Bewertung
Étienne Chatiliez

Tanguy - Der Nesthocker

À 28 ans, toujours chez ses parents.

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Inhalt

Der 28-jährige Tanguy (Eric Berger) lebt immernoch bei seinen Eltern Edith (Sabine Azéma) und Paul (André Dussollier) in deren geräumiger Dachwohnung im Herzen von Paris. Ans Ausziehen denkt der junge Akademiker überhaupt nicht, der sich daheim pudelwohl fühlt und die Vorzüge genießt, nicht selbst kochen und waschen zu müssen und zudem nichts zu bezahlen. Edith und Paul wollen ihren Sprössling aber endlich loswerden, um ihr Ruhe zu haben, doch das ist ein schwierigeres Unterfangen, als man glauben mag...

Kritik

Es war eigentlich eine Geschichte in Italien, die den französischen Regisseur und Co-Drehbuchautor Étienne Chatiliez dazu inspirierte,"Tanguy" zu schreiben und zu inszenieren. Ein Artikel im Courrier International berichtete von einer Italienerin, die ihren 31-jährigen Sohn endgültig von daheim rausschmiss, indem sie das Wohnungsschloss wechseln ließ. Der Sohn zog jedoch vor Gericht und gewann, sodass die Mutter gezwungen war, ihren Sohn wieder bei sich einziehen zu lassen. So absurd dies auch klingen mag, das Leben schreibt eben solche Geschichten und genauso absurd geht es auch in "Tanguy" des Öfteren mal zu – allerdings mit einer ordentlichen Prise Humor.

Der wahre Star der Geschichte ist eigentlich nicht der titelgebende Tanguy, der manchmal eine nahezu unerträglich höfliche Nervensäge ist, sondern vielmehr seine immer verzweifelteren Eltern Edith und Paul, die ihren erwachsenen Sohn endlich loswerden wollen. Edith und Paul sind ein liebevolles Ehe- und Elternpaar, das mit ihrer Zuvorkommenheit ganz klar auch selbst daran Schuld ist, dass ihr Sohnemann immernoch daheim wohnt, aber endgültig genug hat, als Tanguys geplanter Auslandsaufenthalt, auf den sie sich so gefreut hatten, sich erneut um ein Jahr verschiebt. Als der Kampf gegen Tanguy losgeht, nimmt Mutter Edith ganz klassisch die eher psychologische Kampfführung auf, während Vater Paul mit physischer "Gewalt" voran geht. Die Versuche der Eltern, ihr Kind aus dem Heim zu ekeln, sind mitunter sehr witzig gestaltet, vor allem, da sie die Rollen komplett umdrehen: Die Eltern spielen kindische Streiche, der Sohn erträgt alles mit stoischer Ruhe.

Humortechnisch setzt "Tanguy" sehr viel auf klassischen Slapstick-Humor und dies gelingt ihm oft auch gut, trotz mancher Übertriebenheit. Dramaturgisch jedoch verhaspelt sich der Film dann leider ab der zweiten Hälfte der Spielzeit und dreht sich zusehends im Kreise. Auch wenn sich die gegenseitigen Sticheleien von Eltern und Sohn bis zum Ende hin drastisch zuspitzen – so geht der ganze Fall nämlich tatsächlich auch vor Gericht –, verliert der Film mit der Zeit zusehends an Energie und Esprit, ja schlägt zum Schluss fast schon dramatische Töne an, die ein wenig fehl am Platz wirken. Das Ende jedoch ist mit seinem Augenzwinkern ein gelungenes und rundet die insgesamt solide Komödie gut ab.

Fazit

"Tanguy" ist eine nette französische Komödie, die das durchaus aktuelle Thema des Nesthocker-Syndroms, das in den letzten Jahren aufgrund längerer Ausbildungszeiten und späterer Familiengründung sicherlich an Relevanz gewonnen hat, mit viel Humor und Slapstick thematisiert, und einen stellenweise kreativ-witzig geratenen Kampf zwischen Eltern und Sohn zeigt. Nett und unterhaltsam, mehr aber auch nicht.

Maria Gruber - myFanbase
30.12.2013

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