Nader und Simin - Eine Trennung
"Ich weiß, dass er mein Vater ist."
Inhalt
Das Ehepaar Nader (Peyman Moaadi) und Simin (Leila Hatami) steht kurz vor der Scheidung. Der Grund dafür ist der Umstand, dass Simin ihre iranische Heimat zusammen mit der gemeinsamen Tochter Termeh (Sarina Farhadi) verlassen, Nader hingegen im Iran bleiben will, um sich um seinen an Alzheimer erkrankten Vater (Ali-Asghar Shahbazi) zu kümmern. Als die beiden zu keiner Einigung kommen, reicht Simin die Scheidung ein und zieht zu ihrer Mutter. Termeh bleibt zunächst bei seinem Vater und dem kranken Großvater. Da Nader berufstätig ist und nun niemand mehr da ist, der sich um seinen Vater kümmern könnte, stellt er die Haushaltshilfe Razieh (Sareh Bayt) ein, die aber mit der Pflege schnell überfordert ist. Nachdem Nader von der Arbeit nach Hause kommt und seinen Vater gefesselt ans Bett vorfindet, kommt es zu einem folgenschweren Eklat...
Kritik
Das Drama "Nader und Simin – Eine Trennung" des iranischen Regisseurs Asghar Farhadi gewann im Jahr 2011 den Hauptpreis der Berlinale, den goldenen Bären und setzte danach seinen Siegeszug durch zahlreiche Festivals immer weiter fort, bis der Höhepunkt dann bei der Oscar-Verleihung 2012 erreicht wurde, als das Charakterdrama den Oscar für den besten fremdsprachigen Film erhielt und damit der erste iranische Film überhaupt war, dem diese Ehre zuteil wurde. Und dieser Preisregen kommt nicht von ungefähr, ist das außerordentlich dicht erzählte und brillant gespielte Drama doch ein bemerkenswerter Film, der das vielschichtige Portrait zweier mit dem Leben ringenden Männer zeigt und nebenher auf überaus intelligente Weise sich noch mit Fragen der Moralität auseinandersetzt.
Bei dem Titel "Nader und Simin – Eine Trennung" vermutet man als Zuschauer zunächst eher ein Liebesdrama im Stile von "Blue Valentine". Dieser Film geht aber in eine etwas andere Richtung und nimmt die im Titel beschriebene Trennung eher als Ausgangspunkt, die eine Reihe schicksalhafter Ereignisse in Gang setzt, die schließlich zwei Familien in ein Netz aus Lügen und moralisch ambivalenten Entscheidungen führt. Ausgangspunkt ist, wie bereits erwähnt, die Trennung des seit 14 Jahren verheirateten Ehepaars Nader und Simin. Simin will mit der gemeinsamen Tochter den Iran verlassen, weil sie ihr Kind nicht in diesem Land aufwachsen lassen will. Nader hingegen will und kann den Iran aufgrund seines Alzheimer-kranken Vaters nicht verlassen. Aus diesem Konflikt resultiert dann die Trennung und Simin zieht von zu Hause aus, was Nader dazu veranlasst, eine Haushaltshilfe einzustellen, die sich um seinen kranken Vater kümmert, wenn er arbeiten geht. Nachdem aber diese Haushaltshilfe Razieh sich einen für Nader unverzeihlichen Fehler leistet, kommt es zum Streit und zu einem kleinen Handgemenge, welches dazu führt, dass die schwangere Razieh ihr Kind verliert. Die Frage, die nun im Zentrum des Films steht, ist die, ob Nader gewusst hat, dass Razieh schwanger ist und ob er für den Mord an dem ungeborenen Kind verantwortlich gemacht werden kann.
Dieser Konflikt spielt sich hauptsächlich zwischen Nader, der sich für unschuldig hält, und Raziehs Ehemann Hodjat, der von der Schuld Naders überzeugt ist, ab. Regisseur und Drehbuchautor Asghar Farhadi gelingt es ausgezeichnet, nicht Partei für eine der Seiten zu ergreifen, sondern alle Charaktere vielschichtig mit Stärken und Schwächen zu zeichnen. Der gerade arbeitslos gewordene und mit dem Leben hadernde Hodjat trifft auf den von seiner Frau verlassenen und mit einem sterbenskranken Vater allein gelassenen Nader. Beide kämpfen nicht nur um ihr Recht, sondern auch darum, irgendwie ihr Leben wieder auf die Reihe zu bekommen, kämpfen gegen die eigenen, inneren Dämonen und die Schwierigkeiten und Ungerechtigkeiten des Lebens. Als Zuschauer ist man hin und her gerissen, wem man hier glauben kann und sieht sich mit einem Moralbegriff konfrontiert, der mehr und mehr schwammig wird. Wer hier einen hoch politischen, stark gesellschaftskritischen Film erwartet hat, der wird vielleicht ein wenig enttäuscht werden. Natürlich spielt Politik auch hier eine Rolle, besonders auch deswegen, weil ja gerade der Ausgangspunkt all der Ereignisse der ist, dass Simin das Land verlassen will, doch vor allem geht es hier um die tiefe Ausleuchtung zweier Menschen und deshalb ist der Film auch vielmehr Charakter- als Politdrama.
Bemerkenswert ist auch, wie hier die Justiz dargestellt wird. Hört man in den Medien oft etwas von politischer Willkür im iranischen Justizsystem, so setzt Farhadi dem hier einen fairen, nachdenklichen, nach Gerechtigkeit strebenden Polizeiapparat entgegen, der zeigt, dass auch in einem Land der Ungerechtigkeit stellenweise doch zumindest versucht wird, nach einer gewissen Art von Gerechtigkeit zu streben. Dass der Film eine so hohe Intensität entfaltet, ist zum großen Teil auch dem groß aufspielenden Darstellerensemble zu verdanken, das bis in die kleinste Nebenrolle glänzend besetzt ist - jemanden hier noch hervorzuheben, ist kaum möglich.
Fazit
Der Gewinner des Oscars 2012 für den besten fremdsprachigen Film ist ein zutiefst menschliches Charakterdrama, welches eine ruhige, fast leise Erzählstruktur aufweist und gerade auch deswegen eine ungeheure Sogwirkung entfacht und einen schlussendlich tief berührt und nachdenklich stimmt. Ein toller, ein wichtiger Film!
Moritz Stock - myFanbase
04.03.2012
Diskussion zu diesem Film
Weitere Informationen
Originaltitel: Jodaeiye Nader az SiminVeröffentlichungsdatum (Iran): 16.03.2011
Veröffentlichungsdatum (DE): 14.07.2011
Länge: 123 Minuten
Regisseur: Asghar Farhadi
Drehbuchautor: Asghar Farhadi
Genre: Familie, Drama
Darsteller/Charaktere
Peyman Moadi
als Nader
Leila Hatami
als Simin
Sarina Farhadi
als Termeh
Sareh Bayat
als Razieh
Shahab Hosseini
als Hodjat
Ali-Asghar Shahbazi
als Naders Vater
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als Merila Zare'i Miss Ghahraii
Babak Karimi
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