Bewertung
Detlev Buck

Knallhart

"Weißt du, was ich mir manchmal wünsche? Manchmal wünsche ich mir, dass es still ist. Einfach Stille in meinem Kopf. Niemand redet. Niemand ist da. Alle sind verschwunden. Und ich habe Ruhe."

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Inhalt

Raus aus dem Reichenviertel, rein in die sozialen Brennpunkte Berlins. Genau das steht Michael Polischka (David Kross) und seiner Mutter Miriam (Jenny Elvers-Elbertzhagen) bevor. Da Miriam ihrem bisherigen Lebensgefährten Dr. Peters zu dick geworden ist, setzt er die beiden vor die Tür. Ohne Geld, ohne Wohnung, ohne Job. In seiner neuen Wohngegend Neukölln wird er von Erol (Oktay Özdemir) und dessen Gang erpresst, gequält und gedemütigt. Da Michael kein Geld hat, bricht er mit seinen Freunden Matze (Kai Michael Müller) und Crille (Arnel Taci) in die Villa von Dr. Peters ein. Seine Mutter entdeckt schon bald sein Diebesgut, mit dem er seine Erpresser bezahlen und dadurch vom Leib halten will, und ihre Beziehung wird komplizierter. Zum Glück wird Michael eines Tages von mysteriösen Männern vor seinen Peinigern gerettet. Ihr Anführer bietet ihm im Gegenzug einen Job an. Während Michaels Mutter nun versucht, wohlhabende Männer aufzureißen, verdient Michael sein Taschengeld als Drogenkurier.

Kritik

"Hey2, dachte sich ein Regisseur, "ich hab' da 'ne super Idee, wir nehmen einen nicht allzu guten Jugendroman und versuchen einen noch schlechteren Film daraus zu machen." - "Toller Plan", stieg der Produzent ein, "und um das ganze irgendwie massentauglich zu machen, bauen wir alle möglichen Klischees ein, die uns so einfallen." - "Hihi, genau", stimmte der Casting-Chef zu. "Und damit es so richtig nervig und anstrengend wird, casten wir 'Schauspieler' wie die Elvers-Elbertzhagen", und rieb sich die Hände. So oder so ähnlich stelle ich mir die Planung des Films vor.

Schon die Romanvorlage weist logische Schwächen auf. Schade ist jedoch, dass Buck diese teilweise übernimmt. So zieht sich zum Beispiel das Ende unglaubwürdig lange hinaus, vermutlich, um Spannung zu erzeugen. In die Geschichte wird ein Mädchen integriert, zu dem Michael scheinbar etwas ähnliches wie eine Beziehung aufbauen möchte. Dieser Handlungsstrang wird jedoch so schnell er eingeführt wurde auch wieder fallen gelassen. Außer Spesen nix gewesen. Nicht jeder Film braucht Romantik oder etwas, das sich dafür hält.

Ähnlich anstrengend ist die gesamte Erzählweise des Films, die meiner Meinung nach ohne Vorkenntnisse aus der Romanvorlage nur schwer nachzuvollziehen ist. Ständig wechselt die Szenerie, häufig so unvermittelt, dass einem nicht klar ist, warum was wo passiert. Viele Figuren bleiben flach und charakterschwach. Die, die es nicht bleiben, sind einfach unglaubwürdig. So zum Beispiel ein Bekannter der Mutter namens "Hotte". Angeblich ein gefährlicher Altgangster, der auf dem Schulhof selbst noch verprügelt wurde, strahlt einem in 80er-Jahre Trainingsanzug und seltsamer Frisur entgegen. Noch weniger überzeugend ist meiner Meinung nach der gefährliche Anführer der Schulgang, Erol. Ein absolut klischeebesetzter Türke, der nicht nur aufgrund dieser typisierten Umsetzung, sondern auch seiner gesamten äußeren Erscheinung mehr Meerschweinchen als beängstigender Kleinkrimineller zu sein scheint. Ähnlich klischeebehaftet ist die Darstellung des Drogenbosses, der im italienischen Mafiosi-Stil auf einem Barbierstuhl sitzt und sich mit einem alten Rasiermesser den Bart frisieren lässt.

Doch nicht nur die Darstellung der Figuren und ihre Charakterisierung kann einen betrübt stimmen, das ganze wird getoppt von der sich vollkommen blamierenden Jenny Elvers-Elbertzhagen. Weiß Gott, wer auf die Idee kam, sie für eine eigentlich ernst zu nehmende Teenagertragödie zu engagieren, es war ein Fehler. Ich fand es immer schwierig, schauspielerische Leistung zu bewerten, da so viel Subjektivität und Interpretation mit reinspielt. Jetzt weiß ich, was wirklich schlechtes Schauspiel ist, danke! Emotionslos, ausdruckslos, unglaubwürdig, lächerlich. Einzig David Kross und Arnel Taci können in ihren Rollen als Michael und Crille wirklich überzeugen.

Nach so viel Kritik nun aber auch die Aspekte, die mich dazu bewegt haben, vier Punkte zu vergeben: Der Film ist in seiner technisch-ästhetischen Machart sehr ansehnlich und interessant. So trist und grau wie die Handlung, zeigt sich auch das Filmbild. Die Farbstärke wurde stark herunter gesetzt, das Bild wirkt sehr grobkörnig. So kann zumindest auf dieser Ebene die Stimmung vermittelt werden, die der Film eigentlich transportieren möchte, es aber an allen anderen Stellen nicht schafft. Die Realität, die dargestellt werden soll, wird wenigstens über das Bild verstärkt. Desweiteren steckt hinter der Erzählung leider viel Wahrheit und eine gute Idee. Buck zeigt die Abgründe des Alltags mancher Jugendliche und die Blindheit der Erwachsenen gegenüber ihrer Probleme.

Fazit

Eine grundsolide Geschichte, die die filmische Umsetzung knallhart vergeigt. Neben vielen Schwächen können sich einige wenige Stärken herausstellen. Zum Glück sind Geschmäcker, Wahrnehmungen und Meinungen verschieden und subjektiv. Ich persönlich finde jedoch kaum Gründe dafür, dass dieser Film auch noch mit Preisen ausgezeichnet wurde. Letztlich wollte ich auch einfach nur meine Ruhe und zwar vor diesem Film.

Janina Funk - myFanbase
15.02.2012

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