Bewertung
Kilian Riedhof

Homevideo

"Die ham' das doch alle auf ihren Handys, mann, ich kann mich gleich umbringen!"

Foto: Copyright: AL!VE AG
© AL!VE AG

Inhalt

Der 15-jährige Jakob Moormann (Jonas Nay) lebt in schwierigen familiären Verhältnissen. Seine Eltern streiten sich ständig, daher muss er sich häufig um seine kleine Schwester kümmern. Eines Tages filmt Jakob sich beim Onanieren. Durch einen unglücklichen Zufall gerät die Kamera in die Hände seiner Klassenkameraden Henry (Jannik Schümann) und Erik (Tom Wolf), die Jonas mit dem Video mobben und erpressen. Jakobs Vater, von Beruf Polizist, versucht seinem Sohn zu helfen und nimmt Henry die Speicherkarte weg. Leider denkt niemand an die Möglichkeiten der modernen digitalen Technik und somit landet das Video aus Rache im Internet. Jakobs ohnehin schon von Schicksalsschlägen geprägtes Leben wird für ihn zur Hölle.

Kritik

Kilian Riedhof behandelt in diesem Film absolut aktuelle Tabuthemen unserer heutigen Gesellschaft. Hier nutzt er die ganze Bandbreite von einem schlechten Eltern-Sohn-Verhältnis über Scheidung der Eltern, die leidende kleine Schwester, unglückliche Jugendliebe, Onanie Jugendlicher bis hin zum mittlerweile durchaus bekannten Cybermobbing. Einerseits ist es bemerkenswert, wie er diese Bandbreite an Themen verarbeitet und dabei dennoch einen sehr realistischen und nicht überzogenen Plot erzeugt. Problematisch könnte einzig die Fülle und Schwere dieser Themen sein, denn so bietet nahezu jedes dieser Themen genügend Stoff für zehn Filme. Vieles bleibt so vielleicht doch zu nah am Rand der Erzählung oder ganz und gar unausgesprochen.

Ein großes Lob muss für die absolut überzeugende Leistung aller Schauspieler ausgesprochen werden. Nahezu jede Figur befindet sich in einem emotionalen Dilemma und eben diese Verletzlichkeit und Verwirrung bringen allesamt sehr überzeugend auf den Bildschirm. Absolut verdient wurde Jonas Nay für seine Rolle als Jakob Moormann mit dem Förderpreis ausgezeichnet. Die Charakterentwicklungen sind realistisch und überzeugend. Es wird deutlich, wieso insbesondere Jakob unter den Attacken seiner Mitschüler leidet. Ebenso kann nachvollzogen werden, woher das unterkühlte und skrupellose Verhalten seines Peinigers Henry kommt, denn auch er scheint in einem nicht allzu gutem Haushalt aufzuwachsen. Alles in allem können sowohl die Figuren als auch die Schauspieler überzeugen und dem Film ein erschreckendes Maß an Leben und Realismus einhauchen.

Die Bilder und Kameraeinstellungen werden passend zur Handlung inszeniert. Licht und Schatten reflektieren die Stimmungen und Gefühle der Protagonisten, schöne Landschaftsaufnahmen ergänzen die eher emotionsgeladenen Handlungssequenzen und geben dem Zuschauer einen Moment zum Durchatmen.

Leider birgt der Film in meinen Augen zwei ganz große Mankos, weshalb ich von der Gesamtwertung zwei Punkte abgezogen habe. Zum einen wäre da die schon angesprochene Themenflut. Neben dem akuten und großen Problem des Videos in den Händen der Mitschüler lassen sich Jakobs Eltern scheiden. Seine kleine, unter den vielen Streitereien leidende Schwester muss er trösten und häufig alleine versorgen. Er ist nicht unbedingt ein Einser-Schüler und zu allem Überfluss ist er verliebt und traut sich zunächst nicht, mit seiner Angebeteten zu sprechen. All das sind reichlich viele Probleme für einen Jugendlichen. Zwar sind all diese Ereignisse realistisch und ich zweifle auch nicht an, dass alles eine einzige Person treffen kann, doch scheint es einfach zu viel Stoff für 90 Minuten zu sein. Keines der Probleme kann so richtig angesprochen, behandelt und eventuell sogar gelöst werden.

Und so kommen wir auch zum nächsten Kritikpunkt: Das Ende des Films. Ich möchte hier gar nicht zu viel verraten, doch kann gesagt werden, dass ich mir von dem Ende mehr versprochen habe. Auf Jakobs Handeln werden keine Reaktionen der involvierten Personen gezeigt. So scheint es nahezu, als kämen alle "glimpflich" davon und nur Jakob leide unter der Situation. Man wünscht sich, zu sehen, dass auch die anderen auf gewisse Art bestraft werden. Die Eltern, die sich nur um sich selbst und ihre Trennung kümmern, die Schüler, von denen Mobbing-Attacken ausgehen, die Lehrer, die Jakob noch Nötigung seiner Mitschüler unterstellen usw. Andere mögen dieses Ende vielleicht gut finden, von daher nur ein geringer Abzug.

Fazit

Die Preise, die dieser Film gewonnen hat, sind allesamt gerechtfertigt. Die Machart des Films, die Schauspieler sowie die Thematik selbst überzeugen. Dieser Film beklemmt, nagt und beschäftigt auch noch lange nach dem Ansehen. Das ist, denke ich, was einen guten Film ausmacht. Doch neben all diesen Argumenten bewundere ich am meisten den offenen Umgang mit dem Themen Selbstbefriedigung, Cybermobbing und ausweglose Dilemmata, in denen Jugendliche gefangen sein können. Aufgrund der realistischen Aufarbeitung eines Szenarios regt dieser Film zum Nachdenken an und könnte meiner Meinung nach auch präventiv in Schulen eingesetzt werden, um Jugendlichen den Umgang miteinander näher zu bringen.

Janina Funk - myFanbase
18.01.2012

Diskussion zu diesem Film