Bewertung
Paolo Sorrentino

La Grande Bellezza - Die große Schönheit

"What job do you do?" - "Me? I'm rich." - "Great job."

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Inhalt

Jep Gambardella (Toni Servillo) ist Journalist, Charmeur und seit Jahrzehnten gern gesehener Gast im Nachtleben Roms. Doch als er schließlich 65 Jahre wird und ihn ein Schock aus der Vergangenheit bis ins Mark erschüttert, beginnt Jep, seinen Lebensstil mit all den Parties und Nachtclubs und sein Umfeld zu hinterfragen und entdeckt hierbei auf der Suche nach Bedeutung die zeitlose Schönheit der italienischen Hauptstadt.

Kritik

Paolo Sorrentino, der bereits mit "Il Divo" international für Beachtung sorgte und mit seinem ersten englischsprachigen Werk "Cheyenne – This Must Be the Place" kurzerhand nicht nur Sean Penn für sich gewinnen konnte, sondern ihn auch noch mal so eben erfolgreich zum abgehalfterten Rockmusiker machte, ist mit "La Grande Bellezza" endgültig der große Wurf gelungen. Neben dem Oscar für den besten fremdsprachigen Film 2014 gab es unter anderem auch den Golden Globe und den BAFTA-Award in derselben Kategorie sowie den Europäischen Filmpreis. Doch was ist besonders am neuen Film Sorrentinos? Dies weiß man bereits bei der ersten Einstellung – er ist wunderschön in Szene gesetzt. "La Grande Bellezza" ist optisch schlicht atemberaubend und entfaltet über den Verlauf von knapp zweieinhalb Stunden eine geradezu berauschende Wirkung. Nie sah Rom verlockender und lebendiger aus, nie hatte man mehr den Eindruck, mitten in der High Society der italienischen Hauptstadt angekommen zu sein und an ihr teilnehmen zu können, ihren lauten Nachtclubs, ihren schrillen Parties, ihrer facettenreichen Kultur und vor allem auch ihrer Dekadenz.

Dieses Verschwenderische, das Ausschweifende, ist ein elementares Element des Films. Es wird ein Umfeld präsentiert, bei dem man mit einem halbwegs geerdeten Hintergrund durchaus Schwierigkeiten hat, es mit ihren vermeintlichen Problemen ernstzunehmen. Entweder man hat geerbt oder lebt bereits so lange auf großem Fuße, dass man sich kaum noch daran erinnern kann, wie es denn so sein mag am anderen Ende, mit etwas mehr Bescheidenheit. Dennoch ist man fasziniert von ihnen, den Reichen und den Schönen und wie sie zu den Charakteren wurden, die sie nun sind. Es wäre ein Leichtes gewesen, all das der Lächerlichkeit preiszugeben, die Oberflächlichkeit anzuprangern und mit Hauptcharakter Jep den maßgeblichen Katalysator zu haben, der dies als Dienst für den Zuschauer Schicht für Schicht offenlegt. Aber darum geht es nicht, auch wenn es fürwahr genug Szenen gibt, die ob ihrer kompletten Losgelöstheit von allen Vernunftkonventionen natürlich dennoch ein Schmunzeln hervorrufen. Sorrentino behandelt die Menschen nicht nach ihrem Habitus, sondern danach, wohin sie sich bewegen, was sie antreibt und erinnert hierbei in mehr als nur einer Situation an Federico Fellinis "La Dolce Vita".

Und sie bewegen sich nicht. Sie tun es einfach nicht. Sie bleiben nicht nur geographisch gesehen immer am selben Ort, sie haben auch gar nicht vor, sich zu ändern, auf andere Art und Weise auf das Umfeld zu reagieren, wie sie es noch vor zehn bis 20 Jahren getan haben oder das zu hinterfragen, was sie tun und wer sie sind. Sie schweben durch das Leben, regungslos und unfähig, eine signifikante Bewegung in die eine oder die andere Richtung zu machen. Viele sind tief in ihrem Inneren so satt, dass sie am liebsten laut schreien und verschwinden würden. Aber das tun sie nicht, was sicherlich vielfältige Gründe hat. Am Ende wird es wohl eine Mischung aus Bequemlichkeit, Angst und sozioökonomischen Erwägungen sein. Andere fühlen sich pudelwohl, genau dort wo sie sich befinden. Inmitten von ihnen schwebt Jep, jener Journalist, dessen erster Roman mittlerweile Jahrzehnte her ist und der es sich zur Aufgabe gemacht hat, nicht nur Teil der Partyszene Roms zu sein, sondern diese auch entscheidend zu prägen. Ein 65-jähriger Mann, der sich mit seiner Anstellung als Journalist genug zeitliche und finanzielle Freiheiten erkämpft hat, um in jeglicher Hinsicht den schönen Seiten des Lebens nachzugehen, ohne jemals wirklich Verantwortung übernehmen zu müssen. Jep ist Lebemann par excellence, immer in den teuersten Anzügen, mit Zigarette im Mundwinkel und Whiskey in der Hand. Er fühlt sich eigentlich ganz wohl bei dem, was er tut. Als er dann aber etwas aus seiner Vergangenheit erfährt, aus einer Zeit, als er noch ein anderer Mann war und andere Menschen und Gefühle an sich ran ließ, erinnert er sich an diese Zeit und deren Schönheit zurück. Nun hat er eine Richtung im Gegensatz zu den Menschen um ihn herum, und er ist bereit, diesen Weg zu gehen, sich so zu fühlen wie früher und die Schönheit, die ihn umgibt, bewusster wahrzunehmen.

Toni Servillo als Jep nimmt man durchweg diesen Wandel ab und man bekommt gleichzeitig nicht den Eindruck vermittelt, diese sei sonderlich offensichtlich. Eher subtil offenbart sich, was in Jep vorgeht und wie sehr ihn die Nachricht aus der Vergangenheit schon fast in seinen Grundfesten erschüttert. Insbesondere in der Mimik merkt man bei Servillo sehr schnell, ob er wieder eher einen gelangweilt-seriösen Eindruck macht oder aufrichtig fasziniert und interessiert ist, ohne dass dabei die große Keule ausgepackt werden muss. Die anderen Figuren des Films sind eher als homogene Masse zu sehen, bei der niemand so recht einen bleibenden Eindruck hinterlässt, und die eher in ihrer Gesamtheit repräsentieren soll, gegen was Jep langsam aufbegehrt und womit er hervor sticht. Da ist es gar nicht zwingend gewollt, jemand anderen ins Rampenlicht zu stellen. Dies ist aber auch gar nicht notwendig, da alle Figuren eines eint: Sie sind allesamt extrem gut geschrieben. Auch sie haben gewiss mitunter Angst und hadern mit sich und der Welt, aber es ist eben nicht ihre Geschichte, sondern die von Jep, weswegen dies nur angedeutet wird. Darüber hinaus sind die Dialoge selbst mit das beste, was das Kino in den letzten Jahren zu bieten hatte, von schmissigen Einzeilern über hintergründige philosophische Gespräche bis zu verletzenden Abrechnungen ist alles dabei, und es war selten so eloquent und fügte sich so homogen in das große Ganze ein.

Fazit

Was nach zweieinhalb Stunden Reise durch Rom und dessen mitunter skurriler High Society bleibt, ist ein prächtig aufgelegter Toni Servillo, dessen Charme in der Figur des Jep Gambardella ihn schnell zur Identifikationsfigur macht, und vor allem die sagenhafte Optik. Und so ist man sich am Ende, wenn die Kamera im Abspann sanft über den grün-braunen Tiber streift und dabei Vladimir Martynovs "The Beautitudes" ertönt, sicher, das "La Dolce Vita" der Berlusconi-Ära erlebt zu haben. Den Vergleich mit einem der größten Regisseure Italiens muss Sorrentino nach einem derartigen Werk zumindest nicht scheuen.

Andreas K. - myFanbase
31.05.2014

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