Stories We Tell
"When you're in the middle of a story, it isn't a story at all but rather a confusion, a dark roaring, a blindness, a wreckage of shattered glass and splintered wood, like a house in a whirlwind or else a boat crushed by the icebergs or swept over the rapids, and all aboard are powerless to stop it. It's only afterwards that it becomes anything like a story at all, when you're telling it to yourself or someone else."
Inhalt
Sarah Polley, angesagte Schauspielerin und oscarnominierte Regisseurin, elaboriert mit "Stories We Tell", wie Erzählungen geschaffen werden, worauf sie fußen, warum sie sich je nach Person in teils erheblichem Maße unterscheiden, wie man seine eigenen Geschichten mit der Zeit minimal, aber doch bedeutungsvoll abändert und wie der eigene Standpunkt das beeinflusst, was man irrtümlicherweise als Geschehen bezeichnet. Polley nutzt hierzu die eigene Familiengeschichte, mit besonderem Fokus auf dem aufregenden Leben ihrer Mutter und deckt schließlich ein großes Geheimnis auf.
Kritik
Irgendwie ironisch ist es ja schon, einen Film zu bewerten, bei dem selbst die Hauptverantwortliche offen zugibt, gar nicht so recht zu wissen, worauf sie eigentlich hinaus will. Eher war es die vage Vorstellung von Sarah Polley, ihres Zeichens gern gebuchte Schauspielerin ("Mr. Nobody") und überaus angesehene Regisseurin ("Take This Waltz", "An ihrer Seite"), was sie thematisieren möchte, jedoch ohne Wissen darüber, ob der entstehende Film ein Privatvideo bleibt oder der breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird. Nein, "Stories We Tell" ist keine gewöhnliche Dokumentation, wie auch die doch eher abstrakte Inhaltsangabe zeigt. Wie fasst man ein derart breitgefächertes Thema, das schnell ausufern kann? Vor allem aber: Wie bringt man so etwas auch tatsächlich an den Mann und bringt das Publikum dazu, sich für die aufgeworfenen Fragestellungen ebenso zu interessieren wie für die Geschichten einer Familie, die einem eigentlich gänzlich fremd ist?
Interessanterweise ist dieser Umstand – die Vertrautheit der Polley-Familie und ihrer wichtigsten Wegbegleiter untereinander – einer der größten Pluspunkte, führt er doch dazu, dass sich die unsichtbare Wand zwischen Geschehen auf der großen Leinwand und dem Zuschauer schnell auflöst. Denn irgendwie wird man das Gefühl nicht los, gerade Zeuge des hausgemachten Werks eines Familienmitglieds oder zumindest engen Freundes zu sein. Polleys vielfach ausgezeichneter Dokumentarfilm zeigt eine Familie, die so herzerweichend offen, witzig, eloquent und liebevoll ist, dass man sofort Teil davon sein möchte und durch die nicht vorhandene Distanz in der Inszenierung diese Empfindung teils sogar erwidert spürt. Egal ob Vater, Bruder, Schwester, Freundin oder alter Bekannter – der wohltuend direkte und unverblümte Umgang aller mit der Interviewerin Polley trägt so einiges dazu bei, dass man thematisch schnell unter die Oberfläche taucht und sich nicht mit Floskeln zufrieden gibt.
Polley nutzt zahlreiche in den vergangenen Jahrzehnten innerhalb der Familie entstandenen Filmaufnahmen, um das aktuell Erzählte durch diese Rückblenden optisch zu untermauern. Teilweise bringt sie zudem einen geringen fiktiven Anteil in den Film, indem sie einige (Schlüssel-)Momente, die nie auf Film gebannt wurden, durch Schauspieler nachspielen lässt und auf diese Weise so manche erzählerische Lücke zu füllen vermag. Durch den Einsatz einer Super-8-Kamera fügt sich dies auch inszenatorisch nahtlos in das Gesamtbild ein. Auch aktuelle Aufnahmen erfolgen teils mit dieser Kamera, ganz ohne HD oder ähnlichem Schnickschnack, was neben der hervorstechenden Optik auch den faszinierenden Effekt hat, dass die Eigenschaft einer jeden Geschichte – eine gewisse Voreingenommenheit und nie eindeutige oder klare Darstellung – so auch sichtbar gemacht wird.
Aber "Stories We Tell" geht nicht nur gleichermaßen interessanten wie wichtigen Fragen nach und macht dies auf erfrischende Art und Weise, man erzählt auch eine Geschichte, die es wert ist, in dieser Form ausgebreitet und verteilt zu werden. Durch das geschickte Zusammenspiel von Retrospektive, Gegenwart, Erzählung, Interview, Präsentation von Fakten und ebenso auch von wechselnden Gesprächspartnern und deren Perspektiven wird eine schlicht und ergreifend hochspannende Geschichte rund um Polleys Mutter und insbesondere ihre Erlebnisse in Montreal erzählt. Wie in klassischen Kriminalfilmen begibt man sich als Zuschauer genauso wie Polley selbst auf falsche Spuren und muss Schicht für Schicht abtragen, um am Ende bei der Wahrheit zu landen. Dass hierbei am Ende ein bedeutungsvolles Geheimnis zutage tritt, von dem die Regisseurin zwar zugegebenermaßen bereits seit geraumer Zeit wusste, nicht jedoch ihr Umfeld, erhöht die Brisanz, vor allem aber die Relevanz des Films in seiner dargestellten Form.
Fazit
"Stories We Tell" ist eine ungewöhnliche Dokumentation, zwischen vertrautem Heimvideo und spannendem Kriminalthriller, die spielerisch und dennoch profund elementare Fragen darüber, was eine Geschichte eigentlich ist und was sie ausmacht, aufwirft und zu beantworten versucht. Selten war Spurensuche so aufregend und schön zugleich.
Andreas K. - myFanbase
13.05.2014
Diskussion zu diesem Film
Weitere Informationen
Originaltitel: Stories We TellVeröffentlichungsdatum (Kanada): 12.10.2012
Veröffentlichungsdatum (DE): 27.03.2014
Länge: 108 Minuten
Regisseur: Sarah Polley
Drehbuchautor: Sarah Polley, Michael Polley (Erzählung)
Genre: Dokumentation
Darsteller/Charaktere
Michael Polley
als er selbst
Mark Polley
als er selbst
Joanna Polley
als sie selbst
Harry Gulkin
als er selbst
Cathy Gulkin
als sie selbst
Rebecca Jenkins
als Diane Polley
Peter Evans
als Michael Polley
Alex Hatz
als Harry Gulkin
Aktuelle Kommentare
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