Bewertung
Juan José Campanella

In ihren Augen

"Wie haben Sie das Leben ohne sie ausgehalten?"

Foto: Copyright: 2010 Twentieth Century Fox
© 2010 Twentieth Century Fox

Inhalt

Der pensionierte Justizbeamte Benjamín Esposito (Ricardo Darín) beginnt mit der Arbeit an einem Buch, dessen Ausgangspunkt ein 25 Jahre zurückliegendes Verbrechen bildet. Damals, 1974, war eine junge Frau vergewaltigt und ermordet worden. Die Bilder der Geschändeten sowie die Begegnungen mit ihrem Ehemann Ricardo Morales (Pablo Rages) haben sich seither tief in Espositos Gedächtnis eingebrannt. Doch nicht nur die Ermittlungen, sondern auch die eigene Vergangenheit wird während des Schreibens erneut durchlebt; die Freundschaft zum alkoholsüchtigen Kollegen Pablo Sandoval (Guillermo Francella), die unglückliche Verliebtheit in Richterin Irene Menéndez Hastings (Soledad Villamil) und den bevorstehenden politischen Umbruch im Heimatland Argentinien.

Kritik

Deutschland, Frankreich, Israel und Peru – das Rennen um den Auslands-Oscar 2010 gewann Argentinien mit dem Beitrag "In ihren Augen" (die Übersetzung des deutlich passenderen Originaltitels lautet übrigens "Das Geheimnis ihrer Augen"). Die ambitionierte und intelligente Mischung aus Krimi- und Liebesdrama vor dem Hintergrund einer unmittelbar bevorstehenden Militärdiktatur handelt von Leidenschaften, verpassten Lebenschancen und Vergeltung. Das ist schön gefilmt und top gespielt, aber mitunter etwas zu langatmig erzählt. Eduardo Sacheri, Autor der Romanvorlage, schrieb gemeinsam mit Regisseur Juan José Campanella das Drehbuch.

In dem Film verweben sich Vergangenheit und Gegenwart miteinander. Immer wieder wird die Geschichte um die Aufklärung des Mordes unterbrochen, sowohl von der Rahmenhandlung, in der Irene und Benjamín erneut aufeinander treffen, als auch um die Wesenszüge der Hauptfiguren in der Vergangenheit näher zu beleuchten. "In ihren Augen" nimmt sich viel Zeit für seine Protagonisten. Für ihre Blicke, ihre Gesten. Trotz deutlicher Dialoge bezüglich verschiedener Situationen sowie der Gefühlslagen der Charaktere, bleibt es ein Werk voller leiser Andeutungen. Ein schwermütiger, so langsam erzählter Film, dass man sich zuweilen wünscht, die eine oder andere Szene wäre kürzer ausgefallen. Am Ende schließlich erwartet den Zuschauer aber ein Schock, denn mit einer solch unerwarteten, sicherlich recht diskussionswürdigen Wendung hätte man nicht gerechnet.

Auffallend ist der Umgang mit dem Thema der Diktatur, welches für den Handlungsverlauf von besonderer Wichtigkeit ist. Die nahenden Umbrüche und späteren Folgen werden anhand des Falles Morales prägnant auf den Punkt gebracht und so zu einer beispielhaften Geschichte über Ungerechtigkeit in einem erschütterten Land.

Schauspielerisch ist "In ihren Augen" herausragend. Da hier die Figuren im Mittelpunkt stehen, sind es letztendlich die Darsteller, auf denen die größte Verantwortung lastet, hängt doch von ihrer Fähigkeit zum nuancierten, tiefgründigen Spiel viel von der Qualität und noch mehr der Glaubwürdigkeit des Dramas ab. Aber Villamil, Darín, Francella und Rages liefern alle vier großartige Leistungen ab, wobei die mit dem spanischen Filmpreis Goya prämierte Villamil wiederum den stärksten Eindruck hinterlässt.

Fazit

Der Gewinner des Auslands-Oscars 2010 ist eine ambitionierte Mischung aus Krimi- und Liebesdrama voller stiller Andeutungen und kleiner Gesten. Ein schwerer und wunderbar gespielter Film mit zuweilen zäher Erzählweise und einem erschütternden Finale.

Maren Langos - myFanbase
31.12.2011

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