Bewertung
Aleksei Uchitel

Edge, The

"In welchem Loch hast du diese Frau gefunden?"

Inhalt

Wir befinden uns kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges in der sibirischen Taiga. Der Kriegsveteran und Lokführer Ignat (Wladimir Mashkov) bedient hier eine Lok, um die angrenzenden Bewohner zu versorgen. Diese Arbeit erledigt er ganz pflichtbewusst nach dem sowjetischen Grundgedanken, doch die Kriegsjahre haften an ihm und in seinem Kopf, wodurch er gelegentlich irrationale Entscheidungen fällt. Seine schlimmste Entscheidung war ein Lokwettrennen, wodurch er nicht nur sein eigenes Leben riskiert hat, sondern auch das Leben seiner Passagiere. Letztlich zerstörte er durch diese Aktion seine Lok. Um diesen Verlust ungeschehen zu machen, begibt er sich auf die Suche nach einer älteren Lokomotive, die er in einer abgelegeneren Gegend von Sibirien vermutet, die aber unzugänglich ist, da sie hinter einem Fluss liegt, wo die dazugehörige Brücke zum Teil eingestürzt ist.

Womit er auf seiner Suche nach der Lokomotive nicht rechnen konnte, ist, dass sich an demselben Ort eine deutsche Frau befindet, die kein Wort Russisch spricht. Diese Situation verursacht beiden anfangs große Probleme.

Kritik

Begeben wir uns zunächst einmal in die Zeit vor und nach dem Zweiten Weltkrieg, denn in diesem Bereich, so scheint es, sind die meisten nicht sonderlich bewandert. Wozu auch? Die spannendsten Momente, ohne damit jetzt den Kriegsteilnehmern auf die Füße zu treten, ereigneten sich zwischen 1939 und 1945. Doch was war davor? Natürlich, die NSDAP und damit auch das deutsche Volk, erweiterten ihren Horizont in neuem Maße. Die Weimarer Republik hatte sich selbst abgeschafft und einem Tyrannen die Macht geradezu überlassen. Die olympischen Spiele waren sehr erfolgreich, aber international herrschte glatte Funkstille. Oder auch nicht.

Betrachten wir die Beziehung zwischen dem neuen Deutschen Reich und der Sowjetunion, dann stellen wir fest, dass eine sehr erfolgreiche Partnerschaft herrschte. Deutsche Offiziere, Wissenschaftler und Ingenieure reisten in die Sowjetunion, um an Militärübungen, Forschungen und Entwicklungen als auch Projekten zu arbeiten. Umgekehrt geschah dasselbe, bis eben zu jenem Zeitpunkt, als Hitler den Vorschlag unterbreitete, man könne einen Angriff auf die Sowjetischen Truppen wagen. Das Land verfüge schließlich über eine schlechte Infrastruktur und wenige militärische Ressourcen. Dies war eine Fehleinschätzung. Doch was geschah mit den Deutschen, die sich zu jenem Zeitpunkt, als der Angriff stattgefunden hat, noch in der Sowjetunion befunden haben? Mit diesem Film kann sich der Zuschauer nun einen kleinen Eindruck davon machen, was war oder gewesen sein könnte. Es ist schließlich nur eine Fiktion, die sich die Wahrheit nur in gewissen Zügen herausgezogen hat.

In diesen Handlungsrahmen wird der Zuschauer in "The Edge", im russischen Original auch einfach "Kray" - so der Name des Ortes – genannt, hineingeworfen, ohne womöglich auch nur im Entferntesten Ahnung darüber zu haben, in welchem Zusammenhang dieser Handlungsrahmen stattfinden könnte. Glücklicherweise bedient sich Regisseur Aleksei Uchitel im Laufe des Filmes der Zeitsprünge, um den Zuschauer nicht komplett vor den Kopf zu stoßen. Um die Spannung nicht vorweg nehmen zu wollen, scheint dies im Umkehrschluss aber ein toller Einfall gewesen zu sein, denn die Einblicke in das Vergangene sind nicht nur durch eine andere Kameraführung und einen anderen Lichteinfall gut umgesetzt, sondern sind ein immer wieder auftauchender Ausgleich zwischen einer harmonisch schönen und einer depressiven, tristen und traurigen Zeit.

Um seinen Film realisieren zu können, behalf Uchitel sich zwei mehr oder weniger bekannter Schauspieler, bei denen er sich jedoch sicher sein konnte, dass sie eine eindrucksvolle Leistung darbieten könnten. Im russischsprachigen Raum war dies sicherlich kein Problem. Er nahm den durch die russische Serie "Likvidatsiya" bekannten Schauspieler Vladimir Mashkov. Womöglich ist sein Gesicht einigen bekannt, hatte er doch eine Gastrolle in der Serie "Alias – Die Agentin". Seine nächste größere Rolle wird sich in dem für 2012 angekündigten vierten Teil von "Mission: Impossible" abspielen.

Die Besetzung des weiblichen Parts war umso schwieriger. Natürlich hatte Uchitel auch hier eine große Auswahl. Deutsche Schauspielerinnen gibt es viele, und viele verschlägt es auch gelegentlich nach Russland, doch er entschied sich für die fast unbekannte und eher in der Theaterszene etablierte Anjorka Strechel. Sie gilt als einzige Unbekannte in diesem Film. Nicht nur im realen Leben, sondern auch als Charakter Elsa. Es gilt eine Gratwanderung nicht nur zwischen zwei Ideologien darzustellen, sondern auch zwischen zwei sich völlig fremden Menschen und Kulturen. Gleichfalls muss sie innerhalb von knapp zwei Stunden eine Metamorphose vollziehen von einem schüchternen, liebevollen und besonders herzlichen Mädel, zu einer durchsetzungsfähigen, toughen und willensstarken Frau. Dies gelingt ihr in vielen Zügen durchweg, und hin und wieder zaubert sie so den Zuschauern auch ein kleines Lächeln aufs Gesicht.

Dank dieser zwei grundlegend verschiedenen Persönlichkeiten konnte Uchitel nun sein Werk, welches unentwegt geschmückt ist von Metaphern und Symbolen, erbauen, welches im Endeffekt nur den Drang verspürt, eine Liebesgeschichte zu erzählen, wie sie schon mehrfach, nicht nur im filmischen Bereich, sondern auch in der Literatur, erzählt wurde. Lediglich der Handlungsrahmen erscheint einem neu und auch attraktiv, schließlich sind die russischen Wälder ein großer Anreiz für Touristen, in dieses Land zu reisen.

Fazit

Ein durchweg unterhaltsames Liebesdrama, mit guten Schauspielern und gewissen Reizen, die das Konsumieren nicht unentwegt erschweren.

Ignat Kress - myFanbase
18.01.2011

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