Bewertung
Vincent Paronnaud, Marjane Satrapi

Persepolis

Wiener Arzt: "Wo wohnen Sie?"
Marjane: "Im Iran."

Foto: Copyright: 2011 Universal Pictures & PROKINO
© 2011 Universal Pictures & PROKINO

Inhalt

Teheran, 1979: Der Schah von Persien wird im Zuge der Islamischen Revolution aus dem Land vertrieben. Die kleine Marjane erlebt die nun dominierende Aufbruchsstimmung im Iran sowie die Hoffnung der Familie auf eine friedvolle Zukunft. Doch alles kommt anders, denn auf die vorherige Diktatur folgt eine weitere: Die neuen, erzkonservativen Gesetze der jetzt herrschenden Mullahs entstammen der Grundlage eines rigoros gelebten Islams. Je älter Marjane wird, desto mehr setzt sie sich gegen die Repressalien zur Wehr. In Sorge um ihre Sicherheit schicken Mutter und Vater sie daraufhin nach Österreich. Aber in der vermeintlichen Freiheit erwartet den Teenager kein Glück.

Kritik

Der bärtige Mullah und die Frau im schwarzen, bodenlangen Schleier. Marjane Satrapi hatte genug davon, dass der Westen den Iran als ein Land der fanatischen Stereotypen wahrnahm und verfasste den autobiographischen, mehrfach prämierten Comic "Persepolis" (in Deutschland in zwei Bänden erschienen), in dem sie in schlichten Zeichnungen und brillanten Texten vom Leben gewöhnlicher, sich nach Frieden sehnender Bürger schilderte. Der Oscar-nominierte Zeichentrickfilm, bei dem Satrapi gemeinsam mit Vincent Paronnaud das Drehbuch verfasste und Regie führte, hält sich eng an die wundervolle Vorlage und weist eine faszinierende erzählerische Dichte auf.

Revolution und Tyrannei, Krieg und Zerstörung, Inhaftierung und Hinrichtung politisch Andersdenkender, Propaganda und Kopftuchzwang, Pubertät und Rebellion, Emigration und Fremdenfeindlichkeit. Derartig viele Themen in gerade einmal 94 Minuten zu verpacken erscheint gewagt, wenn nicht zum Scheitern verurteilt. Aber das Wunder gelingt tatsächlich. Nie, zu keiner Minute, wirkt die Tragikomödie überladen. Trotz aller Bedrohlichkeit besitzt der Film eine große Warmherzigkeit und ist – man mag angesichts des Inhalts kaum glauben – manchmal zum Brüllen komisch. Nicht aufwendige Animationen, sondern das Erzählen sowie Erzeugen verschiedener, intensiver Stimmungen steht hier im Vordergrund.

Die kleine, Bruce Lee verehrende Marji, die davon träumt, die letzte Prophetin der Galaxie zu werden, gewinnt sofort die Herzen der Zuschauer. Man muss das Mädchen für ihren Mut einfach bewundern. Doch Satrapi betreibt keine Selbststilisierung zur Heldin des Alltags, sondern präsentiert uns auch ihre verletzliche Seite. Einmal werden wir gar Zeugen einer Situation, in der sich die Hauptfigur so hinterlistig benimmt, dass selbst die Großmutter, zu der Marjane ein inniges Verhältnis pflegt, zutiefst entsetzt ist.

Einzig die Rahmenhandlung, die eine erwachsene Marjane am Pariser Flughafen zeigt, ist farbig gestaltet. Der Rest des Films ist in schwarz-weiß gehalten. Anders als der Comic verzichtet die filmische Umsetzung dabei nicht auf Grauschattierungen der Hintergründe. Hinzukommen vereinzelt poetisch anmutende Elemente wie beispielweise ein Blütenregen im Vor- wie Abspann. Die deutschen Synchronsprecher sind gut ausgewählt. Jasmin Tabatabai, welche Marjane ihre Stimme leiht, wurde ihrerseits im Iran geboren, wo sie die ersten zwölf Lebensjahre verbrachte.

Während "Persepolis" in Cannes mit einem Spezialpreis der Jury ausgezeichnet wurde, unterlag er einige Monate später bei der Oscar-Verleihung Pixars "Ratatouille" in der Kategorie "Bester Animationsfilm".

Fazit

Intelligente, unglaublich stimmungsvolle Comicverfilmung, die ihre Zuschauer genauso erschüttert wie zum Lachen bringt. Ein kleiner, aber dennoch ganz großer Film voller unvergesslicher Momente. Ergreifend, faszinierend, großartig. Wohl einer der besten europäischen Zeichentrickfilme überhaupt.

Maren Langos - myFanbase
20.12.2011

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