast um Kostja Ullmann, Aylin Tezel, Katja Riemann und Ken Duken nur profitieren kann. Gute Gründe für ein 'Going In' sind absolut vorhanden.

In "Coming In" trifft die Berliner High Society auf den Berliner Durchschnittsbürger, Homo auf Hetero und darüber hinaus spielen natürlich die Diskrepanzen zwischen den Geschlechtern keine unwesentliche Rolle. Kiezfriseurin Heidi, sympathisch frech gespielt von "3 Zimmer/Küche/Bad"-Darstellerin Aylin Tezel, würde wohl von Nuancen sprechen. Nuancen, von denen Kostja Ullmann ("Sommersturm") als gefragter Haarstylist Tom zunächst nichts versteht. Nun ja, mit Frauen hat Tom eben nichts am Hut, nicht einmal in seinem Nobel-Friseurgeschäft "Tom Herzner". Das stellt seine geschätzte (Achtung Ausnahme!) Salonchefin Berta, gewohnt bissig gemimt von Katja Riemann, eingangs gleich mal klar, indem sie eine Kundin lapidar des Hauses verweist. Spätestens mit Auftauchen von Toms Freunden dürfte dann endgültig klar sein, dass das Adverb andersrum hier nicht nur als Titel für ein Schwulenmagazin herhält, sondern Programm ist.

Ja, Marco Kreuzpainter, der mit seiner Dramödie "Sommersturm" 2004 bereits ein filmisches Coming-Out der feinfühligen Art feierte und dafür unter anderem mit dem New Faces Award als bester Nachwuchsregisseur ausgezeichnet wurde, dreht dieses Outing einfach mal um. Wie gut, dass der "Krabat"-Regisseur sein Handwerk versteht und auch mit den gängigen Klischees einer RomCom zu jonglieren weiß, während das Andersrum in einer etwas schrägen Gagparade zelebriert wird. Für romantische Stunden sorgt so etwa eine nächtliche Motorrad-Tour, die geradewegs in ein schwules Unterwasser-Theaterstück namens "Romeo & Julia in Verona Bay" (oder so ähnlich) führt. Auf die obligatorische Kussszene in verregneter Atmosphäre ist ebenfalls Verlass. Tragisch: Nur wenige Szenen zuvor malte noch Toms Liebster (Ken Duken), in Liebe entbrannt, ein Herz in die beschlagene Duschkabine. Okay, der Humor ist mitunter vielleicht eine Spur zu pink aufgetragen, herzhafte Lacher sind dafür aber garantiert.

Das Sahnehäubchen obendrauf: Toms guter Freund Salvatore, brillant überzogen dargestellt von August Zirner. Seine schrillen Outfits schießen definitiv den Geschmacksvogel ab. Sein Auftritt als Vater des "Anders sein" versprüht wiederum einen leicht diskriminierenden Touch in Richtung heterogene Zone. Doch genau darum geht es in "Coming In" schließlich: Den Mut, das auszuleben was man fühlt, egal, was das Umfeld einzuwenden hat. In Toms Fall heißt das nun einmal: Hetero ist das neue Homo, "Coming In" das neue "Coming Out".

Laune macht zudem das dynamische Zusammenspiel von Kostja Ullmann und Aylin Tezel, wenngleich manche Szenen – storytechnisch – leicht gekünstelt in Erscheinung treten. Bewaffnet mit Kamm, Schere und einem ansteckenden Strahlen im Gesicht frisieren sich die beiden in ein kurzweilig charmantes Liebesintermezzo, das der RomCom vielleicht kein einzigartiges Styling verpasst, aber einfach gut unterhält. Die Lebendigkeit der Figuren ist dabei eindeutig den ausdrucksstarken Hauptdarstellern zu verdanken. Denn Hand aufs Herz, die Charaktere sind überwiegend schemenhaft skizziert. Bestes Beispiel im Nebencast: Heidis modelnde Schwester Maja (Paula Riemann), die in ihrer eindimensionalen Ausarbeitung genauso oberflächlich daherkommt wie in ihrem stereotypen Auftreten. Toms Charakter birgt sowieso das größte Entwicklungspotential. Sein "Dancing with Sharks", wie es der ohrwurmlastige Pop-Song von Chris Schummert passend ausdrückt, ist um einiges interessanter als Heidis eingeschlafene Beziehung mit dem obsessiven Fußballfan Didi. Leider fällt die Konfliktlösung in ihrem Fall arg simpel aus. Dadurch gestaltet sich das Happy End nicht unbedingt außergewöhnlich romantisch, aber süß.

Fazit

Die spritzig schrille Romantikkomödie von "Sommersturm"-Regisseur Marco Kreuzpainter wirkt an manchen Stellen etwas überzeichnet und schwächelt in puncto Konfliktlösung, macht aber Laune, indes sich Kostja Ullmann und Aylin Tezel in ein ungewöhnlich gewöhnliches Liebesintermezzo frisieren. Vielleicht nicht die RomCom des Jahres, alles in allem aber mehr In, als Out!

Doreen B. - myFanbase
19.10.2014

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