Bewertung
Steven Soderbergh

Traffic - Macht des Kartells

Steven Soderberghs vielschichtiges Drogendrama mit Michael Douglas gewann vier Oscars. Einer ging an den überragenden Benicio Del Toro.

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Steven Soderbergh hat mit "Traffic - Macht des Kartells" keinen Spielfilm der üblichen Art mit Handlung bis zum Showdown gedreht. Der Streifen ist eher eine vorsichtige, erschreckende, von Hilflosigkeit, aber auch Hoffnung geprägte Annäherung an das Thema Drogen aus Täter - wie Opferperspektive, der den üblichen dramaturgischen Weg US-amerikanischer Filme verlässt. Wie ein Spinnennetz breitet sich das Problem, ja eine ganze Lebensweise von Millionen von Menschen über den nordamerikanischen Kontinent aus. Wie ein Spinnennetz legen die Drogenunternehmen ihre Verkaufsstrategien, Handelswege, gespickt mit Mord, Erpressung, Korruption und viel Geld über die Gesellschaft.

Der Film nähert sich aus mehreren Perspektiven: Da ist der mexikanische Polizist Javier (Benicio del Toro), der Drogenhändlern auf der Spur ist und es gleichzeitig mit dem einem Drogenkartell angehörenden Militärboss zu tun bekommt.

Da sind die beiden US-amerikanischen Drogenfahnder Montel (Don Cheadle) und Ray (Luiz Guzmán), die durch Festnahme eines Drogendealers einen Kronzeugen gegen den Drogenbaron Carlos (Steven Bauer) in die Hände bekommen. Doch sie müssen diesen Kronzeugen nicht nur vor der Drogenmafia schützen, sondern auch – was sie nicht wissen – vor Carlos Frau (Catherine Zeta-Jones), die einen Mörder dingt, um den Kronzeugen zu liquidieren. Ihr Ziel: Sie will ihr früheres, scheinbar sorgenfreies Leben wieder haben und nimmt dabei in Kauf, künftig die Geschäfte ihres Mannes selbst zu unterstützen.

Und nicht zuletzt erzählt der Film die Geschichte des gerade zum obersten Drogenfahnder der USA ernannten Richters Wakefield (Michael Douglas in einer seiner besten Rollen), der erfahren muss, dass seine einzige Tochter drogenabhängig ist.

Die Geschichte dieser Menschen verknüpft sich an einzelnen Punkten; sie lernen sich über die Drogen kennen; das Heroin vernetzt sie miteinander. Javier verlangt von seinen amerikanischen Kollegen für Informationen über die Drogenkartelle in Mexiko kein Geld für sich, sondern will, dass die Baseball-Stadien der Jugendlichen sicherer eingerichtet und mit Flutlicht ausgestattet werden: Wer Baseball spielt und sich dabei sicher fühlen kann, gerät nicht so schnell in Gefahr, drogenabhängig zu werden. Ein Trugschluss? Richter Wakefields Tochter - was hat sie für Gründe, zu schnüffeln? Sie hat keine Geldsorgen, bekommt die beste Ausbildung, ist sozial integriert in den besseren Kreisen - und geht zum Schluss doch auf den Strich, um an Drogen heranzukommen. Auf der anderen Seite steht Javier, der gerade mal 318 Dollar für seine beschissene und gefährliche Arbeit vom Staat Mexiko erhält, sich aber nicht erpressen und auch nicht für das Drogenkartell kaufen lässt.

Wenn es eine Botschaft dieses Films gibt, dann die, das Abhängigkeit vor nichts halt macht - weder vor politischen, noch vor sozialen Grenzen. Gerade die übermächtige Aufgehobenheit in einer in vielerlei Hinsicht total vorbestimmten Zukunft bringt Wakefields Tochter zu den Drogen, weil sie instinktiv spürt, dass in dieser Welt für sie die Luft zu dünn ist: Wie kann sie sich hier noch frei und selbstbestimmt bewegen? Wakefield selbst erkennt, dass für ihn der Weg des obersten Drogenfahnders eine Sackgasse sein könnte. Er soll den Krieg gegen die Drogen anführen. Doch was geschieht, wie er sagt, wenn man diesen Krieg in der eigenen Familie führen muss? Was ist, wenn es nicht gelingt, die »inneren Wege« der Droge zu versperren? Millionen von Drogenabhängigen haben nicht die Möglichkeiten, die Richter Wakefield hat, um seine Tochter aus der Abhängigkeit zu führen. Für sie besteht eher das Problem, überhaupt nirgendwo aufgehoben zu sein.

Die Droge breitet sich aus, je größer die Unzufriedenheit mit der eigenen Biografie wird, ja sein muss, je weniger Perspektiven zu einem weitgehend selbstbestimmten Leben bestehen. Soderbergh lässt durch diesen Film erhebliche Zweifel am Mythos des american way of life aufkommen, der doch vorgibt, jeder habe die Chance auf ein solches Leben.

Einer der spannendsten und nachdenklichsten Filme dieses Sommers.

Ulrich Behrens - myFanbase
15.11.2004

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